Eine spannende Frage, denn wer kennt sich schon aus in den lästigen Wirtschaftsfragen?
Grund genug um mal bisschen einzutauchen in das Thema, das die Ampel gespalten hat
hier 18.09.2024
Kommentar: Schuldenbremse als Zukunftsbremse?
In der Politik wird derzeit viel über die Schuldenbremse gestritten. Ökonom und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro Die Linke für Finanzpolitik im Bundestag Maurice Höfgen erklärt aus seiner Sicht, wie sie funktioniert, was sie bewirkt – und wie sie reformiert werden könnte. Die Debatte dreht sich um finanzielle Spielräume und Investitionen in Zukunftsprojekte. Kann Deutschland sich mehr leisten, als die Schuldenbremse erlaubt?Geld ist das größte Streitthema in der Politik. Fast alles dreht sich darum, wie viel wofür ausgegeben und wem über Steuern und Abgaben wie viel abgenommen wird. Und: Wie viele neue Schulden der Staat macht. Wer die Umwelt schützen, Armut bekämpfen, Schulen modernisieren oder Straßen reparieren will, muss über Geld reden. Über viel Geld sogar. Milliardensummen. Und darüber, was der Staat sich leisten kann – und leisten darf. Zwischen Können und Dürfen gibt es nämlich einen großen Unterschied. Deutschland kann sich nämlich mehr leisten, als es darf.
Wir können uns alles leisten, wozu wir die nötigen Ressourcen haben und technisch in der Lage sind. Gibt es fähige Arbeitskräfte mit ausreichend Kapazität, um eine neue Brücke zu bauen? Haben wir dafür alle Materialien und Werkzeuge? Wenn ja, können wir uns das sofort leisten. Der Staat könnte den Auftrag an eine Firma vergeben und dafür bezahlen. Arbeitskraft und Ressourcen sind begrenzt, Geld aber nicht. Wie auch? Geld ist eine menschliche Erfindung, ein Buchhaltungskonstrukt, das heutzutage per Knopfdruck an Computern entsteht. Es ist heute nicht mehr durch physische Werte wie Gold gedeckt. Stattdessen entsteht es elektronisch durch Buchungsvorgänge, die Zentralbanken durchführen. Geld ist somit nicht wie natürliche Ressourcen begrenzt, sondern kann theoretisch unbegrenzt geschaffen werden, solange Vertrauen in das Währungssystem besteht.
Der Staat darf sich aber nur leisten, was rechtlich erlaubt ist. Erlaubt ist aber nur, ein bisschen mehr Geld auszugeben als der Staat über Steuern einnimmt. Das gibt die Schuldenbremse vor. Kurz vor der Sommerpause beispielsweise hat die Ampel-Regierung in nächtelangen Haushaltsverhandlungen einige Wunsch-Projekte gestrichen, um die Schuldenbremse einzuhalten. Die steht schließlich in der Verfassung.
So funktioniert die Schuldenbremse
Die Schuldenbremse beschränkt die Neuverschuldung. Ein wesentlicher Grund für diese Beschränkung liegt in der Sorge, dass Politiker in Wahljahren erhöhte Ausgaben durch sogenannte Wahlgeschenke tätigen könnten. Solche zusätzlichen Ausgaben könnten zu einer übermäßigen Verschuldung führen, die langfristig hohe Tilgungsraten und möglicherweise Steuererhöhungen erfordern würde. Sie regelt wie viel der Bund mehr ausgeben darf, als er an Steuern einnimmt. Nämlich 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung und noch ein bisschen mehr, wenn die deutsche Wirtschaft in der Krise ist – oder ein bisschen weniger, wenn die Wirtschaft super läuft. Wie sich das Bisschen berechnet, hängt von vielen Details ab (das erspare ich uns) und hat keine wissenschaftliche Grundlage.
Was einen stutzig machen kann: Im Bundeshaushalt für das Jahr 2025 sind neue Schulden in Höhe von 44 Milliarden Euro eingeplant. Das ist deutlich mehr als 0,35 Prozent von etwas mehr als 4 Billionen Euro Wirtschaftsleistung (plus ein bisschen, weil die Wirtschaft kriselt). Der Grund: Die Schuldenbremse hat viele Ausnahmen. Für Notlagen wie Kriege oder Naturkatastrophen, zum Beispiel die Corona-Krise, die Flut im Ahrtal oder der Ukraine-Krieg.
