ARD Tagesschau hier 16.9.24 Jakob Mayr, ARD Brüssel
Diskussion im EU-Parlament
Das EU-Parlament hat über weitreichende Reformen im Agrarsektor beraten. Doch die Landwirte sind unzufrieden - und Umweltschützer kritisieren mangelndes Engagement im Kampf gegen den Klimawandel.
Das EU-Parlament hat sich nicht gerade die attraktivste Debattenzeit ausgesucht, um eine der größten Herausforderungen für Europa zu diskutieren: Die Abgeordneten berieten am Abend in Straßburg darüber, wie die EU ihre gemeinsame Agrarpolitik neu aufstellen könnte. Dabei geht es immerhin um den zweitgrößten Posten im EU-Haushalt, über den das Parlament mitentscheidet.
Dass es Änderungen braucht ist unstrittig: Obwohl fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat in die Landwirtschaft fließt, kämpfen viele Höfe ums Überleben. Gleichzeitig geschieht im Agrarsektor nach Ansicht von Fachleuten zu wenig, um Klimawandel und Artenschwund wirksam zu bekämpfen.
Player: audio: Deutlich Geringere Erträge bei Getreide und Raps 28.08.2024Deutscher Erntebericht 2024: Klimafolgen sorgen für schlechte ErnteLandwirte kämpfen mit den Folgen des Klimawandels. Für die Ernte in Deutschland erwartet das Agrarministerium teils deutliche Einbußen. Zufriedene Gesichter dürfte es nur bei den Hopfen-Anbauern geben.
Der jährliche Bericht des Bundesagrarministeriums zeigt das erwartete Übel schwarz auf weiß: Die deutsche Ernte wird in diesem Jahr wohl unterdurchschnittlich ausfallen - teilweise sogar sehr deutlich. Fast alle Bereiche verbuchen der vorläufigen Berechnung zufolge schlechte Prognosen.
Reaktion auf Proteste
Trotzdem hat die EU vor der Europawahl Auflagen sogar noch gelockert - als Reaktion auf europaweite Bauernproteste. So bleiben Landwirte von der Pflicht befreit, einige Äcker für den Artenschutz brachliegen zu lassen. Die Mitgliedsstaaten bekommen mehr Spielraum, um Regeln zur Bodenbedeckung und zum Fruchtwechsel anzuwenden. Die sollten eigentlich sicherstellen, dass landwirtschaftliche Nutzung die Böden nicht zu sehr auslaugt. Kleinere Betriebe müssen nicht mehr mit Kontrollen und Strafen rechnen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor einem Jahr außerdem Vorschläge angekündigt, um die gemeinsame Agrarpolitik grundsätzlich neu auszurichten. Die hat sie vor Kurzem vorgelegt und diese Empfehlungen, an denen Bauernverbände, Umweltschützer und Lebensmittelkonzerne mitwirkten, haben es in sich. Demnach soll die EU nämlich Schluss machen mit der derzeit geübten Praxis der Direktzahlungen nach Fläche: Große Betriebe, die oft sowieso besser dastehen als der Durchschnitt, bekommen mehr.
Player: audio: Der Bundestag hat das Agrarpaket beschlossen05.07.2024Bundestag stimmt Agrarpaket zuEntlastungen für Landwirte in SichtAls Ausgleich für das Ende der Diesel-Subventionen sollen die Betriebe an anderer Stelle entlastet werden.
Gezieltere Förderung
Stattdessen sollten gezielter Betriebe gefördert werden, die es wirklich nötig haben: kleine Höfe, Junglandwirte und Neueinsteiger. Außerdem sollten Landwirte stärker belohnt werden, wenn sie umweltgerecht wirtschaften. Wie hoch dafür das nächste Agrarbudget ausfallen soll, das jeweils für sieben Jahre festgelegt wird, sagt das Gremium nicht. Dafür will es "unbedingt" den in der EU vorhandenen Trend befördern, weniger Fleisch zu essen. Beim Abschluss von Handelsverträgen mit Nicht-EU-Staaten sollten die Interessen der europäischen Bauern mehr Gewicht bekommen.
In der Debatte hoben Abgeordnete mehrerer Fraktionen hervor, dass die Reformvorschläge von ganz unterschiedlichen Organisationen erarbeitet wurden. Die christdemokratische EVP-Fraktion, in der die Europa-Abgeordneten von CDU und CSU sitzen, unterstützt die Pläne grundsätzlich, lehnt Eingriffe in die Essgewohnheiten von Europäerinnen und Europäern aber ab.
05.04.2024 Fleischverzehr weiter gesunken:"Weniger, dafür bewusster"51,6 Kilogramm Fleisch hat jeder Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr rein statistisch gegessen. mehr
Grüne sprechen von wegweisender Reform
Nach Ansicht der EVP muss die Landwirtschaft in der EU wettbewerbsfähiger werden, die Unterstützung von Junglandwirten hält sie für wichtig. Die Sozialdemokraten würden eine Abkehr von Flächenzahlungen zugunsten punktgenauerer Förderung begrüßen. Sie werfen den Christdemokraten vor, das im Parlament bisher verhindert zu haben.
Die Grünen sprechen von einem wegweisenden Reformpapier. Ihnen gefällt, dass die empfohlenen finanziellen Anreize für Umweltleistungen nicht nur Einkommensverluste ausgleichen, sondern wirklichen Mehrwert bieten sollen. Das grundsätzliche Wohlwollen der pro-europäischen Parlamentsfraktionen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die (auch nur teilweise) Umsetzung der Reformvorschläge enorm schwierig wird. Kommissionschefin von der Leyen wies darauf hin, als sie die Pläne vor anderthalb Wochen präsentierte: Der Teufel stecke im Detail.
Deutschlandfunk Podcast hier Krämer, Elmar | 17. September 2024
Benedikt Bösel, Landwirt, Unternehmer, Agrarökonom, ist auf einer Agroforstfläche mit einem Haferfeld zu sehen(Luftaufnahme mit einer Drohne).
Benedikt Bösel baut Getreide, Obst und Gemüse an, betreibt einen Forst und hält eine Rinderherde von rund 200 Tieren. Sie sind derzeit seine Haupteinnahmequelle. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Wie kann ein Landwirt die Natur schützen und gleichzeitig rentabel arbeiten? Bauern wie Benedikt Bösel suchen nach neuen Wegen. Sein Betrieb in Brandenburg gilt als Leuchtturm-Projekt eines wissenschaftlich fundierten Biolandbaus.
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