Anhänger rechtspopulistischer Parteien fühlen sich unglücklicher als andere und das liegt nicht an ihrer sozialen Lage. Eine Studie des WZB Berlin hat die Ursachen untersucht. Maja Göpel erklärt in ihrer Kolumne die Ergebnisse der Forscher:innen.
Bild: Demo in Überlingen
Die AfD zu wählen, macht unglücklich. Und zwar nicht nur das mit Populismus und Rechtsextremismus ringende Land, sondern auch die Menschen, die sich der AfD zuwenden.
Anhänger:innen dieser Partei sind mit der eigenen finanziellen Situation und dem persönlichen Leben weniger zufrieden als die Unterstützer:innen anderer Parteien. Und das nicht, weil sie objektiv weniger gut dastehen, sondern gespeist durch die negative Rhetorik und konsequent miese Perspektive auf die aktuelle Situation.
Das haben Forscher:innen des Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) in einer jüngst erschienenen Studie herausgefunden (erschienen am 26. Juni 2024 in der Fachzeitschrift PLOS ONE). Wer sich mal eine halbe Stunde X-Feed bei Beatrix von Storch oder Alice Weidel gönnt, möchte auch lieber laut schreien als einmal nachzudenken. Der Zerfall der deutschen Republik schreitet dort so unaufhaltsam wie umfänglich voran und die #AmpeldesGrauens mit ihren korrupten wie inkompetenten Protagonist:innen ist daran unmittelbar schuld. Wie soll denn da Zufriedenheit im Alltag einkehren?
Dann ist es wohl auch verständlich, dass 82 Prozent der Wählenden aussagen, es sei ihnen laut ARD-Umfrage »egal«, dass die Partei rechtsextrem sei, solange sie »die richtigen Themen« setze? Das finden auch Menschen mit Migrationshintergrund, obwohl Remigration offen ausgesprochen wird. Das ist eine schockierende Aussage. Heißt das: Wo schlechte Laune herrscht, ist rechts normal und rechtsextrem eben kollateral?
Krisenbewältigung und das menschliche Potenzial
Stöbern wir in den psychologischen Erkenntnissen zu erfolgreichen Strategien, die Krisenerfahrungen und die damit verbundene Unsicherheit lindern können, stoßen wir auf Konzepte der Resilienz und Kohärenz. Das erste kommt aus der Psychologie und beschreibt die unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeiten von Individuen, mit Problemsituationen umzugehen. Bei Resilienz geht es um die Anpassungsfähigkeit, wenn sich die Lebenssituation stark verändert oder durch viele Risikofaktoren geprägt ist.
Der Hebel der Linderung liegt dann darin, auf Ressourcen zugreifen zu können, die ein verändertes Verhalten ermöglichen. Das können Informationen, Beratung oder finanzielle Möglichkeiten sein, aber auch soziale Unterstützung und das eigene Selbstwertgefühl, also ein Blick auf die eigenen Möglichkeiten und das Vertrauen darin, einer Situation nicht einfach ausgeliefert zu sein. Erfolg stellt sich dann aber erst durch Veränderung ein – des eigenen Verhaltens oder der Einstellungen.
Der Wecker schrillt im Populismus unaufhörlich
Natürlich bleibt auch ein anderer Reaktionsweg: die Umstände sind schuld – oder natürlich »die anderen«. Die beiden prototypischen Reaktionen haben wir wunderbar am Beispiel Klopapier während der Pandemie erlebt. Die Regale waren leer und die einen haben weniger genommen, damit für andere was da ist, oder der Omi nebenan eine Rolle mitgebracht, die nicht in den Laden gehen sollte.
Unsere Kolumnistin: Maja GöpelMAJA GÖPEL ist Ökonomin, Bestsellerautorin und Gründerin des Science-Society-Netzwerks Mission Wertvoll. Sie beschreibt regelmäßig »Neue Ideen, neue Allianzen« in unserem Magazin taz FUTURZWEI.
Andere wiederum haben sich den Wecker gestellt, um vor den anderen genug für drei Monate in das eigene Carport zu schaffen. Da blieb ein Gefühl von Triumph, von schlauer gewesen zu sein, das Gefühl eines gewonnenen Kampfs. Aber nicht unbedingt von Resilienz, von einem problemlösenden Umgang mit einer schwierigen Situation, der die eigene Angst vor einem noch früher gestellten Wecker der anderen gemildert hätte.
Und dieser Wecker schrillt im Populismus unaufhörlich. Denn populistische Antworten bieten für Problemsituationen keine Lösung der Ursachen durch Veränderung. Sie bieten Feinde auf dem Weg der eigenen Absicherung durch Verhärtung. Lautstark wird verkündet, was »die anderen« angeblich wollen und warum eine politische Elite das unterdrückt.
