Klimaschädliche Subventionen: Eine Passagiermaschine zieht Kondensstreifen hinter sich her: Würde die Steuerbefreiung für Flugbenzin abgeschafft, brächte dies dem Bundesetat 8,4 Milliarden Euro im Jahr.
Im Bundeshaushalt fehlen 60 Milliarden Euro - und bei umweltschädlichen Subventionen gäbe es praktischerweise 65 Milliarden zu holen. Doch das Finanzministerium geht vorsichtshalber auf Tauchstation.
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Das, was manche Wahnsinn nennen, lässt sich gut anhand der Steuer auf Diesel und Benzin skizzieren. Seit mehr als 30 Jahren belegt der Staat den Liter Diesel mit deutlich weniger Steuern als Benzin - ursprünglich einmal, um den Spediteuren des Landes etwas Gutes zu tun. Das macht es günstiger, viele Kilometer mit einem Dieselmotor zu fahren, und benachteiligt Benziner, die weniger Schadstoffe wie etwa Stickoxide ausstoßen. Es lässt aber auch Elektrofahrzeuge vergleichsweise schlechter dastehen. Damit sich die Käufer dennoch für E-Autos entscheiden, muss der Staat umso mehr Geld in die Hand nehmen, um diese zu fördern. Er muss also hohe Klimaschutzsubventionen zahlen, um die eigenen klimaschädlichen Subventionen noch zu übertreffen.
An staatlichen Hilfen, die Umwelt und Klima schaden, entzünden sich seit vielen Jahren Debatten. 2021 fand das auch Niederschlag im Koalitionsvertrag der Ampel: Dort geloben die Partner, sie wollten "umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen". Passiert ist bisher allerdings nichts. Dabei ist der finanzielle Druck auf die Koalitionspartner nach dem jüngsten Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts größer denn je - und bei den umweltschädlichen Subventionen gäbe es viele Milliarden zu holen.
Das Umweltbundesamt (UBA) schätzte vor zwei Jahren den Umfang umweltschädlicher Staatshilfen auf mehr als 65 Milliarden Euro - pro Jahr. Dem liegt allerdings ein sehr weitgehendes Verständnis umweltschädlicher Subventionen zugrunde. So fasst die Behörde darunter auch die Förderung des Eigenheim-, Wohnungs- und Sozialwohnungsbaus und kommt so auf gut drei Milliarden Euro. Hier zu kürzen gilt in der Koalition angesichts des Mangels an Wohnungen als ausgeschlossen. Auch Kürzungen beim großen Posten Energieerzeugung und -nutzung gelten als heikel, weil die gestiegenen Strom- und Gaspreise vielen Firmen ohnehin zu schaffen machen. Für 2018 hatte das UBA Vergünstigungen etwa für Aluminiumwerke und Glashersteller auf 25,3 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregierung aber hat sich im Gegenteil erst kürzlich für eine Absenkung der Stromsteuer für produzierende Unternehmen entschieden.
Allein die Streichung des Dieselprivilegs brächte mehr als acht Milliarden Euro
Mehr Erfolgsaussichten bietet der Bereich Verkehr, wo sich staatliche Vergünstigungen wie die geringere Steuer auf Diesel (8,2 Milliarden Euro), die Entfernungspauschale (sechs Milliarden) oder die Steuerbefreiung für Flugbenzin (8,4 Milliarden) laut Umweltbundesamt auf fast 31 Milliarden Euro summieren. Erst vergangene Woche hatte die Bertelsmann-Stiftung eine von ihr in Auftrag gegebene Studie des "Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft" (FÖS) und des Prognos-Instituts vorgelegt mit Vorschlägen, wie sich in diesem Bereich Milliarden hereinholen ließen. (siehe unten)
Der Fokus der Autorinnen und Autoren liegt auf der Steuervergünstigung für Diesel im Vergleich zu Benzin und dem sogenannten Dienstwagenprivileg. "Das Diesel- und das Dienstwagenprivileg kosten viele Milliarden, sind sozial unausgewogen - und ihre Streichung könnte erhebliche Mengen CO₂ einsparen", sagt Sara Holzmann, Expertin für nachhaltige soziale Marktwirtschaft bei der Bertelsmann-Stiftung. "An diese Subventionen sollte man rangehen. Dies würde den sozialen Ausgleich in der Verkehrswende stärken."
