Freitag, 6. September 2024

Das Geheimnis effektiver Klimapolitik ist simpel - Wie es anders geht, zeigt Dänemark

Das ist eine wunderbare Analyse von Rico Grimm, die zeigt wie es laufen muss, um zu funktionieren.
In Deutschland kämpft jeder gegen jeden, das ermüdet uns alle. Viel zu viel Lebensenergie wird dafür vergeudet.
Ja, das Miteinander wurde versäumt, nicht nur in der Ampel sondern schon viele Jahre zuvor in der Merkel-Regierung....Und Söder und Merz sind nicht gerade die Hoffnungsträger auf ein besseres Miteinander, fürchte ich.

 hier  Krautreporter  09.08.2024 Rico Grimm

KLIMAKRISE UND LÖSUNGEN

Dänemark hat als erstes Land der Welt eine CO₂-Steuer für die Landwirtschaft eingeführt. Es ist möglich, gute Klimapolitik zu machen, ohne die ganz großen Gegenproteste.

Es müsste so einfach sein. In Umfragen sagen 91 Prozent, dass Deutschland mehr gegen die Klimakrise tun soll. Aber sobald Politiker der Ampel-Regierung Maßnahmen für mehr Klimaschutz umsetzen wollen, kommen die Probleme.

Das zeigte sich zuletzt deutlich, als die Regierung im Januar den Bauern ihre Vergünstigungen für Agrardiesel streichen wollte. Die Folge: die größten Bauern-Proteste, die das Land seit Jahren gesehen hat.

Wie es anders geht, zeigt Dänemark.

Seit mehr als zehn Jahren gewinnt das Land regelmäßig die „Klimaschutz-Weltmeisterschaft“. Nur noch 20 Prozent der Dänen heizen mit Öl oder Gas, in Deutschland sind es 75 Prozent. Über die Hälfte des dänischen Stroms kommt aus der Windkraft und diese Zahl soll weiter kräftig steigen.

Nun tut Dänemark, woran sich vorher keine einzige Regierung herantraute: Sie führt eine CO₂-Steuer für die dänischen Landwirte ein. Ab dem Jahr 2030 müssen die landwirtschaftlichen Betriebe des Landes für jede Tonne Treibhausgase zahlen, die bei ihrer Produktion anfallen. Das ist – die wütenden deutschen Bauernproteste des Winters noch in frischer Erinnerung – eine Sensation.

Denn die Landwirtschaft ist nach Energie, Verkehr und Industrie der viertgrößte Treibhausgasproduzent der Welt. In Dänemark macht sie 35 Prozent der gesamten Emissionen des Landes aus. In Deutschland sind es acht Prozent.

Aber während wir weltweit im Energie- und Verkehrssektor auf dem richtigen Weg sind (hier zeige ich dir, was da passiert), kennen die Emissionen der Landwirtschaft nur eine Richtung: nach oben.

Die Landwirtschaft lässt sich, klimapolitisch betrachtet, besonders schwer knacken. Es geht um viel: Essen und Nahrung bestimmen Identität und technische Lösungen sind nicht ganz so simpel wie etwa im PKW-Bereich, wo es reicht, den Antrieb auszutauschen.

Und auch in Dänemark zählt in der ertragsschwachen Landwirtschaft jeder Euro, mehr noch als in anderen Branchen. So gehören dänische Schweinebetriebe zu den größten Europas. 90 Prozent ihrer Produktion gehen in den Export, sie müssen also auf dem Weltmarkt bestehen. Eine CO₂-Steuer macht das schwieriger.

Aber als die dänische Regierung die Steuer beschloss, lauerten die dänischen Bauern ihren Ministern nicht an einem Fährleger auf, sie fuhren nicht ihre Trecker zu Tausenden über die Autobahnen nach Kopenhagen und blockierten keine Straßen wie ihre deutschen Kollegen. Sie akzeptierten die Steuern.

Irgendwas war verdammt richtig gelaufen.

Als ich von dem neuen dänischen Gesetz gehört hatte, wollte ich deshalb wissen, wie genau es der Regierung gelungen war, eine Steuer einzuführen, über die in Deutschland außerhalb von Greenpeace & Co niemand öffentlich reden will. Gerade der Vergleich mit der Ampelregierung macht deutlich, wie ambitionierte Klimapolitik gelingen kann – und wie nicht.