Aber auch für staatliche Beteiligungen sind Ausnahmen vorgesehen. Damit der Bund nicht zu Privatisierungen gezwungen wird, um Haushaltslöcher zu stopfen. Genau funktioniert das so: Erhöht der Bund beispielsweise sein Eigenkapital bei der Deutschen Bahn AG (die ihm zu 100 Prozent gehört), fließt zwar Geld vom Finanzminister an die Bahn, aber das gilt nicht als Ausgabe, sondern als Anlage. Anders als bei einem Beamten, der bezahlt wird, ist das Geld nicht weg, sondern nur anders angelegt. Das gleiche gilt aber auch andersherum: Verkauft der Bund seine Post- oder Telekomaktien bringt das zwar Geld in die Kasse, schafft aber keinen Spielraum unter der Schuldenbremse. Solche Käufe und Verkäufe gelten als finanzielle Transaktion und sind vollständig von der Schuldenbremse ausgeklammert. Und 2025 fließen über den Weg fast 13 Milliarden Euro in das sogenannte Generationenkapital (ehemals Aktienrente) und sechs Milliarden Euro in die Bahn. Das allein erklärt 19 Milliarden zusätzliche Schulden – bei formaler Einhaltung der Schuldenbremse.
Schuldenbremse reformieren?
Neben der deutschen Schuldenbremse gibt es auch noch die Schuldenregeln der Europäischen Union. Bemerkenswert: Die deutsche Schuldenbremse ist deutlich strenger. Die EU-Regeln erlauben nämlich eine Neuverschuldung von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Und wenn der Schuldenstand unter 60 Prozent liegt, sehen die EU-Verträge sogar eine Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung vor, damit wären dann fast 110 Milliarden Euro zusätzlich erlaubt – jedes Jahr. Zur Einordnung: Derzeit steht Deutschland knapp über 60 Prozent, die zwei anderen größten EU-Länder Frankreich und Italien allerdings weit über der 100-Prozent-Marke.
Immer mehr Ökonom:innen fordern, die Schuldenbremse zu lockern. Auch jene, die eher als konservativ gelten. Die Wirtschaftsweisen etwa. Die Schuldenbremse sei unnötig streng, sagen die Wirtschaftsweisen. Wenn man sie so lasse, wie sie heute ist, werde die Schuldenquote stärker sinken als nötig. Deshalb fordern sie, dass bei niedriger Schuldenquote mehr Schulden als die bisherigen 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung erlaubt sind. Konkret: die alte Grenze von 0,35 Prozent Neuverschuldung soll erst ab einer Schuldenquote von 90 Prozent greifen, darunter sollen 0,5 Prozent Neuverschuldung erlaubt sein und bei einer Schuldenquote von unter 60 Prozent sogar ein Prozent. So schlägt es auch die Bundesbank vor. Die Folge: neue Investitionen in Milliardenhöhe wären möglich.
Ähnlich positioniert sich der internationale Währungsfonds (IWF). Die Vize-Chefin des IWF, Gita Gopinath, schlug neulich im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit vor, die Grenze der Neuverschuldung um einen Prozentpunkt zu erhöhen. Das wären rund 40 Milliarden Euro an zusätzlichem Spielraum und sogar mehr als das, was die Wirtschaftsweisen fordern. Auch der IWF-Chefökonom, Pierre-Olivier Gourinchas, attestierte jüngst gegenüber dem Handelsblatt: „Deutschland zahlt den Preis für seine sehr harte Schuldenbremse“. Und weiter: „Der deutsche Schuldenstand ist völlig unter Kontrolle. Zugleich erhöht sich der strukturelle Ausgabenbedarf der Bundesrepublik, sei es beim Klimaschutz, der Verteidigungspolitik oder der Energieunabhängigkeit. Die beste Lösung wäre eine Lockerung dieser verfassungsrechtlichen Regelung.“
Schuldenbremse als Zukunftsbremse?