Das Dienstwagenprivileg regelt die Besteuerung von Dienstwagen, die Beschäftigte auch privat nutzen. Der geldwerte Vorteil, den Arbeitnehmer dadurch erhalten, wird pro Monat pauschal mit einem Prozent des Listenpreises des Wagens besteuert. Das aber bedeutet: Für die Fahrer entsteht keine zusätzliche Steuerlast, wenn sie mehr Kilometer fahren. Spendiert der Arbeitgeber auch noch eine Tankkarte, entstehen gar keine Mehrkosten - es gibt keinerlei Anreiz, weniger zu fahren. Die Autoren der Studie schlagen vor, die pauschale Steuer für Verbrenner auf zwei Prozent im Monat zu verdoppeln, so ließen sich 5,7 Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen.
Die FDP zeigt sich verhandlungsbereit - und bremst zugleich
Ist das politisch durchsetzbar? Größter Skeptiker in der Koalition, was den Abbau so mancher umweltschädlichen Subventionen angeht, ist die FDP. "Grundsätzlich ist es gut, dass wir über den Abbau von Subventionen diskutieren", sagt der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Olaf in der Beek. Allerdings: "Das Dienstwagenprivileg halte ich für völlig in Ordnung. Hier geht es in der Regel um Mittelklassewagen wie Golf, nicht um Porsche." Sein Parteichef, Finanzminister Christian Lindner, drückte es jüngst sogar noch plakativer aus: Der meistgenutzte Firmen-Pkw sei weder ein Bentley noch eine Mercedes- S-Klasse, sondern der VW Passat. "Das sind die Dienstwagen der pendelnden Mitte Deutschlands", so Lindner.
In der Beek beschäftigt zudem, wie sich der Subventionsabbau auf weniger betuchte Bürger auswirkt. "Wir müssen Nachteile für ärmere Bevölkerungsgruppen vermeiden." Diese Sorge, sagt Holzmann, könne sie der FDP nehmen. "Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung fährt Dienstwagen. Es sind zu 80 Prozent Männer, und zwar zur großen Mehrheit Besserverdiener."
Etwas mehr bewegen könnte sich bei der Dieselbesteuerung. "Wir können gerne über die Angleichung der Steuer auf Diesel und Benzin sprechen", sagt in der Beek. Was Lkws angehe, müsse man aber berücksichtigen, "dass dies ganze Wirtschaftsbereiche plattmachen kann". Auch eine Steuer auf Flugbenzin lehnt in der Beek nicht grundsätzlich ab. Sie könne aber "nur europäisch geregelt werden" und dürfe nicht dazu führen, dass Reisende auf Flughäfen in Nachbarländern auswichen. Diese Gefahr sieht auch Holzmann. "Beim Lkw-Diesel sollte man zu europäischen Lösungen kommen. Das gilt auch für Kerosin." Wenn man nur die Steuer für Diesel-Pkw der für Benziner angleiche, ließe sich dennoch etwa eine Milliarde Euro pro Jahr erlösen.
Die Minister Habeck und Lindner halten sich vorsichtshalber bedeckt
Im Bundeswirtschaftsministerium kann man sich prinzipiell mit vielen der Kürzungsvorschläge anfreunden. Öffentlich äußern aber mögen sich Ressortchef Robert Habeck und seine Adlaten derzeit nicht. Denn klar ist: Sosehr sich im Prinzip alle einig sind, dass Staatshilfen abgebaut werden müssen, so groß ist das Geschrei jeder einzelnen Interessengruppe, wenn es dann konkret wird und tatsächlich eine bestimmte, über die Jahre lieb gewordene Zahlung gestrichen werden soll. Ohne ein Gesamtkonzept, das lehrt die Erfahrung, sind konkrete Aussagen zum Subventionsabbau deshalb politisches Harakiri.
Auch im Finanzministerium geht man deshalb vorsichtshalber auf Tauchstation. "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu einzelnen Maßnahmen derzeit nicht äußern können", sagt ein Sprecher. Angesichts des Koalitionsvertrags gelte ganz generell, dass der Blick für den Abbau klimaschädlicher Subvention "schon seit Beginn der Legislatur geschärft" sei - und zwar unabhängig von aktuellen Haushaltsfragen. "Im Zuge dieser Fragen werden Ausgaben jetzt grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt", sagt der Sprecher.
Ob dabei viel herauskommt, ist aber offen, denn der Druck auf die Politik ist groß. "Interessengruppen und parteipolitische Interessen verhindern, dass es beim Subventionsabbau vorangeht", sagt Bertelsmann-Expertin Holzmann. Dabei schreckten die Lobbyisten auch vor Augenwischerei nicht zurück. Holzmann: "Es wird viel mit Behauptungen und Scheinargumenten gearbeitet."
