In Deutschland wie in Österreich - und dann kommen auch noch die nicht nachvollziehbaren Angriffe auf die Helfer dazu. Wer hat da noch Lust drauf, sich für die Allgemeinheit einzusetzen?
Standard hier Katharina Dolesch 18. September 2024,
Einsatzkräfte am Limit: Klimawandel fordert Helfenden immer stärker
DROHENDE ÜBERFORDERUNG:
Die globale Erwärmung macht Extremwetterereignisse häufiger und intensiver. Für Einsatzkräfte steigt damit die Belastung, das Risikomanagement wird schwieriger.
Die Einsätze für Feuerwehren häufen sich durch den Klimawandel. Extremwetterereignisse fordern die Einsatzkräfte zunehmend.
Die Regenmassen, die in den vergangenen Tagen über Österreich und einigen Nachbarländern niedergingen, sorgten für dramatische Szenen. Menschen mussten mit Booten aus ihren Häusern gerettet werden, anderen wurden ihre Autos und anderes Hab und Gut einfach weggeschwemmt. Mehrere Menschen, darunter auch ein Feuerwehrmann, verloren in den Fluten ihr Leben. Und es war nicht die erste wetterbedingte Extremsituation der vergangenen Monate, die Betroffene, aber auch Einsatzkräfte physisch und psychisch an ihre Grenzen brachte. Extreme Niederschläge mit 100 Litern pro Quadratmeter und mehr in kürzester Zeit, Hagelschäden, aber auch Murenabgänge waren in diesem Sommer fast an der Tagesordnung.
Psychische Last
Die unvorstellbare Wucht, mit der solche Naturereignisse klimawandelbedingt zuletzt gehäuft über uns hereinbrachen, ist auch für Fachleute auf dem Gebiet eine Herausforderung. "Extreme werden in Zukunft extremer", konstatiert Thomas Glade, der die Arbeitsgruppen "Naturgefahren und deren Konsequenzen" sowie "Gefahren- und Risikoanalyse, Monitoring" an der Universität Wien am Institut für Geografie und Regionalforschung leitet. Dass der Klimawandel und die damit häufiger auftretenden Wetterextremereignisse Menschen psychisch belasten – und sogar mit Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen einhergehen können –, wurde bereits in einer Studie vor rund zehn Jahren festgestellt.
"Wir sehen gerade bei den jüngeren Generationen, dass diese generell eine höhere Inzidenz von mentalen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen zeigen, weil sie in einem Umfeld groß werden, wo Pandemie, Krieg und Klimawandel ständige Angstauslöser sind", fasst Claus Lamm von der Universität Wien zusammen. Herausforderungen gab es auch früher schon, heute aber fehle ein positives Zukunftsnarrativ. "Viele denken mittlerweile, dass es nicht besser, sondern maximal weniger schlimm wird", so der Neuropsychologe, der auch Mitglied des Forschungsverbunds Umwelt und Klima ist.
Verdoppelte Einsätze
Eine Gruppe, die besonders von den Belastungen betroffen sein könnte, sind Einsatzkräfte. Allein die Zahl der unwetterbedingten Einsätze der österreichischen Feuerwehren hat sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. "Unsere Feuerwehrmitglieder waren bei diesen Einsätzen physisch und psychisch besonders gefordert. Nimmt man die Prognosen ernst, so werden die Herausforderungen durch solche Elementarereignisse weiter zunehmen", schrieb diesbezüglich der Feuerwehrpräsident Robert Mayer auf der Website des Bundesfeuerwehrverbandes.
Auch Lamm ist sich sicher, dass die Belastungen für Einsatzkräfte zunehmen werden: "Die Zukunft wird für Einsatzkräfte sicher zu einer höheren Belastung führen. Allein schon deshalb, weil es zu einer größeren Anzahl von Einsätzen kommen und die Tätigkeit dadurch für die zumeist freiwilligen Helferinnen und Helfer mit einem höheren Zeitaufwand verbunden sein wird. Zusätzlich kann es abhängig vom Individuum dazu führen, dass man das Gefühl hat, eine Art Sisyphusarbeit zu leisten."
