Focus hier 19.1.25
Bild: hier eventure.de
Riesiges Potenzial - Jetzt beginnt die grüne Bau-RevolutionNoch wird beim Bau viel Kohlendioxid produziert. Das könnte sich schon bald ändern, prognostizieren Forscherinnen und Forscher: Das grüne Bauen ist im Kommen. Ein deutscher Konzern tüftelt bereits seit Jahren an Lösungen.
Die Bauwirtschaft könnte künftig eine bedeutende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Verschiedene Techniken, die CO2 aus der Atmosphäre ziehen und in den Gebäuden einlagern, stellt eine Studie im Fachjournal „Science“ vor. Mehrere Unternehmen weltweit haben der Studie zufolge bereits mit entsprechenden Pilotprojekten oder der Produktion begonnen. Ein deutscher Baukonzern hat dafür einen Preis erhalten.
Die Produktion von Beton, Asphalt und anderen Baumaterialien habe weltweit gesehen das Potenzial, jährlich theoretisch rund 17 Milliarden Tonnen CO2 zu speichern, schreibt das Team um Elisabeth Van Roijen von der University of California in Davis. Das ist knapp die Hälfte der CO2-Emissionen, die weltweit durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entstehen.
Bis zur kompletten Umsetzung sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Zudem wird nicht nur bei der Produktion bisheriger Baumaterialien CO2 frei, sondern auch bei der Herstellung der neuen Ersatzstoffe.
Kleiner Einsatz, große Wirkung
„Wenn es machbar ist, könnte ein wenig Speicherung in Beton sehr viel bewirken“, sagt jedoch Mitautorin Sabbie Miller von derselben Universität. Könnten nur zehn Prozent der weltweit produzierten sogenannten Zuschlagstoffe im Beton mit der neuen Technik hergestellt werden, bedeutet das nach Berechnungen des Teams die Aufnahme von einer Milliarde Tonnen CO2 pro Jahr. Laut UN-Umweltprogramm Unep führten die Herstellung, der Transport und die Verwendung aller Baumaterialien für Gebäude 2019 zu Emissionen von etwa 3,5 Milliarden Tonnen CO2.
Das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad, zumindest aber bei unter 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen, erscheint vielen Forschenden ohne CO2-Entzug aus der Atmosphäre nicht oder kaum erreichbar - selbst mit ihnen ist ein Erfolg fraglich. Bislang werden jedoch nur winzige Mengen aus der Atmosphäre entzogen und im Boden gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS), was teuer ist. Das Team um Van Roijen stellt eine weitere Möglichkeit vor, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen: Dazu seien Beton, Ziegel, Asphalt, Bio-Kunststoffe und Holz wegen ihrer Langlebigkeit und der Produktionsmengen besonders geeignet.
„Man muss vorsichtig sein“
Nach Angaben der Studie könnten allein Zusätze im Beton und Asphalt wie bestimmte Mineralien oder bearbeitete Industrieabfälle jährlich weltweit rund 11,5 Milliarden Tonnen CO2 festsetzen. Bei dem Verfahren werden beispielsweise Kalzium- und Magnesium-reiche Mineralien oder Industrieabfälle unter Aufnahme von CO2 in Karbonate umgewandelt (karbonatisiert). Diese werden dann dem Beton oder Asphalt als sogenannte Zuschlagstoffe zugesetzt. Potenzielle Ausgangsstoffe seien unter anderem Rotschlamm aus der Gewinnung von Aluminium, Hochofenschlacke aus der Erzeugung von Roheisen, Stahlschlacke, Bergwerksrückstände, Zementofenstaub und Asche aus der Kohleverbrennung. Auch Bestandteile von Altbeton könnten genutzt werden.
Die Studie sei plausibel, sagt Volker Thome vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, verweist aber zugleich auf Gefahren der Technik. „Man muss vorsichtig sein, damit der Säuregrad etwa im Stahlbeton dabei nicht zu sehr steigt und er damit korrosionsanfällig wird.“ Zudem sei das Verfahren in Deutschland durch kleine oder rückläufige Mengen an Ausgangsmaterialien wie Hochofenschlacken und Flugaschen eingeschränkt, in China gebe es dagegen genug davon.
Altbeton werde hierzulande bereits für Straßenunterbauten karbonatisiert. „Da sehen wir auch den größten Forschungsbedarf, in der Entwicklung von weiteren schnellen Karbonatisierungsverfahren für Altbetone“, führt Thome aus.
Auch deutsches Unternehmen ist dabei
HeidelbergCement (heute Heidelberg Materials) hat für ein Verfahren zur Verwertung von Altbeton 2022 den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt (IKU) erhalten.
Das Unternehmen zerkleinert Altbeton und trennt ihn in seine Bestandteile Sand, Kies und Zementstein. Letzterer kann CO2 aufnehmen und speichern und als Rohstoff bei der Zementproduktion dienen. Dadurch wird für den neuen Zement zudem weniger Kalk benötigt, was wiederum CO2 einspart. Eine entsprechende Anlage zur Rückgewinnung von Betonbestandteilen hat der Konzern 2024 in Polen in Betrieb genommen.
