Aber das vermeintlich verdrängte Problem wird größer und größer ....
ARD hier 22.01.2025 Von Ludger Kazmierczak, Den Haag
Gericht zwingt Regierung zu mehr Klimaschutz
Gleich zu Amtsbeginn hatte die Rechts-Regierung in den Niederlanden ein Programm zur Reduzierung von Stickstoff-Emissionen abgeschafft, um protestierende Bauern zu besänftigen. Ein Gerichtsurteil zwingt nun jedoch zum Umdenken.
Die niederländische Rechts-Regierung hätte das Thema Klimaschutz am liebsten ignoriert - allein um die Anhänger der mitregierenden Bauernpartei ruhigzustellen - doch jetzt zwingen die Richter den Staat zu handeln.
Die Regierung, so das zuständige Den Haager Gericht, müsse strengere Maßnahmen ergreifen, um den Stickstoff-Ausstoß in Naturschutzgebieten bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Andernfalls, so der vorsitzende Richter, drohe ein Bußgeld in Höhe von zehn Millionen Euro.
Regierung hatte Programm zur Reduzierung abgeschafft
Die rechte Vierer-Koalition hatte gleich zu Beginn ihrer Amtszeit ein von der Vorgängerregierung beschlossenes Programm zur Reduzierung von Stickstoff-Emissionen zurückgenommen. Der damals festgelegte Klimaschutz-Etat von 24 Milliarden Euro wurde auf fünf Milliarden zusammengestrichen.
Die rechtspopulistische Bauernpartei BBB habe die ursprünglich geplanten Umweltauflagen für Landwirte vom Tisch gefegt, ohne alternative Vorschläge zum Klimaschutz einzubringen, so das Gericht. Die dringenden Umweltinteressen wögen schwerer als die Interessen des Staates - und der Staat habe immerhin fünf Jahre Zeit, um entsprechende Maßnahmen durchzusetzen und das vorgegebene Ziel zu erreichen. Es müssten Maßnahmen ergriffen werden - und zwar sofort.
Zustand von Naturgebieten verschlechtert
Der Zustand vieler Naturgebiete in den Niederlanden hat sich in den vergangenen Jahren durch schädliche Stickstoffverbindungen kontinuierlich verschlechtert. Dazu beigetragen haben die Bauindustrie und die intensive Viehwirtschaft.
Um die Situation zu verbessern, hatte die alte Regierung geplante Bauvorhaben gestoppt und den Landwirten Auflagen gemacht. Die Proteste der Bauern gegen diese Politik verliefen nicht selten gewaltsam. Autobahnen wurden blockiert, Heuballen in Brand gesetzt und Politiker massiv bedroht.
Maßnahmen sofort ergreifen
Nun habe ein Gericht für Klarheit gesorgt, sagt Andy Palmen, der Chef von Greenpeace Nederland. Seine Organisation hatte die Klage gegen den Staat eingereicht. "Das Land liegt derzeit lahm. Wir können nicht mehr vernünftig Häuser bauen. Die Bauern wissen nicht, wie es weitergeht und fordern Klarheit", so Palmen. Das Land müsse wieder voran kommen, und deshalb müsse jetzt endlich gehandelt werden.
Beide Seiten können gegen das Urteil Berufung einlegen, was der Staat vermutlich auch machen wird. Ungeachtet dessen müssen aber schon jetzt Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden, so das Gericht.
Gerichtsurteil: Niederlande muss Stickstoffverschmutzung stärker eindämmen
Gerichtsurteil: Niederlande muss Stickstoffverschmutzung stärker eindämmen
Vor wenigen Tagen haben Greenpeace-Aktivist:innen in Davos demonstriert. Nun hat die Organisation einen Sieg vor Gericht gegen die niederländische Regierung eingefahren.
Das Landgericht Den Haag hat entschieden, dass die niederländische Regierung härtere Maßnahmen zur Bekämpfung der Stickstoffverschmutzung ergreifen muss.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat vor Gericht einen Sieg gegen die niederländische Regierung eingefahren: Das Land ist nun verpflichtet, weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Stickstoffverschmutzung zu ergreifen, wie ein niederländisches Gericht entschied.
Unzureichende Pläne der Regierung
Das Landgericht Den Haag kritisierte die unzureichenden Pläne der Regierung, gegen die Umweltbelastung vorzugehen und erklärte, dass innerhalb von fünf Jahren die Hälfte der Naturschutzgebiete des Landes nicht mehr durch Stickstoffverschmutzung aus der Landwirtschaft, der Bauwirtschaft und anderen Quellen bedroht sein dürfe.
Sollte die Regierung ihre Emissionsziele bis 2030 nicht erreichen, droht eine Geldstrafe von 10 Millionen Euro.
"Die derzeitige Regierung hat noch keine Maßnahmen angekündigt, auf deren Grundlage mit wissenschaftlicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass das gesetzliche Stickstoffziel für 2030 erreicht wird, wenn sie umgesetzt werden", erklärte Richter Jerzy Luiten. "Das Gericht wird daher eine Strafe gegen den Staat verhängen, wenn das gesetzliche Stickstoffziel für 2030 nicht erreicht wird", so der Richter weiter.
