Montag, 2. September 2024

In Österreich wird bald gewählt: Was die Umwelt-NGOs von der nächsten Regierung wollen

Die Grünen hatten in Österreich durchaus Erfolge zu verzeichnen in den letzten Jahren, aber wie das halt so ist, als kleiner Partner  in einer Koalition - vieles ist auch nicht geglückt.
Ich sehe da große Parallelen zu Deutschland. Es ist sehr schwierig, ein durchgängiges Konzept zu erarbeiten, wenn man sich immer nur mit kleinen Stückwerken zufrieden geben muss und das Ganze in den Hintergrund rückt.
Dennoch: die genannten Vorgaben passen auch für Deutschland

Standard  hier  Benedikt Narodoslawsky, 28. August 2024

Global 2000, Greenpeace und WWF fordern mehr Klimaschutz, eine wirksame Bodenpolitik und die strenge Umsetzung der EU-Umweltvorgaben

Saubere Luft, klares Wasser, idyllische Landschaft: Österreichs Politik bemüht gern das Bild eines Umweltmusterlands. Doch der Schein trügt. Die Alpenrepublik gehört nach wie vor zu den Ländern mit dem höchsten Bodenverbrauch, die Artenvielfalt im Land schwindet, und Österreich emittiert zwar weniger klimaschädliche Gase in die Luft als in den vergangenen Jahren, die Emissionen liegen aber noch immer auf einem hohen Niveau. 

Kurzum:
Im Umwelt- und Klimaschutz bleibt auch für die nächste Regierung viel zu tun.

Was es in Österreich für eine klima- und umweltfreundliche Zukunft braucht, darüber haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei großen Umweltorganisationen Global 2000, Greenpeace und WWF den Kopf zerbrochen. DER STANDARD hat sich durch ihre Forderungskataloge geblättert und mit den Umweltschützern darüber gesprochen.

Global 2000: Klimaschutzgesetz mit Biss

Im Juli legte Global 2000 den Parteien einen Sieben-Punkte-Plan für das Themenfeld "Energiewende und Klimaschutz" vor. Die Punkte "sollten im Wahlprogramm von allen Parteien stehen, die den Klimaschutz ernst nehmen", sagt Johannes Wahlmüller, politischer Leiter von Global 2000.

Der Plan baut auf den Errungenschaften der schwarz-grünen Koalition auf. So fordert die Umwelt-NGO von der künftigen Regierung, sich weiterhin klar zum Ziel zu bekennen, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen

Sie soll zudem die hohen Förderprogramme für die Energiewende und den Klimaschutz langfristig sichern und ausbauen. Global 2000 mahnt aber auch ein Vorhaben ein, an dem die schwarz-grüne Koalition scheiterte: ein Klimaschutzgesetz mit Biss. Dieses soll verbindlich festschreiben, auf welchem Weg Österreich seine Emissionen drosseln wird. Und es soll regeln, welche politischen Ebenen welchen Beitrag leisten müssen und in welchen Etappen sie das erreichen sollen.
"Wenn sie ihre Ziele nicht einhalten können, muss es Sanktionen geben", sagt Wahlmüller. Schließlich drohen Österreich ohnehin Strafzahlungen aus Brüssel, sollte das Land bis 2030 sein klimapolitisches EU-Ziel verpassen. Dieses lautet: Im Vergleich zu 2005 muss Österreich die Menge der klimaschädlichen Gase nahezu halbieren (minus 48 Prozent).

Aus für fossile Heizungen
Damit die Republik das schaffen kann, muss die nächste Koalition laut Global 2000 gesetzlich auch beim Ausstieg von Öl- und Gasheizungen nachschärfen. "Das neue Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist zu schwach", sagt Wahlmüller. Es bräuchte nicht nur weiterhin hohe Förderungen für Heizkesseltausch und thermische Sanierung, sondern klare Gesetze, damit die Öl- und Gasheizungen in Österreich ersetzt werden.

"Bei der Umsetzung aller klima- und energiepolitischen Maßnahmen ist darauf zu achten, dass diese sozial ausgestaltet werden", heißt es im Sieben-Punkte-Plan von Global 2000. Damit die Energiewende nicht auf Kosten der Natur geht, rät die Umwelt-NGO dazu, vor allem das Potenzial von Sonnen- und Windenergie auszuschöpfen.

Greenpeace: Warnung vor Scheinlösungen

15 Forderungen übermittelte Greenpeace an die Parteien, die Umwelt-NGO will sie im September veröffentlichen. Eine wichtige davon wird sein, die beschlossenen EU-Regelungen mit Leben zu füllen. "Waldschutzgesetz, Renaturierungsgesetz, Lieferkettengesetz – im Bereich Naturschutz ist auf EU-Ebene viel passiert", sagt Adam Pawloff, Programmdirektor von Greenpeace Österreich. "Jetzt geht's um deren konsequente Umsetzung."