Das Team um Van Roijen berechnete das jährliche Speicherpotenzial von Baumaterialien basierend auf Werten von 2016 - das sei das jüngste Jahr mit verfügbaren Daten für alle Materialien. Dabei ging es auch um Ziegel, die Biofasern aus Abfallprodukten der Landwirtschaft und andere CO2-sparende Rohstoffe enthalten könnten. Für Holz und pflanzenbasierte Kunststoffe allein ergab sich aufgrund der kleinen zum Bau genutzten Menge global gesehen ein relativ geringer Anteil der berechneten potenziellen CO2-Aufnahme.
Bei Zement, einem Bestandteil von Beton, könne 15 Prozent durch Biokohle ersetzt werden. „Die aktuelle Produktion und Nutzung von Biokohle ist jedoch sehr begrenzt“, schränkt das Team ein. „Im Jahr 2021 wurden rund 0,4 Millionen Tonnen Biokohle produziert, während die von uns modellierte Kohlenstoffspeicherung 600 Millionen Tonnen erfordern würde.“
Ist das alles langfristig stabil?
Vor dem global breiten Einsatz der neuen Materialien muss noch viel erforscht werden, insbesondere auch die Stabilität und Dauerhaftigkeit der daraus gefertigten Bauteile. In der Studie wurden vor allem Kalziumkarbonat und Magnesiumkarbonat als Zuschlagstoffe für Beton betrachtet. Nach Ergebnissen anderer Studien sei davon auszugehen, dass damit produzierter Beton zunächst ähnlich stabil sei wie der herkömmliche, so Van Roijen. Nötig seien jedoch weitere Langzeittests zur Lebensdauer der damit gefertigten Bauteile.
„Trotz jüngster Fortschritte in der Industrie gibt es noch eine Reihe von Hindernissen für die Erreichung der von uns ermittelten theoretischen Kohlenstoffspeichermengen“, schreibt das Team in der Studie. So seien konventionelle Baumaterialien oft billiger. Ein weiteres Hindernis sind laut Studie mögliche Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Materialversagen.
Das Team schlägt vor, die neuen Baumaterialien zunächst für Isolierungen, Bodenbeläge und Pflasterungen zu testen, die keine so hohe statische Belastung haben wie etwa Wände, jedoch einen erheblichen Anteil der gebauten Umwelt ausmachten.
„Praktikable Methode zu vernünftigen Kosten“
Die Studie betrachte ausschließlich das CO2-Speicherpotenzial und keine weiteren CO2-Emissionen, die während der Gewinnung und Verarbeitung der neuen Materialien entstehen könnten, räumt Van Roijen ein, so falle das CO2-Speicherpotenzial netto gesehen etwas geringer aus als errechnet. Es sei jedoch zu beachten, dass bei einer globalen Umsetzung dieser Technologien theoretisch mehr CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden könne, als erforderlich sei, um die Ziele im Pariser Abkommen einzuhalten. So gebe es einen großen Puffer.
Eine zentrale Herausforderung für den globalen Einsatz der Technik sei die verfügbare Menge der dazu nötigen Mineralien, die Magnesium, Eisen oder Kalzium enthalten, schreibt Christopher Bataille von der Columbia University in New York in einem „Science“-Kommentar. Eine weitere Hürde sei der hohe Energiebedarf bei ihrer Gewinnung.
Für eine erfolgreiche Einführung der Baumaterialien auf dem Markt seien auf nationaler und regionaler Ebene neue finanzielle Anreize und Vorschriften erforderlich, betont Bataille. „Dennoch könnte die Verwendung von CO2-speichernden Baumaterialien bei angemessener Anreizschaffung und Überwachung eine praktikable Methode zur CO2-Entfernung im Milliarden-Tonnen-Maßstab zu vernünftigen Kosten bieten.“
hier RND 19.1.25
Nachhaltig bauen: Wie neue Materialien CO₂ einsparen sollen
Die Bauwirtschaft könnte künftig eine bedeutende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Verschiedene Techniken, die CO₂ aus der Atmosphäre ziehen und in den Gebäuden einlagern, stellt eine Studie im Fachjournal „Science“ vor. Mehrere Unternehmen weltweit haben der Studie zufolge bereits mit entsprechenden Pilotprojekten oder der Produktion begonnen. Ein deutscher Baukonzern hat dafür einen Preis erhalten.
Die Produktion von Beton, Asphalt und anderen Baumaterialien habe weltweit gesehen das Potenzial, jährlich theoretisch rund 17 Milliarden Tonnen CO₂ zu speichern, schreibt das Team um Elisabeth Van Roijen von der University of California in Davis. Das ist knapp die Hälfte der CO₂-Emissionen, die weltweit durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entstehen. Bis zur kompletten Umsetzung sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Zudem wird nicht nur bei der Produktion bisheriger Baumaterialien CO₂ frei, sondern auch bei der Herstellung der neuen Ersatzstoffe.....
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