Mittwoch, 4. September 2024

Landwirte widersprechen Verschwörungstheorie zu Windkraft vehement

Standard hier Lukas Kapeller  30. August 2024,

Hartnäckig hält sich die falsche Behauptung im Netz, dass Windräder Dürren auslösen. Bei Bauern stößt diese Vorstellung auf Verwunderung

Die Sache mit der Windkraft klingt eigentlich nach einem guten Deal für die Menschheit – vernünftig zugleich für Wirtschaft und Klima. Mit Windkraftanlagen wandelt der Mensch Wind in Strom um, nützt also eine erneuerbare Energiequelle. Tatsächlich hat ein Windrad bereits nach wenigen Monaten Laufzeit mehr Energie erzeugt, als es für seine Errichtung benötigt hat.

Dennoch hat die Windbranche in Österreich oft mit Ängsten und Vorurteilen zu kämpfen. Damit sind hier nicht jene nachvollziehbaren Anrainerinteressen mit Blick auf Lärm und Landschaftsbild gemeint, die man im Einzelfall teilen kann oder auch nicht. Vielmehr geht es um verbreitete Windkraftmythen im Netz. Ein besonders populärer lautet: Windräder verursachten Dürren und schadeten dem Klima damit erst recht. Das behaupten etwa die Rechtsaußen-Medien Auf1, Preußische Allgemeine Zeitung und Epoch Times. Der Unterton dieser Verschwörungserzählung: Finstere Ökomächte würden sich am Klimawandel bereichern, den es gar nicht gebe.

Missdeutung von Studie

Eine Grundlage solcher Horrorvisionen ist eine Studie von 2012 aus dem US-Bundesstaat Texas: Dort, bei einem der damals größten Windparks der Welt, seien die Bodentemperaturen in einem Jahrzehnt um 0,72 Grad angestiegen. Tatsächlich stimmt es, dass die Rotorblätter großer Windräder die Luftschichten im Umkreis von mehreren Hundert Metern durcheinanderwirbeln können. Dadurch kann die Luft in Bodennähe wärmer, jene in höheren Schichten kühler werden.

Der Meteorologe Stefan Emeis, der früher am Karlsruher Institut für Technologie forschte, sagt zum STANDARD, der Einfluss von Windrädern aufs Mikroklima sei aber begrenzt: "Es kann in Einzelfällen vorkommen, dass der Boden ein bisschen mehr austrocknet als zuvor. Aber der Effekt ist nicht wirklich groß." Das zeigten auch die Erfahrungen in der Landwirtschaft. "Viele Windkraftanlagen gibt es seit 20 oder 30 Jahren. Es gibt aber keine weitverbreiteten Klagen darüber", sagt der Wetterforscher.


"Windräder haben auf die landwirtschaftlichen Kulturen und die Tiere darunter überhaupt keinen negativen Einfluss."

Friedrich Metzker, Windparkbetreiber und Landwirt


Positive Erfahrungen

Das sieht auf Nachfrage auch der niederösterreichische Biobauer Friedrich Metzker so. "Windräder haben auf die landwirtschaftlichen Kulturen und die Tiere darunter überhaupt keinen Einfluss", sagt er. Metzker ist in seinem Bezirk Bruck/Leitha mittlerweile selbst Windkraftbetreiber, mit der Landwirtschaft aber nicht nur ideell verbunden: Heute führen seine Tochter und sein Schwiegersohn den Biohof Metzker. Der Betrieb baut etwa Mais und Sojabohnen an – in Nachbarschaft von rund 40 Windkraftanlagen. Dürre wegen Windrädern? "Da ringe ich fast nach Luft, ich muss wirklich lachen", sagt Metzker. "Das hat nichts mit der Realität zu tun."

Ähnlich äußert sich am Telefon der Innviertler Rinderbauer Johannes Helminger: "Ich glaube nicht, dass die Windräder eine Auswirkung aufs Wetter haben. Dürren und Hitzeperioden nehmen aus anderen Gründen zu." Im Februar hat Helminger eine 15 Meter hohe Kleinwindanlage auf seine Weide gestellt. "Das Gras wächst höchstens schlechter, weil die Tiere immer rund ums Windrad sind", scherzt Helminger. Wobei er einräumt, seine Kleinanlage sei nicht mit gewerblichen Windparks vergleichbar.

Aber auch Landwirte, die große Windräder auf ihren Flächen haben, berichten positiv. "Auf jeden Fall würde ich das wieder machen", sagte der norddeutsche Landwirt Jens Prochnow kürzlich auf dem Youtube-Kanal "JP Agrar" über ein 200 Meter hohes Windrad auf seinem Acker.

Die echten Probleme

Dennoch flattert der Dürremythos um Windräder weiter durch die sozialen Medien. Warum eigentlich? "Solche Gerüchte und Negativmeldungen über erneuerbare Energieträger werden nach dem Stille-Post-Prinzip verbreitet und sollen vermutlich helfen, den Markt für fossile Energieträger zu erhalten", sagt Kasimir Nemestothy, Referatsleiter für Energiewirtschaft und Energiepolitik in der Landwirtschaftskammer. Er kenne "keine belastbaren Daten zu negativen Auswirkungen der Windkraft auf die Landwirtschaft".

Die größte Herausforderung für die Landwirtschaft sei heute der Klimawandel, "der in erster Linie durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern verursacht wird", sagt Nemestothy. "Der Klimawandel bewirkt Dürreperioden, extreme Hitze, Hochwasser oder Hagel. Diese Probleme für die Landwirtschaft überwiegen allfällige Folgen durch Luftverwirbelungen von Windrädern bei weitem", sagt er. Auch Meteorologe Emeis sieht die Windkraft gegenüber Öl, Gas und Kohle klar im Vorteil: "In der Abwägung würde ich die Vermeidung fossiler Brennstoffe wesentlich höher werten als die geringen Temperatur- und Feuchteunterschiede hinter einer Windkraftanlage."

Branche im Aufwind

Der Anteil der Windkraft am Energieverbrauch in Österreich wächst stetig, im Jahr 2023 lag er laut Statistik Austria bei 2,2 Prozent (von 1332 Petajoule). Blickt man nur auf die Stromerzeugung, liegt der Anteil der Windkraft bei 15,3 Prozent. Das Bundesland, das die meiste Windenergie produziert, ist Niederösterreich, auf Platz zwei liegt das Burgenland.

Das häufigste Modell für Windkraft als zusätzliches Einkommen für Landwirte sei hierzulande, "dass ein Landwirt seine Flächen von einem Windkraftunternehmen entsprechend abgegolten bekommt, wobei natürlich auch begleitende Verträge geschlossen werden", sagt Landwirtschaftskammervertreter Nemestothy. Dass einzelne Landwirte große Windkraftanlagen errichten, sei in Österreich eher die Ausnahme. Was es häufiger gebe, "sind Beteiligungen von Landwirten an Windparks, die von einem Energieversorger errichtet werden". (Lukas Kapeller, 30.8.2024)

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