Sollte die niederländische Regierung keine ausreichenden Regulierungsmaßnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen, droht aus Sicht des Gerichtes ein Verstoß gegen EU-Recht.
Abgesägtes Programm ist bisher ohne Alternative
Das Nationale Programm für Ländliche Gebiete, das von der vorherigen Regierung erarbeitet wurde, bot eine Grundlage zur Erreichung der Umweltziele. Dieses Programm wurde jedoch von der jetzigen Regierung verworfen. Eine Alternative konnte bisher nicht erarbeitet werden.
Vergangene Woche kündigte Ministerpräsident Dick Schoof an, dass er einen Ministerausschuss einrichten werde, der Lösungen finden soll.
"Es ist definitiv ein Sieg nach Jahrzehnten der Untätigkeit. Ich denke, dieses Urteil zeigt, dass die Pläne der vorherigen Regierungen unzureichend sind, und dass sie jetzt unbedingt einen Plan vorlegen müssen", sagte Hilde Anna de Vries von Greenpeace nach der Gerichtsverhandlung.
Greenpeace hatte 2023 Anklage erhoben, nachdem die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte gescheitert war. Die Umweltorganisation stellte damals ein Maßnahmenpaket infrage, das unter anderem Aufkaufprogramme für Viehzuchtbetriebe und neue Vorschriften vorsah.
Lobbyorganisation stemmt sich gegen Urteil
Die Lobbyorganisation der Landwirte LTO fordert derweil die Regierung auf, in Berufung zu gehen.
"Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Stickstoffziele für 2030 zu erreichen, werden beispiellose Auswirkungen auf den Agrarsektor, den Wohnungsbau und die niederländische Wirtschaft insgesamt haben", sagte der Vorsitzende Ger Koopmans.
Beide Seiten haben sechs Wochen Zeit, um in Berufung zu gehen.
TAZ hier 22.1.2025 Von Jost Maurin
Urteil gegen Überdüngung in den Niederlanden
Stickstoff-Ausstoß der Landwirtschaft: Die Regierung in Den Haag tue zu wenig gegen Stickstoff-Emissionen aus der Landwirtschaft, urteilt ein Gericht. Kommen jetzt schärfere Umweltauflagen?
Die Niederlande müssen nach einem Gerichtsurteil strengere Maßnahmen zum Naturschutz ergreifen. Damit drohen Bauern in dem Land schärfere Umweltauflagen. Der Staat tue zu wenig gegen die Schädigung der Natur durch Stickstoffausstoß vor allem durch die Landwirtschaft, urteilte das nationale Zivilgericht in Den Haag am Mittwoch. Es gab einer Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace recht.
Die Regierung muss nun dafür sorgen, dass die schädlichen Emissionen von Stickstoffverbindungen in Naturschutzgebieten bis Ende 2030 um mindestens 50 Prozent reduziert werden. Das Urteil kann große Folgen haben für die intensive Viehwirtschaft und ist ein Schlag für die rechte Koalition.
Die populistische Protestpartei der Bauern BBB ist seit 2024 Teil der Koalitionsregierung und lehnt Eingriffe wie die Reduzierung des Viehbestandes vehement ab. Das Gericht erklärte die bisherigen Maßnahmen aber für unzureichend. Bis heute seien keine neuen Maßnahmen erlassen worden, nachdem ein zuvor beschlossenes Programm zur Stickstoffreduzierung gestrichen worden sei, rügten die Richter.
Der Staat hatte angeführt, dass strengere Maßnahmen unausführbar seien und große wirtschaftliche Folgen hätten. Aber das Argument ließen die Richter nicht gelten. Bereits seit Jahren sei bekannt, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten.
Ähnliches Problem in Deutschland
Andy Palmen, Direktor von Greenpeace Niederlande, sagte: „Dieses Urteil ist ein Fest für die Natur und bringt endlich Klarheit. Der Staat hat die Maßnahmen immer wieder hinausgezögert und die Gesellschaft als Ganzes sowie Landwirte und Unternehmen im Ungewissen gelassen.“
Seit Jahren verschlechtert sich der Zustand der Naturgebiete durch schädliche Stickstoffverbindungen. Hauptverursacher ist die Viehwirtschaft. Doch scheiterten Eingriffe bisher am heftigen Widerstand der Bauern. Mehrfach hatten Landwirte in den vergangenen Jahren massiv und gewaltsam gegen die Umweltauflagen protestiert – unter anderem mit Blockaden von Autobahnen.
Auch Deutschland hat ein Problem mit zu viel Stickstoffausstoß: Die Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft hatten Mitte 2024 einen alarmierenden Bericht zur Belastung von Gewässern mit der Stickstoffverbindung Nitrat durch die Agrarbranche veröffentlicht. Demnach wurde 2020 bis 2022 der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser an 25,6 Prozent der Messstellen des EU-Nitratmessnetzes überschritten. Das ist nur rund 1 Prozentpunkt weniger als von 2016 bis 2018.
