Hier von Maria Stich 28. September 2024
Wie sich deine Stadt vor dem Klimawandel schützen kann
Eine neue Studie zeigt: Weltweite Klimaneutralität bis 2050 ist unrealistisch. Umso wichtiger, dass sich betroffene Regionen anpassen.
Über 60.000 Menschen in Tschechien ohne Strom. Ganze Landstriche in Österreich durch Wassermassen von der Außenwelt abgeschnitten. In Polen und anderen Ländern Osteuropas sterben mehrere Menschen infolge der Überflutungen. Italien ruft in betroffenen Gebieten den Notstand aus. Auch in Brandenburg und Sachsen bangt die Bevölkerung, ob es hier zu ähnlichen Szenen kommen wird. Inzwischen sinken die Pegelstände von Oder, Elbe und Co. wieder; die Lage ist aber weiter angespannt.
War das der Klimawandel?
Ein konkretes Einzelereignis auf den Klimawandel zurückzuführen, ist bislang nicht möglich. Doch die sogenannte Attributionsforschung kann immer genauere Zusammenhänge aufzeigen. Eine Schnelluntersuchung der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA) zeigte, dass es Mitte September in den Hochwasserregionen Mitteleuropas innerhalb kurzer Zeit so viel geregnet hat wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Solche Regenmengen seien durch den Klimawandel außerdem doppelt so wahrscheinlich wie bisher.
Nun als nicht unmittelbar Betroffene:r einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, ist eine schlechte Idee. Denn das x-te »Jahrhundert«-Hochwasser innerhalb von 2 Dekaden ist nur eine weitere Erinnerung daran, was in den kommenden Jahrzehnten durch den Klimawandel auf uns zukommen kann. Wie können sich Städte und Dörfer vor dessen Folgen schützen?
Genau mit dieser Frage hat sich ein großes Forschungsteam der Universität Hamburg mit internationaler Unterstützung für den »Climate Futures Outlook 2024« auseinandergesetzt. Bereits zum dritten Mal analysiert das Exzellenzcluster Klimaforschung, welche gesellschaftlichen Treiber Klimaschutz derzeit befördern und welche ihn behindern. Beteiligt waren 73 Autor:innen aus unterschiedlichen Disziplinen der Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Ökonomie und Rechtswissenschaft.
Außerdem untersuchten die Forschenden in 9 Fallstudien, wovon abhängt, ob Klimaanpassung nachhaltig erfolgreich ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie vergangene Woche – das können wir daraus lernen:
Erste Erkenntnis: Keiner macht es zu 100% richtig – noch nicht
Mehr Starkregen und häufigere Hochwasser sind nur eine der möglichen Folgen der Klimakrise. Je nach Region spielen andere Risiken eine größere Rolle. Die Forschenden analysierten daher weltweite Fallbeispiele in Metropolen, ländlichen Regionen sowie Küstengebieten und deren jeweiligen Anpassungsstrategien. Die Qualität dieser Strategien teilten sie in 3 Stufen ein....
»Nachhaltigkeit ist nicht nur ein nettes Extra. Wo Anpassung nicht durchdacht wird, können Nebenwirkungen die Erfolge zunichtemachen«, erklärte Beate Ratter, Professorin für Geografie, bei der Vorstellung der Ergebnisse. Es sei deshalb so wichtig, dass sich Städte und Regionen grundlegend umbauten und nicht nur akut reagierten. Beispielsweise könnten bestimmte Maßnahmen im Küstenschutz zwar bei Hochwasser helfen – langfristig aber schützenden Korallenriffen schaden oder haltgebende Sedimente fortspülen.
Mit Anpassung kaufen wir uns Zeit.
Mit nachhaltiger Klimaanpassung kaufen wir uns Zukunft.
Beate Ratter, Professorin für Geografie und Mitautorin der Studie
Keine der untersuchten Städte und Regionen setzt bisher 100% nachhaltige Anpassungsstrategien um. Doch in Hamburg, Nordfriesland und Ho-Chi-Minh-Stadt geht es zumindest in diese Richtung.
Zweite Erkenntnis: Klimaanpassung braucht lokale Lösungen
Was die Regionen ausmacht, die sich zumindest teilweise bereits grundlegend angepasst haben: Die lokale Bevölkerung wird aktiv eingebunden und trägt die Maßnahmen mit. Denn klimafreundliche Gesetze, überregionale Regelungen und Pläne für Anpassungsmaßnahmen seien zwar als Rahmen wichtig, würden aber nicht ausreichen, erläutert die Studie.......
So unterschiedlich ihre Herausforderungen, so hatten die für die Studie analysierten Städte doch eines gemeinsam: Sie alle waren bereits regelmäßig von Extremereignissen unterschiedlicher Art betroffen. Dass sie sich daran angepasst haben, ist also nicht verwunderlich.
In der Klimakrise ist es allerdings nötig, dass sich jede Stadt, Kommune, Region damit beschäftigt, dass eher spontane und zufällige Extreme auch bei ihnen wahrscheinlicher werden – und zwar präventiv. Selbst wenn sie bisher keinen extremen Stürmen, langen Hitzewellen oder Hochwassern ausgesetzt waren.
Hier tut sich langsam etwas: Seit Juli ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft .
Es setzt erstmals bundesweit einen einheitlichen Rahmen dafür, wie Klimaanpassung in Deutschland insgesamt, in den Bundesländern und Gemeinden angegangen werden soll. Unter anderem sieht das Gesetz vor, dass die Bundesländer Risikoanalysen für einzelne Kreise und lokale Konzepte zur Anpassung in die Wege leiten. Außerdem soll künftig bei öffentlichen Planungen und Entscheidungen die Klimaanpassung immer bereits mitgedacht werden.
Als Reaktion auf die mehrfachen Hochwasser in Bayern allein in diesem Jahr kündigte dort das zuständige Umweltministerium an: Hochwasserschutz solle künftig im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Kommunen solle eine Dauerberatung zur Verfügung stehen und das jeweilige Schutzkonzept alle paar Jahre gecheckt werden.
Dritte Erkenntnis: Klimaschutz ist die beste Anpassung
Sich damit zu beschäftigen, wie sich Städte und ländliche Regionen auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten können, bedeutet nicht, den Kampf gegen die weitere Erwärmung der Erde aufzugeben.
Denn Anpassung funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt. Steigen die weltweiten Durchschnittstemperaturen ungebremst weiter an, könnten bis zum Jahr 2100 die Länder um den Äquator unbewohnbar werden, weil es dort schlicht zu heiß ist, um zu überleben. Milliarden Menschen müssten ihre Heimat verlassen. An der Dekarbonisierung aller Lebensbereiche – also der Art, wie wir Energie erzeugen, wohnen, essen und uns fortbewegen – führt daher kein Weg vorbei.
Umgekehrt wäre Anpassung selbst dann nötig, wenn die Menschheit die Notbremse einlegte und der CO2-Ausstoß von heute auf morgen komplett heruntergefahren würde. »Manche Extremereignisse hat es immer schon gegeben, Starkregen etwa, und man hätte sich schon immer dafür wappnen sollen«, erklärt Mitautor Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. Doch durch die bisherige Erwärmung treten Starkregen, Hitzewellen und Dürren bereits häufiger auf. Natürliche Klimaschwankungen und Klimawandel können sich zudem addieren. In Zukunft können extreme Wetterereignisse auch in Kombination und gebündelt auftreten.
wie die Abkehr von allen Emissionen –
und keine der beiden Aufgaben darf vernachlässigt werden.
Anita Engels, Professorin für Soziologie und Mitautorin der Studie
am Besten im Original-Artikel weiter lesen!
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