Zeit hier Von Paul Meerkamp 17. September 2024
Dienstwagen: Es muss ja nicht immer der Dienstwagen sein
Neben Dienstwagen können Arbeitgeber auch Jobräder, Jobtickets und Mobilitätsbudgets anbieten. Das Interesse ist riesig. Nur E-Autos haben einen schweren Stand.
Über Dienstwagen wird politisch oft leidenschaftlich gestritten. In der Sache verändert sich aber selten etwas, zu uneinig sind sich die Koalitionspartner bei dem Thema. Doch Anfang September konnte sich die Bundesregierung auf etwas einigen. Unternehmen sollen elektrische Firmenwagen künftig schneller abschreiben können, und E-Dienstwagen bis zu 95.000 Euro Listenpreis sollen von einer günstigen Besteuerung profitieren.
Die Ampelpolitiker wissen: Wie sich Menschen fortbewegen, beeinflussen auch ihre Arbeitgeber. Und was Arbeitgeber anbieten, hängt davon ab, welche Anreize der Staat setzt. Schließlich können Unternehmen neben Dienstwagen auch Jobräder, Jobtickets oder Mobilitätsbudgets zur Wahl stellen. Wie steht es also um die Verkehrswende bei der Arbeitnehmermobilität?
Angesichts der regelmäßigen Diskussionen ist die Datenlage erstaunlich mau. "Eine vernünftige amtliche Statistik zur Zahl der Dienstwagen, die auch privat genutzt werden, gibt es in Deutschland nicht", sagt Carl-Friedrich Elmer, Projektleiter für Verkehrsökonomie bei der Denkfabrik Agora Verkehrswende.
Insgesamt gehören derzeit 5,7 Millionen Autos gewerblichen Haltern, Tendenz steigend. Aber nur einen Teil davon dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch während ihrer Freizeit nutzen. Schätzungen gehen von zwei bis 3,5 Millionen Berufstätigen aus.
Mit einem Dienstwagen kann man Geld sparen. Besonders unbürokratisch funktioniert das mit der Ein-Prozent-Regelung. Dabei muss man für eine Summe, die bei einem Verbrenner einem Prozent des Bruttolistenpreises entspricht, zusätzlich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Für Plug-in-Hybride oder E-Autos liegt die Besteuerung niedriger. Die Arbeitgeber übernehmen Unterhalts- und oft auch Tankkosten. Unterm Strich kommen Angestellte in der Regel deutlich günstiger, als wenn sie das Auto privat leasen oder kaufen würden.
"Die Möglichkeit zur privaten Nutzung von beruflich benötigten Dienstwagen ist prinzipiell sinnvoll", sagt Elmer von Agora Verkehrswende. Es gäbe womöglich noch mehr Autos auf den Straßen, wenn sich alle Firmenwagenfahrer zusätzlich private Autos anschaffen müssten. Unter Dienstwagen seien Oberklassewagen und SUVs jedoch überrepräsentiert, kritisiert Elmer. "Die aktuelle Regelung kommt primär einkommensstarken Haushalten zugute und verleitet dazu, große Fahrzeuge zu wählen und mehr zu fahren."
Nur wenige E-Autos unter den Firmenwagen
Welche Dienstwagen Arbeitgeber zur Wahl stellen, hat Folgen für den deutschen Autobestand insgesamt. Denn oft landen die Firmenwagen schon nach vergleichsweise kurzer Zeit auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Viele E-Autos unter den Dienstwagen könnten also die E-Mobilität in Deutschland insgesamt voranbringen.
Doch bei den gewerblichen Neuzulassungen lag der Marktanteil der reinen E-Autos in den ersten sieben Monaten 2024 bei 14 Prozent. Das zeigen Daten des Marktforschungsunternehmens Dataforce. Es ginge anders, wie ein Blick in die Niederlande offenlegt. Der E-Anteil lag dort im selben Zeitraum bei 41 Prozent.
Wie kann das sein? Deutschland lag 2023 immerhin noch bei 19 Prozent. Doch dann hat die Bundesregierung die Kaufprämie für gewerbliche und private E-Autos abgeschafft. Das machte den Kauf weniger attraktiv und kostete Vertrauen, die Nachfrage brach ein.
Wieso wollen die keine E-Autos mehr?
Elmer wünscht sich von der Politik, dass sie Dienstwagen anders besteuert. Sie solle erstens stärker berücksichtigen, wie viel Menschen privat mit ihrem Dienstwagen fahren. Zweitens müsse sie Anreize setzen, dass kleinere und sparsamere Autos attraktiver werden. Ideen für Reformen in diese Richtung gab es von Experten, Interessenverbänden und politischen Parteien in den vergangenen Jahren viele. Allerdings konnte sich die Bundesregierung nicht auf einen der Vorschläge für eine grundsätzliche Reform einigen.