Die Schuldenbremse ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. 2009 wurde sie eingeführt, übrigens nicht unter einem FDP-Finanzminister, wie man vielleicht meinen könnte, sondern von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück. Nach der Finanzkrise 2007, kurz vor Einführung der Schuldenbremse, war die deutsche Schuldenquote auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Das hatte zwei Gründe: Die Wirtschaftsleistung war eingebrochen und die damalige Regierung musste viele neue Schulden machen, um Banken zu retten und die Wirtschaft anzukurbeln. Der Zweck der Schuldenbremse damals war eine symbolische Maßnahme gegen den verhältnismäßig starken Anstieg der Schuldenquote. Politisch gesehen sind Staatsschulden in Deutschland nämlich nicht beliebt. Einer Regierung, die viele neue Schulden macht, wird gemeinhin attestiert, nicht gut mit Geld umzugehen. Das ist zwar ökonomisch nicht immer richtig, aber politisch eben die Realität.
Die Schuldenbremse hatte leider auch schädliche Nebenwirkungen. Sie hat den Spielraum für öffentliche Investitionen geschmälert. Deutschland investiert seit Jahren zu wenig in seine Infrastruktur. Das belegt eine bittere Zahl: Die öffentlichen Nettoinvestitionen schwanken seit mehr als einem Jahrzehnt um den Nullpunkt. Das heißt: Die Abschreibungen auf den Wertverfall bestehender Infrastruktur ist so groß wie die neuen Investitionen. Es gibt also keinen Fortschritt.
Das ist sowohl dem Bundesverband der deutschen Industrie als auch der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und dem arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft ein Dorn im Auge. Sie fordern über die nächsten zehn Jahr pro Jahr 40 bis 60 Milliarden Euro zusätzlich an öffentlichen Investitionen. Also 400 bis 600 Milliarden Euro. Wohlgemerkt: Allein, um den Investitionsstau der Vergangenheit aufzulösen. Mit der Schuldenbremse ist das allerdings nicht umsetzbar, solange man sie nicht reformiert. Den Vorwurf, eine Investitionsbremse und damit auch eine Zukunftsbremse zu sein, muss sich die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Ausgestaltung also gefallen lassen.
Maurice Höfgen ist Ökonom, freier Publizist und YouTuber. Er betreibt den Kanal „Geld für die Welt“ und moderiert bei „Jung und Naiv“..
hier Youtube Podcast
Wirtschaftsbriefing von Jung&Naiv
hier Watson Artikel von Tim Kröplin 12.1.25
Ökonom zur Schuldenbremse: "Der Staatshaushalt ist nicht Oma Ernas Spardose"
Volkswirtschaftslehre ist komplex, kann erschlagen, wirkt schlichtweg langweilig. Ein müßiges Fachgebiet. Jeder versuchte Vorstoß endet schnell mit Hirn-Muskelkater. Also Schotten dicht, Expert:innen wie Politiker:innen regeln schon. Flucht in Fatalismus: ein großer Fehler.
Volkswirtschaftliches Vorwissen hilft dabei, politische Argumente à la "Gürtel enger schnallen", à la "Jetzt kommen schwere Zeiten", à la "Dafür ist kein Geld da" zu übersetzen. Ökonom Maurice Höfgen widmet sich seit Jahren der Aufgabe, Wirtschaftsthemen näherzubringen.
Auf Youtube und in seinem Blog zeigt er, dass viele Erzählungen auf einem wissenschaftlich marodem Fundament stehen. Er entlarvt die ideologische Prägung dahinter. Ein Gespräch über angestaubte konservative Ökonom:innen, angestaubte Theorien und die Frage, was der Staatshaushalt mit Monopoly zu tun hat.
watson: Maurice, die Volkswirtschaftslehre als Nerdthema, das gerade jungen Menschen kaum Zugang verspricht. Wieso hast du dich dem verschrieben?
