Mittwoch, 11. September 2024

Auch diese Meinungen gehören zum Klimaprotest : Geschätzte (letzte) Generation

hier  9. September 2024, 

Die Klimakleberin Carla Hinrichs spricht im SZ-Interview (Interview „’Wir sind gottlos am Arsch’“ vom 16. August) über ihren Protest – für den sie sich immer wieder vor Gericht verantworten muss. Zumindest die Leserbriefschreiber stellen sich hinter sie.

Bestraft die Richtigen!
Es ist alles so absurd: Die Klimaaktivisten um Carla Hinrichs und sie selbst werden für ihre Aktionen mit Geldstrafen oder Gefängnis abgeurteilt, anstatt endlich diejenigen zu bestrafen, die für die immer rasanter fortschreitende Klimakatastrophe und zunehmende Unbewohnbarkeit des Planeten verantwortlich sind.

Die Folgen der Katastrophe waren in Deutschland gerade in den letzten Wochen fast täglich irgendwo zu erleben: Überschwemmungen, Erdrutsche, Millionenschäden, Tote. Da läuft auch sicher mal eine Garage voll, in der ein dickes SUV steht, dessen Besitzer einem Klimaaktivisten zuvor über die Hand gefahren ist oder ihn bespuckt hat? Der steht jetzt staunend da und spricht von „Jahrhundertflut.“

Nein, es ist eine „Wochenflut“, denn das ist jetzt die Realität! Wacht also endlich auf! Ich habe zwei Enkeltöchter. Wenn ich sie sehe, ergreift mich jedes Mal unbeschreibliche Wehmut: Welches Leben wird ihnen noch vergönnt sein?

Gabriele Rohlfes, Tübingen


Werbeverbot fürs Klima
Klimaschutz tut so Not, und Ihr Interview zeigt, wie groß die Bereitschaft und Begeisterung der Menschen ist, gegen die Klimakatastrophe zu kämpfen. Leider werden schon kleinste Fortschritte wieder zunichtegemacht wegen unserer immer größeren klimaschädlichen Bedürfnisse: größere SUVs, größere Flughäfen für die immer häufigeren und weitere Urlaubsflüge, größere Häuser. Medien wollen aber weiterhin Reklame dafür machen, weil sie denken, sonst nicht überleben zu können. Haben wir also in 25 Jahren wohlhabende Medienkonzerne, aber kein Klima mehr?

Ähnlich abhängig waren die Medien damals vom Werbegeld der Tabakindustrie. Medienunternehmen argumentierten damals in Bezug aufs Tabak-Werbeverbot ganz ähnlich wie heute bei der Reklame für klimaschädlichen Konsum. Dennoch ist es heute unvorstellbar, dass Tabakreklame die Medien dominiert.

Die Klimakatastrophe führt schon bei über zwei Grad Celsius zum Beispiel zur Versteppung Deutschlands. Der Harz hat bereits 90 Prozent seiner Fichten verloren, Bäche und Flüsse des Bayerischen Waldes 30 Prozent ihres Volumens. Wann verbieten wir klimaschädliche Werbung?

Klaus Siersch, München


Bewunderung für die Klimakleber
Für Bauern, denen es nur um den eigenen Geldbeutel geht, haben viele Verständnis, aber nicht für Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Als Anfang des Jahres Landwirte überfallartig Deutschland in Geiselhaft nahmen, haben sich die Politiker vor allem der Union, aber auch der FDP solidarisch erklärt und Verständnis bekundet. Warum? Landwirte sind eine große konstante Wählermenge, die genau die Politiker wählen, die hier eifrig das Verhalten gutgeheißen haben und eingeknickt sind vor erpresserischen Forderungen. Die Letzte Generation sind nur ein paar Hundert Leute, die die genannten Parteien sowieso nicht wählen, also kann man sie wegsperren und zu hohen Geldstrafen verurteilen.

Ich habe vor einigen Jahren die halbwüchsigen Kinder bewundert, die als „Fridays for Future“ an jedem Freitag demonstriert haben. Dafür wurden sie von allen möglichen Erwachsenen kritisiert, sie sollen doch lieber in die Schule gehen, als etwas zu verlangen, von dem sie doch keine Ahnung haben. Leider sind diese Kinder inzwischen vier bis sechs Jahre älter und gehen lieber zu Swift-Konzerten oder machen einen Führerschein, um ebenfalls das Klima zu schädigen, weil es Spaß macht. Ich habe die „Klimakleber“ von Anfang an bewundert und tue es heute noch.

Gunther Wittig, Leitershofen


Respektable Verzweiflungstaten
Die Art, den Menschen Clara Hinrichs anzusprechen, hat mich bestürzt. In allem spürt man die Voreingenommenheit der Fragenden bis zu einer gewissen Arroganz. Die Fragen spiegeln schon die verbreitete Ungeduld mit denen, die es wagen, ein politisches System, eine Gesellschaft schmerzhaft zu provozieren, die doch für alle schon sichtbar in die Klimakatastrophe steuert. Gewiss muss man fürchten, dass die rigorosen Aktionen der Letzten Generation insgesamt wirkungslos verpuffen, zum Alibi werden in einem Meer von Gleichgültigkeit – insofern sind es ja auch Verzweiflungstaten. Respekt sind wir der Letzten Generation allemal schuldig, diesen Mutigen und Selbstlosen.

Christian Buchholtz, Buchholz


Die „Rädelsführer“ sprechen
Warum stehen immer wieder die Sanktionen gegen die „Letzte Generation“ im Mittelpunkt, wenn von ihr die Rede ist? Die Klimaberichte von Copernicus und der Weltorganisation für Meteorologie halten fest, dass die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Europa in den letzten 20 Jahren um 30 Prozent gestiegen sei. In der Wissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass die grundlegenden Ursachenzusammenhänge auf dem Tisch liegen. Das Bundesverfassungsgericht folgt deren Ergebnissen. Mit anderen Worten: Das millionenfache Sterben, die Vernichtung von Lebensgrundlagen werden von Menschen verursacht. Dass wir alle letztlich – gewollt oder weniger gewollt – daran beteiligt sind: klar. Aber wer sind die „Rädelsführer“? Warum fragt die SZ nicht einmal diese „Verantwortungsträger“, wie sie damit umgehen, dass sie ihren Enkelinnen und Enkeln eine Erde hinterlassen, wo ganze Landstriche unbewohnbar werden?

Dr. Heinrich Comes, Köln

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