Dienstradleasing kommt gut an
Immerhin werden Diensträder seit 2012 ebenfalls steuerlich bevorzugt. Meistens least der Arbeitgeber für den Angestellten ein Rad oder E-Bike seiner Wahl. Dem Arbeitnehmer wird die monatliche Rate von seinem Bruttolohn abgezogen, er muss also weniger Steuern und Sozialabgaben zahlen. Nach der Laufzeit des Leasingvertrags, oft drei Jahre, kann er das Rad in der Regel gegen einen Abschlag übernehmen. Bei anderen Modellen bezahlt der Arbeitgeber die kompletten Raten.
So oder so: Das Angebot trifft einen Nerv. Gab es 2019 noch rund 400.000 geleaster Diensträder, waren es 2023 schon 1,9 Millionen – fast fünfmal so viele. Die Daten stammen aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Deloitte und des Verbands Zukunft Fahrrad.
Höherpreisige Fahrräder und E-Bikes sind beim Dienstradleasing beliebt. Der Durchschnittspreis lag 2023 bei rund 3.500 Euro, heißt es in der Untersuchung. Das seien rund 1.700 Euro mehr als der durchschnittliche Kaufpreis auf dem Fahrradmarkt insgesamt. Die Dienstradnutzer greifen zu teureren Rädern, weil sich hier besonders viel Geld gegenüber der normalen Anschaffung sparen lässt.
Trotz des enormen Wachstums sieht Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad, weiteres Potenzial. "Rund zwei Drittel aller Berufspendelnden haben einen Arbeitsweg, der sich mit einem Fahrrad oder E-Bike bewältigen lässt", sagte von Rauch bei der Vorstellung der Zahlen im Juli.
Jobdeutschlandtickets verkaufen sich gut
Im ÖPNV gab es 2023 einen großen Fortschritt für Arbeitnehmer. Mit dem Start des Deutschlandtickets im Mai 2023 wurde auch eine Jobticketvariante eingeführt. Dabei zahlen Beschäftigte je nach Zuschuss des Arbeitgebers maximal 34,30 Euro statt 49 Euro monatlich für die bundesweite Nutzung des Nahverkehrs.
1,8 Millionen Jobdeutschlandtickets gibt es derzeit laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). "Das Potenzial scheint nicht ausgeschöpft, mit mehr Sicherheit und Planbarkeit wäre noch mehr möglich", sagt ein VDV-Sprecher. Bund und Länder streiten immer wieder über die Finanzierung und den Preis des Deutschlandtickets.
Durch das Jobticket sind Arbeitnehmer nicht nur besonders günstig unterwegs. Erstmals gibt es einen bundesweiten Wettbewerb um die Unternehmenskunden, die bei Verkehrsverbünden im ganzen Land ein passendes Jobticket für ihre Mitarbeiter kaufen können. Manche Verbünde bieten parallel weiterhin eigene Jobticketvarianten jenseits des Deutschlandtickets an, bei denen man zum Beispiel eine Person mitnehmen kann.
Andere stellen die Verträge gerade um. Wie viele Jobtickets es insgesamt inklusive regionaler Varianten gibt, weiß der Branchenverband VDV nicht. Auch zum Bestand vor Einführung des Deutschlandtickets fehlen Daten.
Mobilitätsbudgets bieten nur wenige Arbeitgeber
Maximale Freiheit bietet ein Mobilitätsbudget. Damit können Arbeitnehmer eine bestimmte monatliche Summe für Bus- und Bahntickets, Leihwagen oder Leihräder, E-Scooter, Taxifahrten und mehr ausgeben – je nach Bedarf. 57 Prozent der Beschäftigten in Städten und 40 Prozent in ländlichen Räumen wünschen sich ein solches Angebot. Das ergab eine Umfrage des Softwareunternehmens SAP Concur.
Bisher sind Mobilitätsbudgets in Deutschland kaum verbreitet, steuerlich begünstigt werden sie nicht. Viele Arbeitgeber scheuen den Verwaltungsaufwand. Gerade einmal 16 Prozent der befragten Unternehmen mit Firmenfahrzeugen bieten ein solches Modell an, heißt es im Mobilitäts- und Fuhrparkbarometer des Leasinganbieters Arval. Das könnte sich bald ändern. Die Bundesregierung plant, die Besteuerung von Mobilitätsbudgets zu vereinfachen. Das könnte dazu führen, dass mehr Beschäftigte frei entscheiden dürfen, welche subventionierten Verkehrsmittel sie am schnellsten und bequemsten an ihre Ziele bringen.
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