Samstag, 18. Januar 2025

"Klimaschutz ist in vielen Fällen gleichbedeutend mit Modernisierung - Nichtstun und Weiter-so tun unserem Standort in keinem Bereich gut“

hier  FAZ  Artikel von Rüdiger Soldt •18.1.25

Baden-Württemberg verfehlt Zwischenziel beim Klimaschutz

In Baden-Württemberg fällt es der Regierung aus Grünen und CDU – auch unter dem Eindruck des Bundestagswahlkampfes – schwer, sich auf weitere Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele zu verständigen. Das Land will 2040 klimaneutral sein. Doch nach einer Prognose von Wissenschaftlern verfehlt Baden-Württemberg sein Zwischenziel für 2030 bei der CO2-Reduktion deutlich.

Bild links: SWR 2023  hier

Immer stärker zeichnet sich ab, dass die CDU wirtschaftliche Prosperität höher bewertet als den Klimaschutz. Zu Beginn der grün-schwarzen Landesregierung im Jahr 2021 war das anders. Aktuell geht es um die Interpretation der im Landesklimagesetz vorgeschriebenen Sektorenziele zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen. Nach dem jüngsten Klimaschutzprojektionsbericht wird das Land die Sektorenziele im Klimaschutz in den Bereichen Verkehr, Energiewirtschaft und Landwirtschaft wahrscheinlich verfehlen. In den Sektoren Gebäude, Abfall und Industrie sieht es besser aus.

Das Landesklimagesetz schreibt der Regierung vor, im Falle einer prognostizierten Zielabweichung weitere Maßnahmen zu beschließen: „Stellt der Klimaschutz- und Projektionsbericht eine drohende erhebliche Zielabweichung fest, beschließt die Landesregierung (…) die erforderlichen Landesmaßnahmen“, heißt es dort. Die Grünen und ihre Umweltministerin Thekla Walker pochen darauf, dem Gesetz zu folgen. Die CDU spricht von „Zahlenklauberei“ und vermisst im Gesetz eine klare Definition, was eine „erhebliche Zielabweichung“ ist. Einer Kabinettsvorlage stimmte die CDU-Landtagsfraktion vorerst nicht zu.

Eindeutige Zahlen, mehrdeutiges Gesetz?

Das Land hält, anders als die Bundesregierung, an Sektorenzielen fest, allerdings müssen bei einer prognostizierten Verfehlung der Ziele nur Gesamtmaßnahmen getroffen werden. Nach Berechnungen des wissenschaftlichen Klimasachverständigenrates wird das Land die Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 um 17 Prozent verfehlen, bezogen auf die absolute Menge. Die Gründe hierfür sind bekannt: Der Hochlauf der Elektromobilität geschieht in Deutschland langsamer als zunächst angenommen, die Umstellung der kohlebasierten Stromerzeugung auf Wasserstoff kommt – auch durch das vorzeitige Ende der Ampelregierung im Bund – ebenfalls nicht voran.

„Die Zahlen und Fakten sind eindeutig“, sagte Baden-Württembergs Umwelt- und Energieministerin Walker gegenüber der F.A.Z. „Im Energiebereich haben wir daher bereits nachgesteuert und im Haushalt ein Programm für Wasserstoff-Elek­trolyseure aufgesetzt, das 120 Millionen Euro kostet.“ Klimaschutz sei in vielen Fällen gleichbedeutend mit Modernisierung. „Nichtstun und Weiter-so tun unserem Standort in keinem Bereich gut“, erklärte Walker.

Klimasachverständigenrat zeigt sich besorgt

Die CDU will die Prognose im Kabinett derzeit nur zur Kenntnis nehmen oder allenfalls die einzelnen Ressorts unverbindlich auffordern, die Klimaschutzbemühungen zu verstärken. Weitere, härtere Maßnahmen hält sie derzeit für nicht notwendig. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Raimund Haser, hält es für falsch, die Erfolge im Klimaschutz mit „Zahlenklauberei“ kleinzureden: „Es ist nicht Aufgabe der Politik, solche Zahlen eins zu eins zu übernehmen. Es ist unsere Aufgabe, solche Zahlen zu bewerten und dann Schlüsse daraus zu ziehen“, sagte Haser der F.A.Z. Klimaschutz bestehe für ihn zum Beispiel aus „gebauten Leitungen für das Stromnetz“; man dürfe den Bürgern nicht suggerieren, dass man nichts erreiche.

Maike Schmidt, die Vorsitzende des Klimasachverständigenrates, hält es für geboten, dass die Landesregierung weitere Maßnahmen beschließt und sich gesetzestreu verhält. Eine Verfehlung von 17 Prozent sei erheblich. „Der Klimawandel macht keine Pause, schon eine Ver­fehlung zwischen fünf und zehn Prozent wäre erheblich.“ Auch wenn die Ziele letztendlich erst 2040 erreicht werden müssen, sei es sinnvoll, Überprüfungszeiträume zu haben, „sonst haben die Ziele keine Wirkung“. Die Wissenschaftlerin am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg rechnet mit einer noch gravierenderen Zielverfehlung: „Es kann sein, dass die Senkungswirkung des Waldes, der ein Kohlenstoffspeicher ist, geringer ausfällt. Dann müssten in allen Sektoren fünf Tonnen CO2 zusätzlich eingespart werden“, sagte Schmidt der F.A.Z.

Es ist fraglich, ob Ministerpräsident Winfried Kretschmann die CDU noch zu weiteren Klimaschutzmaßnahmen bewegen kann, denn angesichts des Wahlkampfes lässt die Durchsetzungskraft des grünen Regierungschefs nach. In den vergangenen Wochen musste er das Ausscheiden seines Staatskanzleichefs verkraften und das Versagen seiner Kultusministerin Theresa Schopper einge­stehen, deren Ministerium einen mangelhaften Test für die Grundschulempfehlung („Kompass 4“) vorgelegt hatte.

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