Bertelsmann hier 16.11.2023
Wie Deutschland vom Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen dreifach profitieren kann
Werden Klima- und Finanzpolitik nicht zusammengedacht, wird der Weg in eine Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft länger und teurer. Am Abbau umweltschädlicher Subventionen kommt die Politik deshalb nicht vorbei. Diese Subventionen – in Summe jährlich 65 Milliarden Euro – setzen widersprüchliche Anreize und behindern die ökologische Transformation. Unsere neue, umfangreiche Analyse zeigt, dass Subventionsreformen – wenn klug gestaltet – eine dreifache Dividende entfalten können: Sie können positiv auf die Erreichung der Klimaziele einzahlen, zu Wertschöpfung und Beschäftigung beitragen und den sozialen Ausgleich in der Transformation stärken.
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem die Umwidmung von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds gestoppt wurde, stellt die Finanzierung des Übergangs zur Klimaneutralität einmal mehr auf wackelige Beine. Gleichzeitig wachsen die Investitions- und Handlungsbedarfe des Staates: Öffentliche Gelder werden für den Aufbau klimaneutraler Infrastruktur, den Umbau der Wirtschaft und die Unterstützung der Bürger:innen in der Transformation benötigt. In einem solchen Umfeld können wir uns umweltschädliche Subventionen nicht länger leisten.
Eine klimafreundliche Subventionspolitik unterstützt die Industrie zielgenau auf dem Weg zur Klimaneutralität
Welche Form der Unterstützung und Subventionierung für die Dekarbonisierung des deutschen Industriesektors notwendig und geeignet ist, wird rege diskutiert. Zuletzt einigte sich die Bundesregierung auf ein breites und kostspieliges Strompreispaket. Unternehmen des Produzierenden Gewerbes erhalten jedoch bereits heute umfangreiche Subventionen, die vielfach umweltschädlich wirken: Energie- und Stromsteuerentlastungen vergünstigen den Einsatz fossiler Energieträger und den Energieverbrauch, anstatt energieeffiziente und emissionsfreie Technologien zu fördern. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) gemeinsam mit der Prognos AG den Reformbedarf für diese umweltschädlichen Subventionen herausgearbeitet, Reformoptionen für eine auf Klimaschutz ausgerichtete Subventionspolitik im Industriesektor entwickelt und die potenziellen Auswirkungen der Subventionsreformen analysiert.
Die Studie zeigt, dass sich die Entlastungen umgestalten lassen, sodass positive ökologische Wirkungen bei nur geringen Produktionsrückgängen erreichbar sind. Die fiskalischen Mehreinnahmen der Subventionsreform können verwendet werden, um die Klimaschutzverträge finanziell deutlich aufzustocken, wodurch sich die ökologische und ökonomische Wirkung der Reform weiter verbessern ließe.
Subventionsreformen im Verkehr beschleunigen die Antriebswende und ermöglichen sozialen Ausgleich
Im Verkehrsbereich werden gemessen am Volumen fast die Hälfte aller umweltschädlichen Subventionen gewährt. Das Diesel- und das Dienstwagenprivileg etwa behindern den Übergang zur Elektromobilität und begünstigen hohe Fahrleistungen mit dem Pkw. Sie wirken sozial ungerecht, weil einerseits Diesel- und Dienstwagenprivileg selbst weitestgehend einkommensstarken Personen zugutekommen und andererseits auch von der Förderung der Elektromobilität, die aufgrund der Subventionen unnötig hoch ist, überwiegend finanziell bessergestellte Personen profitieren. Neben der Herleitung des Reformbedarfs werden in unserer neuen Studie konkrete Reformoptionen für Dienstwagen- und Dieselbesteuerung vorgelegt und auf ihre ökonomische, ökologische und soziale Wirkung hin untersucht.
Die Wirkungsabschätzung von FÖS und Prognos zeigt positive Effekte der Subventionsreform in allen drei Dimensionen.
- Sie beschleunigt den Umstieg auf E-Pkw und reduziert die Fahrleistung von Verbrennern.
- Sie baut sozial unausgewogene Regelungen ab, denn sowohl die private Dienstwagennutzung als auch der Besitz eines Diesel-Pkw sind unter einkommensstarken Haushalten überdurchschnittlich weit verbreitet.
- Und sie generiert Mehreinnahmen in Milliardenhöhe, die etwa zur Bezuschussung des Deutschlandtickets, für eine nachhaltige Verkehrsfinanzierung oder zur Abfederung sozialer Härtefälle genutzt werden können.
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