Maurice Höfgen: Anders als man vielleicht denken würde, waren mir Politik und Wirtschaft in meiner Jugend komplett egal. Erst während meines BWL-Studiums kam allmählich das Interesse an größeren wirtschaftspolitischen Zusammenhängen auf. Wenn ich meine Begeisterung aber auf ein Ereignis herunterbrechen müsste, wäre das wohl die Griechenlandkrise. Die wollte ich verstehen und die hat mich politisiert.
Die griechische Staatsschuldenkrise löste in Europa ein Beben aus, für viele war sie aber kaum greifbar. Was genau hat dich daran schockiert?
Die radikalen Kürzungen bei Renten, bei Löhnen, im Sozialstaat, fast überall – und deren gravierende Folgen. Anders als von Ökonomen versprochen, brach die Wirtschaft ein, entstand Massenarbeitslosigkeit, Firmen gingen Pleite, Armut grassierte und der Schuldenstand nahm sogar zu, nicht ab. Offensichtlich war die Therapie falsch, die neoliberale Ökonomen und Politiker den Griechen verschrieben haben. Ein einzelnes Unternehmen kann man gesundsparen, aber nicht eine ganze Wirtschaft.
Du beziehst dich hier auf die Volkswirtschaftslehre, die sich mit großen Zusammenhängen beschäftigt. Doch gerade die machen sie so abstrakt. Wie können Laien einen Zugang bekommen?
Viele finden VWL abstoßend und langweilig, weil sie so mathematisiert und weit weg von den echten Problemen ist. Prominente Ökonomen sind zudem stereotypisch Boomer in Anzügen, die mit pseudoakademischen Fachbegriffen um sich werfen. Das schreckt ab. Mein Mittel dagegen: VWL-Themen ins Internet bringen, zum Beispiel auf Youtube, das Ganze mit Witz und Unterhaltung übersetzen und verständlich erklären.
Kannst du drei Regeln nennen, mit denen sich ein Grundstein für eine VWL-Denke legen lässt?
- Die Schulden des einen sind die Vermögen des anderen,
- die Einnahmen des einen sind die Ausgaben des anderen.
- die Exporte des einen sind die Importe des anderen.
Es gibt zwar verschiedene Denkschulen, doch das sind allgemeingültige Grundsätze. Reine Logik.
Man könnte auch sagen: Buchhaltung. Schon daraus kann man viel schließen und die Welt- und Nachrichtenlage besser verstehen.
Gerade bei wirtschaftspolitischen Fragen gibt es je nach Partei gravierende Unterschiede, etwa bei der Schuldenbremse. Wie kommt das?
Weil Politiker versuchen, die Menschen in ihrem Alltagsverständnis abzuholen. Ein Fehler, weil der Staatshaushalt eben nicht die Spardose von Oma Erna ist. Dann gibt es noch verbreitete Missverständnisse und falsche ökonomische Vorstellungen.
Zum Beispiel?
Ein höherer Mindestlohn führe zu mehr Arbeitslosigkeit. Ist noch nie passiert.
Oder die Annahme, Staatsschulden seien ein Inflationstreiber, ist auch so pauschal nicht richtig. Nehmen wir etwa Japan: Dort gibt es eine Schuldenquote von rund 250 Prozent, und die kämpften bis zur globalen Energiepreiskrise gegen Deflation und nicht gegen Inflation.
Aber wieso klammern sich zum Beispiel Ökonom:innen an Annahmen, die bereits widerlegt sind?
Weil man an seinen einmal gelernten Modellen festhält.
Sagt das Modell, höhere Kartoffelpreise dämpfen die Nachfrage, liegt der Gedanke nahe, dass höhere Löhne, die Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen – und insofern Arbeitslosigkeit erzeugen. Das ist aber falsch. Arbeiter gehen mit ihrem Lohn wieder einkaufen, Kartoffeln nicht. Die Bereitschaft, sich von der Realität eines Besseren belehren zu lassen, ist unter Ökonomen ein schwieriges Thema.
Bei Staatsschulden scheiden sich die Geister ebenfalls. Du hattest erwähnt, der Staatshaushalt würden anders funktionieren als der private. Was bedeutet das?