Wie die Landwirtschaft die Klimakrise verschärft

Kühe kauen, Kühe verdauen, Kühe rülpsen und in ihren Mägen produzieren sie dabei Methan, ein aggressives Treibhausgas, 28-mal so stark wie CO₂ (das dafür länger in der Atmosphäre bleibt). Schweine kauen, verdauen und rülpsen auch. Bei ihnen ist aber eher das Problem, was hinten herauskommt. Wenn Bakterien und Mikroben Schweinemist zersetzen, entsteht auch Methan sowie N₂O, besser bekannt als Lachgas. Die Tiere selbst sind also die Hauptquellen landwirtschaftlicher Emissionen.

Wir wissen, mit welchen Technologien die Landwirte ihre Emissionen senken könnten, etwa durch Biogasanlagen oder einen Futterzusatz für Rinder. Aber vielen Bauern fehlt das Wichtigste, um sie einzusetzen: ein Interesse daran. Denn die Maßnahmen sind teuer.

Die dänische Regierung weckt dieses Interesse, in dem sie klimafreundliche Nutztierhaltung belohnt und klimaschädliche mit einer CO₂-Steuer bestraft. Dabei gestaltete sie die Steuer so, dass wütende Bauenproteste unwahrscheinlicher wurden.

Die dänische CO₂-Steuer tut, was zu wenige Steuern heute noch machen

Auf den ersten Blick entspricht die CO₂-Steuer dem üblichen Design. Die dänischen Bauern müssen sie ab dem Jahr 2030 zahlen. Zuerst 300 Kronen, circa 40 Euro pro Tonne CO₂-Äquivalente. Ab dem Jahr 2035 steigt die Steuer auf 750 Kronen, circa 100 Euro pro Tonne CO₂-Äquivalente. Zum Vergleich: Europäische Emissionsrechte für die Industrie werden aktuell mit gut 70 Euro für die Tonne gehandelt.

Eine dänische Kuh produziert jedes Jahr Milch im Wert von circa 5.000 Euro. Davon gingen ab 2030 dann circa 100 Euro pro Tier und Jahr als Steuer ab, schätzt der dänische Ökonom Torsten Hasforth vom Umweltschutz-Thinktank Concito. „Es ist ein guter Anfang”, sagt er. „Aber im Jahr 2030 hat ein Bauer, der nichts tut, nur wenig zu befürchten. Erst ab dem Jahr 2035 beginnt die Steuer, weh zu tun.“ Dann steigt die Steuer auf circa 210 Euro pro Jahr und Tier.

Sobald die Steuer wehtut, entfaltet sie ihre Wirkung: Wollen die dänischen Bauern ihren Steuersatz deutlich senken, müssen sie in klimafreundliche Technologien investieren. Dann müssen sie nicht nur weniger CO₂-Steuer zahlen, ihre gesamte Einkommenssteuerlast kann um bis zu 60 Prozent sinken. Alles zusammengerechnet, müssen dänische Bauern weniger zusätzliche Steuern zahlen als es auf den ersten Blick scheint – wenn sie klimafreundlicher werden.

Gerade das ist clever. Denn die dänische CO₂-Steuer tut damit, wofür Steuern mal gedacht waren: Sie lenkt die Wirtschaft und Gesellschaft. Sie steuert. Diese Steuer ist so angelegt, dass sie Bauern dabei hilft, auf klimafreundliche Technologien umzusteigen. Eigentlich, so die Theorie, sollte ein Staat vor allem das besteuern, was er vermeiden will. Etwa Müll, Alkoholkonsum oder eben klimaschädliche Emissionen. Aus den Einnahmen sollte er das finanzieren, was er fördern will. Genau das machte die dänische Regierung.

Sie flankiert die Einführung der CO₂-Abgabe mit einem großen Renaturierungspaket. Die Regierung will nach einer lebhaften Debatte im Land den Nitratgehalt der Böden senken und dafür fünf Milliarden Euro für Aufforstung, Stilllegung von Flächen und Wiedervernässung von Mooren ausgeben. Würde Deutschland ein ähnlich großes Paket verabschieden, müsste es gut 75 Milliarden Euro aufbringen – eine unvorstellbare Summe.