Gleichzeitig warnt Greenpeace die künftige Regierung vor falschen Lösungen, die zwar gut klingen, aber kaum etwas bewirken. Dazu zählt Pawloff etwa die Speicherung von klimaschädlichen Gasen im Boden (Carbon Capture and Storage). "Solche technischen Lösungen sind gefährlich, schlecht erprobt und nur für Nischenbereiche relevant", sagt Pawloff. Wer mit ihnen aber die große Rettung verspreche, wolle nur von "den notwendigen Änderungen ablenken", kritisiert er.

Etwa im Verkehr. Dort preisen Politiker seit Jahren klimafreundliche E-Fuels als Ersatz für Diesel und Benzin an, obwohl E-Fuels knapp sind und nur sehr aufwendig erzeugt werden können. Der schwarz-grüne Streit um das Aus des Verbrennermotors zeigt, wie solche Scheinlösungen die Umweltpolitik lähmen können.

Jobgarantie im grünen Wandel
Weil der grüne Umbau der Wirtschaft nicht nur Jobs schaffen, sondern auch Arbeitsplätze kosten wird, fordert Greenpeace "eine sozialökologische Jobgarantie". Sie soll jene Menschen auffangen, deren Jobs durch den Wandel wegfallen werden. Die Umweltorganisation tritt zugleich dafür ein, das Bruttoinlandsprodukt als Gradmesser für den Zustand eines Lands abzulösen. "Wir brauchen neue Wohlstandsindikatoren, die Soziales und Umweltschutz stärker gewichten", sagt Pawloff. Daran knüpft Greenpeace eine weitere Forderung: Die nächste Koalition solle einen sozialökologischen Gesetzescheck verankern. "So wie das Finanzministerium jedes Gesetz auf Budgetwirksamkeit prüft, sollte man es auch auf seine Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft überprüfen." Damit könne man umweltschädliche Regeln von vornherein verhindern.

WWF: Bodenverbrauch eindämmen

Die Naturschutzorganisation WWF arbeitet in diesen Tagen gerade am letzten Feinschliff ihrer Empfehlungen für die nächste Regierung. Das Dokument heißt "Zukunft Österreich 2030", enthält rund 50 konkrete Vorschläge und liegt dem STANDARD in der aktuellen Fassung vor.

Einen der Schwerpunkte legt die Umwelt-NGO darin auf den Bodenschutz, zumal weder die schwarz-grüne Regierung noch die Bundesländer das Problem des Bodenverbrauchs in den Griff bekommen haben. "Ein gesunder Boden bietet Lebensraum, liefert Nahrungsmittel, speichert Wasser, ist zugleich eine Klimaanlage und Kohlenstoffsenke", sagt Volker Hollenstein, politischer Leiter des WWF Österreich. "Weil diese Ressource endlich ist, ist die Bodenpolitik extrem wichtig für die Zukunft unseres Lands."

Der WWF fordert deshalb von der künftigen Koalition unter anderem ein bundesweites Bodenschutzgesetz, den Stopp von neuen hochrangigen Straßenbauprojekten und eine Reform der Wohnbauförderung, die der Zersiedelung entgegenwirken soll.

Mehr Geld für Naturschutz
Damit Österreich das Artensterben aufhalten kann, empfiehlt der WWF der künftigen Regierung ein umfassendes Maßnahmenbündel. Dazu zählen etwa die Stärkung und Ausweitung heimischer Schutzgebiete, die Wiederherstellung von Mooren und ein strenges gesetzliches Vorgehen gegen Wildtierkriminalität. Damit die bereits geschädigten Ökosysteme in Österreich wieder gesunden können, verlangt der WWF außerdem mehr Mittel vom Bund für den Naturschutz. "Der Biodiversitätsfonds der aktuellen Regierung war ein echter Durchbruch", sagt Hollenstein. "Aber er muss aufgestockt werden, die 80 Millionen Euro werden nicht ausreichen. Wir fordern eine Biodiversitätsmilliarde."

Um den Naturschutz muss sich die Republik allein schon aufgrund des verbindlichen EU-Renaturierungsgesetzes kümmern. "Österreich muss bis 1. September 2026 einen nationalen Wiederherstellungsplan einreichen. Dieser muss gut vorbereitet und solide umgesetzt sein", sagt Hollenstein. "Denn je besser dieser Plan ist, desto mehr Mittel kann Österreich von der EU bekommen." (Benedikt Narodoslawsky, 27.8.2024)

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