Wenn wir gemeinsam Krisen bewältigen
Womit wir bei dem zweiten Konzept aus der Sozialforschung für gesellschaftliche Krisensituationen wären. Hier heißt das Zauberwort Kohärenz, wenn Menschen als Gruppe einen konstruktiven Umgang mit Krisen finden wollen. Es finden sich ähnliche Zutaten wie bei der Resilienz, und am Anfang steht hier das Verständnis der Situation. Also: Werden mir die relevanten Informationen angeboten, um die Veränderungen zu begreifen? Dann geht es um Handlungskompetenz, also die Frage nach den Möglichkeiten, das Problem in den Griff zu bekommen. Und zu guter Letzt schwingt die Sinnfrage mit, also die Überzeugung, dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Das Leben als verstehbar, bestehbar und sinnvoll zu erfahren, macht Lösungsorientierung wahrscheinlich und hebt auch das Lebensgefühl. Und wenn Probleme eben nur im Plural lösbar sind – wie es bei fast allen gesellschaftlichen Herausforderungen der Fall ist –, dann entsteht eine Kohärenzerfahrung nur dann, wenn die Überzeugung besteht, dass andere mitziehen. Die Summe der einzelnen Verhaltensänderungen kann dann auch das Problem in den Griff bekommen.
Der Populismus aber bedient die Nullsumme.
Wenn irgendwer dazugewinnt, bedeutet das automatisch,
dass jemand anderem etwas weggenommen wird.
Wenn irgendwer dazugewinnt, bedeutet das automatisch,
dass jemand anderem etwas weggenommen wird.
Der Schlechte-Laune-Hebel
Die Suche nach neuen Lösungen, die auch fairere Verteilungen und neue Positivsummen sichtbar machen, kollabiert vor dem Versprechen, alles wieder auf einen vermeintlich normalen Urzustand ohne Krise zurückzuführen. Der Blick darauf, welche Personen, Interessen und Lebensformen in diesem Urzustand diskriminiert wurden, fällt dem Wunsch nach Linderung der Sorge genauso zum Opfer, wie das Verständnis dafür, dass dieser Urzustand womöglich auch Ursprung der Krise selbst war. Denn der Schlechte-Laune-Hebel will auch keine Resilienz und Kohärenz, kein Verständnis, keine konstruktive Eigeninitiative und keine Sinnfragen, die zu kompromissorientierten Verhaltensänderungen führen könnten. Er löst die Verunsicherung lieber durch eine wachsende Anzahl vermeintlicher Feinde auf.
Zurück bleibt eine Gesellschaft verängstigter und misstrauischer Individuen, die dem Recht des Stärkeren die Bahn freimacht.
Der größte Trumpf der Nazis
Kommen entsprechende Kräfte dann an die Regierungsmacht, werden die Checks and Balances demokratischer Institutionen als »Eliteninstrumente« abgebaut, unabhängige Medien und Gerichte ausgehebelt und damit der Weg zurück versperrt. Wenn Leute finden, dass es »egal« sei, solche autoritären bis rechtsextremen Herrschaftsfantasien im Schlepptau der »richtigen Themen« an die Regierungsmacht zu tragen, zeugt das von wenig Verständnis für die aktuelle Krisensituation unserer Demokratien.
Das ist der größte Trumpf der Nazis. Denn darüber wird auf populistischen Social-Media-Kanälen nicht aufgeklärt. Und das macht richtig schlechte Laune bei den Nicht-Wähler:innen der AfD. Dennoch sind sie aufgefordert, nicht auch noch im Strudel der Personalisierung und falschen Umkehrschlüsse zu versinken, sondern das stark zu machen, was Resilienz und Kohärenz bedingen kann: Verständigung über die größeren Zusammenhänge hinter Statistiken anbieten, mit Geschichten des Gelingens die Handlungsmöglichkeiten betonen, und mit Mut zum Kompromiss für die größere Sache den eigentlichen Sinn von demokratischem Regieren vorleben. Das braucht auch harte Kante in der Sache und etwas Zeit.
Aber – das ist vielleicht die wichtigste Botschaft der WZB-Studie: Wer sich von der AfD wieder abwendet, empfindet auch wieder eine Verbesserung des Wohlbefindens. Je klarer sich die Umgangsformen bei den anderen Parteien unterscheiden, umso stärker sollte der Pull-Faktor werden. ■
■ MAJA GÖPEL ist Ökonomin, Bestsellerautorin und Gründerin des Science-Society-Netzwerks Mission Wertvoll. Sie beschreibt regelmäßig »Neue Ideen, neue Allianzen« in unserem Magazin taz FUTURZWEI.
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