Es fehlt nicht an Parkplätzen
Supermarkt-Plätze bleiben nachts meistens leer. Viele sind aber nicht öffentlich und nur zeitweise zugänglich. Das sollte sich laut Agora ändern.
Die FDP will das Autofahren in der Innenstadt wieder attraktiv machen und fordert mehr Parkplätze. Christian Lindners Partei setzt auf kostenloses oder günstiges Parken, wie es etwa die Stadt Hannover vorsieht. Aber herrscht in Deutschland wirklich ein Mangel an Parkplätzen?
Angesprochen auf das Klimaproblem, verweisen Autolobbyist:innen gern auf zwei angebliche Klimakiller, die doch zuerst abgestellt werden müssten: zum einen auf die Staus, zum anderen auf den sogenannten Parksuchverkehr. Verbreitet ist auch die Angabe, die Suche nach Parkplätzen mache fast 30 Prozent des gesamten Verkehrs aus.
Intelligentes Parken könne laut der Arbeitsgruppe „Klimaschutz im Verkehr“ der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität allein in Deutschland bis zu 900 000 Tonnen Kohlendioxid jährlich einsparen. Diese schätzt 2020 das CO2-Minderungspotenzial von sogenanntem Smart Parking für das Jahr 2030 auf 400 000 bis 900 000 Tonnen im Vergleich zu 2015 – vorausgesetzt, die öffentlichen Parkplätze in den Kommunen seien mit entsprechender Sensorik ausgestattet und der Parksuchverkehr sinke tatsächlich auf null.
Aus der Sicht ist die Einsparung von 900 000 Tonnen eher eine Wunschvorstellung – und auch nicht viel angesichts der jährlichen CO2-Emissionen der deutschen Pkw von rund gut 90 Millionen Tonnen. Eins aber haben all die Rechnungen zur Parkplatzsuche gemeinsam: Als verfügbarer Parkraum gelten meist nur öffentliche Parkflächen in den Stadtquartieren, vielleicht dazu noch dieser oder jener Firmenparkplatz. Tatsächlich aber sind die Städte voll mit sogenannten „unsichtbaren“ Parkplätzen. Das sind Abstellplätze an, über oder unter Supermärkten und Einkaufszentren, in Parkhäusern oder Garagen, an Hotels, Freizeit- und anderen Zentren des öffentlichen Lebens. Dazu kommen noch private oder betriebliche Abstellplätze.
In Deutschland fehlt es generell an aussagefähigen und umfassenden Daten über Stellplatzangebot und -auslastung, räumt Wolfgang Aichinger ein. Bei Stellplatzproblemen werde oft „aus dem Bauch argumentiert“, erklärt der Projektleiter für städtische Mobilität beim Thinktank Agora Verkehrswende gegenüber der FR. Um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, legte der Thinktank jetzt eine Analyse zum „Parken nach Feierabend und Ladenschluss“ vor. Allein schon Beispiele daraus zeigen, wie groß die „unsichtbaren“ städtischen Parkflächen sind.
So kam in der Untersuchung heraus, dass sich in der Innenstadt von Kiel etwa jeder sechste Stellplatz auf privaten Großparkplätzen bei Supermärkten oder auf Firmengeländen befindet. „Hier liegt großes Potenzial“, folgert Wolfgang Aichinger. Das gelte auch für öffentlich zugängliche Parkgaragen und Parkhäuser. „Für Stuttgart liegen uns Zahlen vor, die zeigen, dass die Gesamtauslastung der innerstädtischen Parkgebäude nie über 50 Prozent liegt“, so der Raumplaner.
VERKEHR VERFEHLT KLIMAZIELE
Das Verfehlen der Klimaziele im Verkehrsbereich könnte Deutschland laut „Spiegel“ bis 2030 zwischen neun und 55 Milliarden Euro kosten. Das Magazin verweist auf zu erwartende EU-Strafzahlungen für den Zeitraum 2021 bis 2030.
Es ist noch unklar, wie hoch der Preis für die CO2-Zertifikate 2030 sein wird. Der „Spiegel“ geht hierfür von einer Spanne zwischen 45 Euro und 260 Euro pro Tonne CO2 aus. Wahrscheinlich sei ein Preis von knapp 130 Euro. Deutschland könnte demnach die EU-Vorgaben allein im Verkehr um 180 Millionen Tonnen verfehlen. Durch Gegenmaßnahmen wie beispielsweise ein generelles Tempolimit ließe sich die Summe deutlich verringern.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen und 80 Kilometer pro Stunde außerorts könne zwischen 2024 und 2030 etwa 39 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt jedoch ein solches Tempolimit bisher strikt ab. afp
Beim Ziel, Stellplatz-Angebot und -Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, können Parkgebühren wichtige Impulse setzen. Die Tarife müssten so gestaltet werden, dass die Parknachfrage dort geleitet wird, wo am wenigsten Störungen und Konflikte zu erwarten sind. Generell sei es besser, in einem Parkhaus zu parken als im öffentlichen Raum. „Deswegen sollten auch die Gebühren für Bewohnerparkausweise über den monatlichen beziehungsweise jährlichen Vergleichsmieten für Stellplätze im privaten Raum liegen“, betont Aichinger.
Die richtige Tarifgestaltung könne auch die Mehrfachnutzung privater Stellplätze befördern. So würden an Supermärkten häufig nicht alle Kundenparkplätze sofort nach Ladenöffnung benötigt. „Darauf kann die Tarifgestaltung eingehen – und etwa das Parken für Stellplatz-Mieter auch nach Ladenöffnung gestatten, aber zu höheren Gebühren als während der Nacht oder an Sonntagen“, so der Thinktank-Experte.
Um die Parksituation für die Menschen in Düsseldorf, besonders in den Abendstunden und nachts, zu verbessern, dürfen beispielsweise Anwohner:innen ihre Autos auf Supermarktparkplätzen abstellen. Die Stadt hat ein Pilotprojekt gestartet.
Das Parksuchproblem zu lösen, bedeute nicht öffentliche Parkplätze verfügbar zu machen. Dafür bieten sich digitale Tools an, die alle verfügbaren Parkplätze in einem Quartier kennen und zugleich anzeigen, welche Parkplätze in welcher Zeit zu welchem Preis verfügbar sind.
Beispiele zeigen, dass eine solche Digitalisierung zu einer höheren Parkplatzverfügbarkeit führt. Das liege unter anderem daran, dass „Dauerparker“ oder Personen, die keinen Bewohnerparkausweis haben, dann eher auf private Stellplätze umgeleitet werden. Es brauche deshalb politischen Willen und Personalkapazitäten in der Verwaltung, um die Mehrfachnutzung auch im privaten Raum zu etablieren. Städte und Gemeinden müssten aktiv auf Eigentümer:innen und Betreiber von Parkplätzen zugehen und die Hürden für eine Mehrfachnutzung senken.
Diese werde sich schon aufgrund der wirtschaftlichen Chancen immer mehr verbreiten – und den Kommunen zugleich mehr Handlungsspielraum in der Gestaltung des öffentlichen Raums verschaffen. So könne Mehrfachnutzung dazu beitragen, Straßenräume aufzuwerten und öffentliche Flächen gerechter zu verteilen.
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