Hauptursache ist, dass Landwirte im Schnitt Wissenschaftlern zufolge trotz deutlicher Verbesserungen immer noch pro Jahr und Hektar rund 80 Kilogramm Stickstoff etwa in Gülle oder Mineraldünger mehr ausbringen, als ihre Pflanzen aufnehmen. Dieser Überschuss an Pflanzennährstoff schadet Klima, Grundwasser und Artenvielfalt. Die deutschen Küstengewässer verfehlten dem Bericht zufolge erneut den „guten ökologischen Zustand“, vor allem durch zu viel Phosphor, der ebenfalls als Düngemittel genutzt wird.
hier Agrarheute Peter Laufmann, 22.01.2025
Greenpeace gewinnt: Landwirte müssen 50 Prozent weniger düngen
Die Kuh des Anstoßes: In den Niederlanden muss die Regierung den Stickstoffeintrag reduzieren.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat gegen die Regierung der Niederlande gewonnen. Die ist jetzt unter Zugzwang.
Wieder musste ein Gericht entscheiden, weil sich die Politik wenig bewegt und keine Lösung gefunden hatte. Dieses Mal geht es um Landwirte in den Niederlanden und die Frage, wie man mit Stickstoffeinträgen umgehen sollte. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte die Reduktion angemahnt und schließlich geklagt.
Heute hat ein Gericht in den Niederlanden das Urteil dazu gefällt. Das Gericht gab Greenpeace bezüglich der Umweltauflagen für Bauern beim Düngen Recht. „Die derzeitige Regierung hat noch keine Politik angekündigt, auf deren Grundlage mit wissenschaftlicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass das gesetzliche Stickstoffziel für 2030 erreicht wird“, sagte Richter Jerzy Luiten. Die Regierung ist nun gezwungen, strengere Maßnahmen zum Naturschutz zu ergreifen. Sie hatte sich bislang geweigert, zumal die Bauernpartei BBB mit in der Regierung sitzt.
Greenpeace: Urteil bringt Vorteile für Landwirte
Greenpeace ist zufrieden mit dem Urteil und sieht Vorteile auch für die Landwirte. Greenpeace-Agrarexpertin Christiane Huxdorff: "Das Urteil in den Niederlanden sorgt dort endlich für Klarheit. Der niederländische Staat hatte es immer wieder versäumt, Landwirt:innen zu unterstützen, ihre Erträge zu sichern und gleichzeitig die Natur ausreichend zu schützen.“ Mit dem Urteil gäbe es endlich Planungssicherheit für die Bauern.
Die Organisation hat schon lange mehr Einsatz für Stickstoffreduzierung gefordert. So sammelte die NGO über 100.000 Unterschriften für nachhaltige Landwirtschaft und übergaben diese dem zuständigen Parlamentsausschuss. Greenpeace stützt sich dabei auf europäische Naturschutzregeln, wonach Staaten zum Schutz der Umwelt verpflichtet sind.
Position der Landwirte
Diese Haltung stößt auf dem Land nicht unbedingt auf Gegenliebe. Die Niederlande sind schließlich ein großer Agrarexporteur. Und das hat seinen Preis: Die Umwelt ist zum Teil erheblich durch Stickstoffemissionen belastet. Dabei gilt die Viehwirtschaft durch Ammoniak-Ausstoß als Hauptverursacher.
Landwirte sehen hingegen ihre Arbeit verunglimpft und sorgen sich um ihre Zukunft. Viele sind besorgt über strengere Umweltauflagen. Sie fürchten um ihre Existenz und Erträge, wenn sie nicht mehr hinreichend düngen könnten. Kein Wunder, dass Landwirte in der Vergangenheit häufig und mitunter vehement gegen Düngeverordnungen und strengere Regeln protestiert haben. Sie wollen die Wirkung bisheriger Maßnahmen abwarten.
Emissionen um 50 Prozent reduzieren
Das Urteil jetzt kommt nicht aus heiterem Himmel. Bereits im Mai 2019 hatte das höchste niederländische Verwaltungsgericht entschieden, dass die bisherige Praxis der Kompensation von Stickstoffemissionen gegen EU-Richtlinien verstößt. Heute ist die niederländische Regierung zu strengeren Maßnahmen zum Naturschutz verdonnert worden. Das Urteil verpflichtet den Staat, Emissionen in Naturschutzgebieten bis Ende 2030 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren.
Daraufhin kündigte Premierminister Dick Schoof die Einsetzung eines Ministerausschusses an, der Lösungen erarbeiten soll. Ger Koopman, Vorsitzender der landwirtschaftlichen Interessenvertretung LTO, forderte die Regierung auf, gegen das Urteil Berufung einzulegen und wies auf die weitreichenden Folgen für den Agrarsektor, den Wohnungsbau und die niederländische Wirtschaft hin.
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