Risiko der Überforderung
Problematisch werde es dann, "wenn der Eindruck entsteht, ich bin der Letzte vom Letzten und räume das weg, was andere nicht verhindert haben. Für Einsatzkräfte ist es daher wichtig zu sehen, dass sie ihren Beitrag in einem größeren Ganzen leisten, wo alle an einem Strang ziehen. Wenn das nicht passiert, kann es zu einer permanenten Überforderung und Überlastung kommen", betont der Neuropsychologe.
Zusätzlich kann Climate-Anxiety, also die Ängstlichkeit, die mit dem Klimawandel verbunden ist, im Falle von Einsatzkräften dazu führen, dass diese nicht mehr handlungsfähig sind. Die häufiger werdenden Katastrophen können wiederum die Climate-Anxiety, auch Klimaangst genannt, verstärken.
Umgang mit dem Unbekannten
Durch den Klimawandel werden auch die Herausforderungen im Risikomanagement größer: "Unser Management basiert auf den Erfahrungen der Vergangenheit. Wir wissen zum Beispiel, in den letzten 50 oder 100 Jahren ist eine Überschwemmung so und so häufig aufgetreten, und mit diesem Wissen leiten wir Prognosen für die Zukunft ab." Wenn sich allerdings die Bedingungen ändern, stellen sich viele Fragen: Wie soll man mit etwas umgehen, das man noch nicht erfahren hat? Wie muss man sich darauf vorbereiten?
Man könne nicht entlang der Donau zehn Meter hohe Deiche bauen oder alle Hänge im alpinen Bereich mit Lawinengalerien verbauen, so Glade. "Es ist ein Abwägungsprozess, wie wir mit dem für uns bisher Unbekannten in der Zukunft umgehen. Auch bei Einsatzkräften stellt sich die Frage, wie man für etwas trainiert, das man noch gar nicht richtig kennt", erklärt er.
Abwarten als schlechteste Option
Der Risikoforscher plädiert dafür, sich diesen Veränderungen zu stellen und dabei keine Zeit verstreichen zu lassen, bis der Katastrophenfall eintritt: "Die Frage, ob es wieder auftritt, stellt sich nicht, denn es wird wieder auftreten – es bleibt nur die Frage, wann, in welcher Stärke und in welcher Form." Diese Erkenntnis müsse man sich zunutze machen und deshalb noch viel stärker in die Prävention gehen. "Das Schlimmste wäre, abzuwarten, bis etwas passiert, und zu hoffen, dass es uns nicht trifft", sagt er.
Naturgefahren sind natürliche Prozesse – etwa Erdbeben, Stürme, Dürre und Hochwasser –, die bestimmte, potenzielle Konsequenzen für die Gesellschaft haben können. Naturrisiken entstehen dadurch, dass Menschen diesen Prozessen gegenüber exponiert sind. Abhängig davon, wie Menschen und Gesellschaften reagieren oder vorbereitet sind, kann eine Katastrophe eintreten. In der Wissenschaft wird daher der Begriff "Sozialkatastrophe" anstelle von "Naturkatastrophe" verwendet.
Um den Zukunftsherausforderungen gewachsen zu sein, spricht sich Glade klar für Renaturierungsmaßnahmen aus: "Die Fläche zur Renaturierung ist im Kontext von ganz Österreich gesehen sehr gering, hat aber riesige Effekte im Naturhaushalt und ist zudem kostengünstig. Wenn Großereignisse wie Starkregen auftreten, werden die Konsequenzen dadurch überschaubarer." Zudem brauche es mehr Ressourcen für Ausbildungen, Ausrüstungen und Monitoring, um die Auswirkungen des Klimawandels besser zu verstehen.
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