Mit diesem Paket schafft die dänische Regierung Vertrauen. Es lässt sich nur schlecht argumentieren, dass die CO₂-Steuer ein weiter Versuch einer raffgierigen Regierung sei, ihre Bürger auszupressen. Der überhastete Vorschlag der Ampel im Januar machte den Bauern diese Argumentation dagegen leicht.

Wichtig für den Erfolg: Wie die Regierung die Steuer eingeführt hat

Aber nicht nur, wie die Steuer aussieht, hat ihre Einführung ermöglicht. Wie sie eingeführt wurde, dürfte einen großen Anteil am Erfolg haben.

Denn die CO₂-Steuer wurde in der größtmöglichen Koalition mit der denkbar besten Vorbereitung eingeführt.

Zunächst verabschiedete eine große Koalition der Parteien im dänischen Parlament Folketing im Jahr 2020 ein Klimagesetz, das die eh schon ambitionierten dänischen Ziele noch einmal verschärfte; 70 Prozent Emissionsreduktion bis zum Jahr 2030. Es ist eines der ehrgeizigsten Klimagesetze der Welt und stützt sich auf einer langen Energiewende-Tradition in Dänemark. In den 1970er Jahren während der großen Ölkrise baute die westliche Welt neue Atomkraftwerke. Dänemark dagegen begann, seine Windkraft auszubauen und schuf so eine Industrie von Weltrang.

Das Klimagesetz von 2020 bildete die Grundlage für alle gesellschaftlichen Debatten zum Thema, es definierte Minimalanforderungen, akzeptiert von allen wichtigen Parteien des Landes. Es war ein klares Signal an zweifelnde Dänen: Wir wollen mehr Klimaschutz.

Ganz anders in Deutschland, wo die Bundesregierung unter Angela Merkel zwar ein Klimaschutzgesetz verabschiedet hat, dieses aber weit hinter dem zurückblieb, was nötig gewesen wäre und gerade erst unter Olaf Scholz weiter entkernt wurde. Manchmal muss sogar das Verfassungsgericht die Regierung an ihre eigenen Versprechen erinnern.

Nachdem das große, vertrauensbildende neue Klimaschutzgesetz in Dänemark verabschiedet war, begann eine Expertenkommission einen Vorschlag für eine CO₂-Steuer für die Landwirtschaft auszuarbeiten. Zwei Jahre lang ließ sie sich dafür Zeit, führte erste Gespräche mit allen relevanten Parteien, ehe sich dann Minister der regierenden Koalition, der dänische Naturschutzverband, verschiedene Gewerkschaften, der Arbeitgeberverband, der Kommunalverband und die Vertreter der Landwirtschaft und des Einzelhandels auf den finalen Kompromiss einigten.

Eine neue dänische Regierung wird den CO₂-Steuer-Kompromiss nicht wieder aufschnüren können und auch gar nicht wollen. Die dänische Regierung machte mit ihrem Vorgehen deutlich, dass sie einen breiten Konsens will. Auch eine nächste Regierung wird dafür stehen und sich für Klimaschutz verantwortlich fühlen.


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Zwar gibt es in Deutschland auch sogenannte Konsultationen, bevor ein Gesetz verabschiedet wird. Sie sind aber nicht so lang, nicht so breit aufgestellt und werden vor allem nicht so intensiv geführt.

Hatte die Ampel-Regierung vor der geplanten Wärmewende durch das Heizungsgesetz wirklich versucht, einen breiten Konsens zu erzielen? Nein. Auch die Regierung Merkel hatte Klimaschutz nie so breit wie die dänische Regierung als nationale Kraftanstrengung definiert, die er ja tatsächlich ist. Zudem erwecken führende Politiker immer wieder den Eindruck, dass bestimmte klimafreundliche Regelungen noch zurückgenommen werden könnten. Etwa, wenn Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Umstieg auf E-Autos regelmäßig öffentlich infrage stellt.

