Freitag, 17. November 2023

Folgen des Klimafonds-Urteils - Ende des Durchmoggelns

Spiegel hier Der SPIEGEL-Leitartikel von Gerald Traufetter 17.11.2023,

Scheitert Habeck, scheitert die Koalition

Die Klimapolitik der Ampel liegt nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts in Trümmern. Doch den grünen Wandel der Wirtschaft jetzt nicht mehr voranzutreiben, wäre fatal für das Land.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Finanztrickserei der Ampel ist eine Blamage für die ganze Koalition. Für einen Minister ist es eine Katastrophe: Robert Habeck muss fürchten, dass seine Pläne für den ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft scheitern.

Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler ist Hauptleidtragender einer Strategie, die Olaf Scholz ersonnen und Christian Lindner umgesetzt hat. Nach der Karlsruher Entscheidung fehlen ihm viele Milliarden für seine Politik. Das wissen die Koalitionspartner. Der Wirtschaftsminister solle sich schon mal überlegen, wo er das Geld für seine Klimaprojekte hernehmen wolle, spottet der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Doch Häme ist dumm und unverantwortlich, denn: Scheitert Habeck, scheitert die Koalition.

Statt sich über Habecks Probleme zu freuen, müssen SPD, Grüne und FDP gemeinsam überlegen, wie es weitergehen soll.

Habeck weist zu Recht immer wieder darauf hin, dass das deutsche Wirtschaftsmodell in Gefahr sei. Auf der ganzen Welt würden die Weichen für das Wirtschaften ohne Kohle, Öl und Gas gestellt. Das sei eine industrielle Revolution, vergleichbar mit jener, die durch die Dampfmaschine ausgelöst wurde. Manche Nationen werden aufsteigen, andere absteigen. Das alles steht jetzt auf dem Spiel.


Dass Klimaschutz und Wohlstand Hand in Hand gehen,
 ist ein Versprechen, dass die Koalition den Wählerinnen und Wählern gegeben hat.
Daran ist nicht nur der Wirtschaftsminister gebunden, sondern die ganze Regierung.
Statt sich über Habecks Probleme zu freuen,
müssen SPD, Grüne und FDP gemeinsam überlegen, wie es weitergehen soll.


Damit Deutschland nicht zu den Absteigern gehört, sah Habecks Konzept vor, Verbraucher und Unternehmen mit viel Geld zu unterstützen. Gleichzeitig wollte sich Finanzminister Christian Lindner mit Sparpolitik profilieren. Weil das nicht zusammenpasste, hatte die Koalition einen Verfassungsbruch riskiert. Den haben die Richterinnen und Richter in Karlsruhe gestoppt. Jetzt muss die Ampel schauen, wie sie ihren Haushalt auf rechtmäßige Weise aufstellt.

Ampel verhängt Ausgabensperre für Klimafonds

Bei der Frage, wie die knappen Mittel verteilt werden sollen, geht es auch um den Platz Deutschlands in der Welt. Die USA locken mit dem Inflation Reduction Act, der grüne Technik steuerlich so stark fördert, dass er wie ein riesiger Magnet funktioniert. China ist dabei, die Märkte der Zukunft zu besetzen: Elektroautos, Batterieproduktion, Elektrolyseure. Die heimischen Konzerne brauchen Planungssicherheit. Sonst kehren sie Deutschland den Rücken. Oder sie werden von der chinesischen Konkurrenz verdrängt. Oder beides.

Zuletzt konnten die Unternehmen sich Hoffnungen machen. Die Ampel beschloss nach langem Streit, energieintensive Unternehmen von den hohen Stromkosten zu entlasten. Klimaschutzverträge sollen Stahlkonzerne in die Lage versetzen, in Produktionsanlagen mit grünem Wasserstoff zu investieren. Richtige Projekte, die aus dem Klimafonds finanziert werden sollten, dem nun Geld fehlt.

Das zwingt die Koalitionsparteien dazu, sich darüber zu verständigen, was ihnen wichtig ist und was nicht. Die Regierung muss die harten Entscheidungen nachholen, die sie durch ihre Haushaltstricksereien vermeiden wollte. Dabei werden alle Seiten Zugeständnisse machen müssen.

Habeck sollte noch einmal darüber nachdenken, ob er wirklich die Chipfabrik eines US-Konzerns mit fast zehn Milliarden Euro subventionieren will. Auch Programme aus dem Arbeits- oder dem Familienministerium müssen überprüft werden. Ist die Kindergrundsicherung in der geplanten Form noch tragbar? Es klingt hart, aber Investitionen in die Zukunft des Landes müssen Vorfahrt haben vor sozialen Wohltaten.

Eine Reform der Schuldenbremse darf kein Tabu sein.

Wer, wie Lindner, Steuererhöhungen ablehnt, muss sagen, wo gespart werden soll, und zwar auch an Stellen, die seiner Partei lieb und teuer sind. So sollten Dienstwagen mit Verbrennungsmotor und klimaschädlicher Dieselkraftstoff nicht mehr subventioniert werden. Ein Milliardenbetrag ließe sich so einsparen. Der Finanzminister könnte zeigen, dass ihm ein solider Haushalt wichtiger ist als das Bedienen bestimmter Wählergruppen.

Und wenn am Ende doch Geld für die dringenden Investitionen im Land fehlen, dann darf eine Reform der Schuldenbremse kein Tabu sein. So wäre es sinnvoll, Investitionsausgaben anders zu bewerten als Ausgaben in den Konsum. Weil dafür die Verfassung geändert werden muss, brauchte es die Zustimmung der Union. Auch die CDU muss sich bewegen, wenn sie ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden will.

Die Regierung muss jetzt zeigen, dass sie sich unter den neuen Bedingungen noch einmal zusammenraufen kann. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale müssen den Bürgerinnen und Bürgern darlegen, wie sie weitere zwei Jahre regieren wollen. Die Zeit darf nicht vertan werden. 

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