Wir reden über Schulden schon völlig falsch. Eine Erklärung, die viele bei meinen Vorträgen immer verblüfft: All die Schulden, die der Staat hat – 2,5 Billionen Euro –, liegen als Guthaben auf unseren Bankkonten, sind also 2,5 Billionen Euro private Ersparnisse.
Die allerdings schlecht verteilt sind.
Aber dennoch gilt: Die Schulden des Staates sind Ersparnisse der Privatwirtschaft. Ebenso wie Staatsausgaben private Einkommen sind. Würde der Staat all seine Schulden abbauen, müsste er uns 2,5 Billionen Euro an Ersparnissen abnehmen, uns also ärmer machen. Das will keiner.
Trotzdem wird konsequent vor Staatsschulden gewarnt.
Weil es an unser Privatverständnis anknüpft. Eine persönliche Angst vor Schulden ist für viele normal. Und diese Angst übertragen sie dann auf den Staat, vor allem, wenn wir von einem Steuerzahlergeld-Narrativ ausgehen. Dann heißt es, wir alle sind verschuldet, weil der Staat Schulden hat, was schlicht Quatsch ist.
Aber es heißt doch stets, ein Staat finanziere sich über Steuern.
Das würde ich mit einem Monopoly-Beispiel kontern. Woher kommt das Monopoly-Geld? Von der Bank oder den Brettspielern? Von der Bank. Bevor Spieler loslegen können, bekommen sie Geld von der Bank. Erst dann können sie Straßen, Häuser und Hotels kaufen. Im Laufe des Spiels können sie dann bankrottgehen, aber die Bank bleibt stets liquide. Das Geld im Monopoly ist ein Monopol der Bank, genauso wie staatliche Währungen ein Monopol des Staates sind.
Du selbst stehst für eine progressive Wirtschaftspolitik. Wie sieht die aus?
Jeder hat da andere Vorstellungen. Meine wäre,
- dass wir Vollbeschäftigung haben, also dass jeder, der arbeiten will, auch eine Arbeit findet;
- dass die Wirtschaft gut läuft, aber dass alles, was die Wirtschaft hervorbringt, auch gerecht verteilt wird;
- und dass wir nachhaltig produzieren.
- Außerdem will ich erstklassige öffentliche Daseinsvorsorge: von der Kita bis zum Krankenhaus. Schulen müssten eigentlich die modernsten Gebäude der Stadt sein. Das Gegenteil ist die Realität, leider.
Woran liegt das?
In Deutschland wird zu wenig ausgegeben. Seit meiner Geburt 1996 sind die öffentlichen Netto-Investitionen bei null.
Was heißt das?
Die Infrastruktur hat seitdem nicht an Wert gewonnen. Netto-Investitionen bedeutet, was investieren wir neu und was verfällt gleichzeitig. Eine neue Brücke verfällt zum Beispiel mit der Zeit, verliert insofern an Wert. In den 70er-Jahren hat die Infrastruktur jedes Jahr drei Prozent der Wirtschaftsleistung an Wert gewonnen. Das wären heute 120 Milliarden Euro – jedes Jahr. Da müssen wir wieder hin.
Aber gibt es überhaupt Parteien mit realen Wahlsieg-Chancen, die für mehr Investitionen stehen, die mehr ausgeben wollen?
Der Wind hat sich meines Erachtens gedreht. Abseits von AfD und FDP klammert sich zum Beispiel keine Partei mehr an die Schuldenbremse. Viele sind bereit, mehr Geld in Deutschland zu investieren. Sogar Friedrich Merz zeigt sich allmählich offen für eine Reform, die mehr Investitionen mit sich bringen würde.
Wobei hier die Befürchtung wäre, dass er sich nur auf Rüstungsausgaben konzentrieren will.
Mag sein, und dazu kann man verschiedene Positionen haben, aber: wenn er die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausklammert, bleibt mehr Geld für andere Investitionen. Wenn noch einmal 100 Milliarden für die Bundeswehr von der Schuldenbremse ausgenommen werden, hat der Staat ja dann auch 100 Milliarden für andere Ausgaben zur Verfügung. Wir brauchen dringend finanzielle Spielräume, um die vielen Missstände zu beseitigen.
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