Mittwoch, 11. September 2024

Golfregion: Ölscheichs ohne Strom

Energieknappheit in der Ölregion - schier unvorstellbar für uns. Das kann also passieren, wenn man sich nicht um den Ausbau der Erneuerbaren und um die effektive Nutzung von Strom kümmert.... Strom ist (momentan) billig, na klar - nur was nützt das wenn man keinen bekommt?

Süddeutsche hier  9. September 2024, Von Bernd Dörries, Kairo

Kuwait gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Doch der Staat schafft es nicht, genügend Energie für seine Bürger zu produzieren.

Dass die Pizza kalt beim Kunden ankommt, ist in Kuwait bei Temperaturen bis zu 50 Grad derzeit eher nicht zu erwarten. Wohl aber drohen die Motorradfahrer der Lieferdienste zu kollabieren, ob der seit Monaten anhaltenden Hitzewelle am Golf. Die Regierung von Kuwait hat deshalb beschlossen, dass zwischen elf Uhr vormittags und vier Uhr nachmittags, wenn die Hitze am stärksten ist, gar keine Lieferdienste mehr mit dem Motorrad unterwegs sein dürfen, um Hitzetote zu vermeiden. Das Fahrverbot soll außerdem helfen, Unfälle zu vermeiden, da in Kuwait seit Monaten regelmäßig der Strom ausfällt.

Es sind Probleme, die auch andere Länder in der Region treffen, durch den Klimawandel werden große Teile der Golfregion so heiß, dass sie nur noch mit Klimaanlagen bewohnbar gehalten werden können. Was wiederum zu einem immer größeren Stromverbrauch führt, dem viele Länder nicht nachkommen können. Im Irak und Ägypten gibt es seit Monaten regelmäßig Blackouts, auch in Libanon. Diese Länder haben aber mit wirtschaftlichen und politischen Krisen zu kämpfen. Kuwait hingegen ist einer der reichsten Staaten der Welt, sein Investitionsfonds hat fast eine Billion Dollar zu verteilen. Offenbar nicht für die heimische Stromerzeugung: Kuwait besitzt etwa sechs Prozent der weltweiten Ölreserven, hat aber nicht genug Energie für die eigene Bevölkerung.

Jeder Monat bringt neue Rekorde

Seit 2006 gibt es immer wieder Blackouts, so lange verspricht auch die Regierung schon, die Energieversorgung zu stabilisieren. Manchmal ist der Strom bis zu zwei Stunden am Tag weg. Doch während in Deutschland der Stromverbrauch pro Haushalt seit Jahren stetig sinkt, geht der Trend in Kuwait in die andere Richtung und liegt fast dreimal so hoch. Jeden Monat werden derzeit neue Rekorde verkündet.

Das liegt einerseits am Klimawandel. Dauerte die brutale Hitze des Sommers früher etwa drei Wochen, so sind es heute eher drei Monate, in denen im ganzen Land die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Anreize, Energie einzusparen, gibt es bisher wenig. Zwar ist auch in Kuwait der Strom teurer geworden, er kostet aber derzeit immer noch nur etwa zwei Cent die Kilowattstunde, etwa ein Zwanzigstel des deutschen Preises. Fast nirgendwo auf der Welt wird so viel Strom verbraucht wie in Kuwait. Zumindest verbrennt das Land mehr Gas statt Öl, was etwas umweltfreundlicher ist.

Seit Jahrzehnten ist schon klar, dass Kuwait neue Kraftwerke braucht

Die Regierung macht neben dem immer höheren Verbrauch auch technische Probleme für die ständigen Stromausfälle verantwortlich, das Gas muss aus Katar importiert werden. Für viele Kuwaiter liegen die Ursachen aber eher in der Inkompetenz und Korruption der Regierung.

„Ich habe die Blackouts schon vor zwei oder drei Jahren erwartet“, sagte ein ehemaliger Energiemanager der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Niemand hat verstanden, wie wichtig es ist, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, man muss Jahre im Voraus planen.“ Was die Regierung verfehlt habe. Seit Jahrzehnten ist klar, dass Kuwait neue Kraftwerke braucht, der Anteil der erneuerbaren Energien liegt bei 0,2 Prozent. Gerade beginnt zumindest der Bieterwettbewerb für ein großes Solarkraftwerk.

Für viele Kuwaiter sind die Stromausfälle das Symptom einer generellen Krise: Während in den Nachbarländern wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten fleißig an einer Zukunft ohne Öl gebastelt wird, herrscht in Kuwait Stillstand. Während anderswo am Golf in künstliche Intelligenz, Fluggesellschaften, Sportligen und Tourismus investiert wird, scheint in Kuwait so gut wie nichts zu passieren.

Es gibt zwar zumindest einen viel größeren politischen Raum, der aber nicht besonders effektiv genutzt wird, die Regierungen unter dem 83 Jahre alten Emir wechseln häufig, in den vergangenen zehn Jahren gab es 14 Energieminister. Und keiner der vielen Minister wagte sich an die vielen Subventionen, die Benzin und Elektrizität billig machen, zusammen mit den Gehältern für die Staatsbediensteten aber 80 Prozent des Haushaltes ausmachen sollen. Da bleibt nicht viel Geld für Investitionen in die Zukunft.

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