Die dänische Agrarindustrie konnte die Steuer nicht verhindern, obwohl sie es versucht hat

Genau wie in Deutschland bei der Agrarsubvention hat auch in Dänemark die Agrarindustrie versucht, die CO₂-Steuer zu verhindern. Öffentlich bekannte sie sich nicht ein einziges Mal zu dieser Steuer, während die Agrar-Lobbyisten die Steuer hinter verschlossenen Türen akzeptierten und um ihre Ausgestaltung verhandelten, sagt der Ökonom Hasforth. „Die Debatte, die die Agrarlobby gerne geführt hätte, hätte sich darum gedreht, dass kein anderes Land der Welt so eine Steuer hat und sie die Exportkraft der dänischen Fleischindustrie schwächt“, sagt er.

Aber ein anderes Argument setzte sich am Ende durch. Die dänische Gesellschaft hatte sich mit ihren Klimagesetzen auf einen breiten Kompromiss geeinigt. Viele andere Wirtschaftszweige wie die Industrie oder der Energiesektor hatten bereits begonnen, in Klimaschutz zu investieren. Warum sollte ausgerechnet die Landwirtschaft da nicht mitziehen?

Gleichzeitig vergriffen sich einige Bauern im Ton. Sie bedrohten den Chef der Expertenkommission, wollten ihn am Galgen baumeln sehen. Hasforth sagt: „Die Stärke der Landwirte ist eigentlich, dass man sich leichter mit ihnen identifizieren kann als mit einem gesichtslosen Bürokraten.“ Weil die Bauern aber den Leiter der Expertenkommission persönlich angriffen, sei es plötzlich nur noch um ihn gegangen. „Die Bauern haben viel Wohlwollen verloren. Denn Opfer knüpfen niemanden auf.“

So verzockten die dänischen Bauern den einzigen, echten Trumpf, den sie noch hatten. Bemerkenswert ist, dass auch die deutschen Bauern bei ihren Protesten zum Teil martialisch auftraten und es ihnen dennoch gelang, die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. (Wie genau ihnen das gelang, hat Lea Schönborn hier beschrieben.)

Wo Scholz, Lindner und Habeck über die Neujahrstage beschlossen hatten, den Bauern ihre Vergünstigung zu streichen, hatten dänische Politiker bereits jahrelang für Klimaschutz auch in der Landwirtschaft geworben. Niemand konnte überrascht davon sein, dass eine CO₂-Steuer fällig werden würde. Die dänische Öffentlichkeit wusste, warum die Bauern jetzt zahlen sollten. In Deutschland kam das Gesetz aus heiterem Himmel.

Dennoch ist auch das dänische Gesetz nicht perfekt. Ökonom Hasforth hätte sich eine höhere Steuer gewünscht. Denn, Stand jetzt, wird auch Dänemark das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen nicht einhalten. Aber der Welt will er etwas anderes mitgeben: „Es ist möglich, eine solche CO₂-Steuer einzuführen. Nehmt euch Dänemark als Vorbild.“

Was es für gelungenen Klimaschutz braucht

Was sich andere Länder von Dänemark abschauen können: breite Koalitionen bilden, klare Ziele formulieren, niemals den Eindruck erwecken, dass Klimaschutz nur nice to have wäre und am Ende: Reden, Reden, Reden – miteinander und über den Klimaschutz. Politiker müssen für Klimaschutz kämpfen, in der Sache überzeugen und sich so Vertrauen verdienen. Dann gibt es auch keine Proteste.

Oft sind klimafreundlichere Technologien sogar die besseren Technologien, in manchen Bereichen inzwischen auch die billigeren. Es ist möglich, gute Klimapolitik zu machen, ohne Traktorprotestzüge zu provozieren.

Dass es auch für Deutschland noch Hoffnung gibt, zeigt ein Auftritt des CDU-Chefs Friedrich Merz beim Wärmepumpen- und Solarstartup Enpal. Merz sprach dort, ein Jahr nachdem seine Partei den Eindruck erweckt hatte, dass die Wärmepumpe eine idiotische Idee der Grünen sei, die es zu verhindern gilt.

Anlässlich der Eröffnung eines Trainingszentrums für Wärmepumpen sagte er: „Die CDU/CSU steht voll und ganz hinter der Wärmewende. Wir sind uns einig, dass wir wegmüssen von den Fossilen.“
Das mögen nur zwei Sätze sein. Aber sie sind ein kleiner Anfang.

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