hier 23. Januar 2025 | Luise Strothmann,leitet den Zukunftsteil der wochentaz.
Solarboom: Diese Energiewende bekommen die Rechten nicht kaputtTrump ist wieder Präsident, aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen und will mehr Öl und Gas fordern. Für den Klimaschutz sind das sehr schlechte Nachrichten. Aber es gibt auch Entwicklungen nach vorn, die mit solcher Wucht rollen, dass kein US-Präsident und auch niemand sonst sie wieder zurückdrehen kann.
Ja, wir werden noch über Trump sprechen müssen. Aber diesen ersten Absatz bekommt er von mir nicht! Den bekommt ein besonders hoffnungsvoller Gedanke. Einer, der kein bloßes Flimmern am Horizont ist; kein winziges Pflänzchen, das vielleicht später mal groß werden könnte. Er ist eher eine Lawine, die mit solcher Kraft rollt, dass niemand sie mehr aufhalten kann.
Der Solarboom.
Solarkraft boomt weltweit, das weißt du wahrscheinlich bereits. Aber weißt du es wirklich?
Die genauen Zahlen für 2024 wird es erst bald geben, bisher gibt es Hochrechnungen. Eine gute Quelle ist etwa der Energie-Thinktank Ember. Er hat im vergangenen Herbst berechnet, dass im Jahr 2024 wahrscheinlich 593 Gigawatt neue Solarleistung installiert werden. Das sind 29 Prozent mehr als 2023.
Aber jetzt kommt’s: 2023 war ja schon das Jahr, in dem der Solarausbau weltweit komplett explodierte und eine unglaubliche Steigerung von 87 Prozent im Vergleich zu 2022 hinlegte. Und dieser supersteile Ausbau wird nun nochmals um fast ein Drittel übertroffen!
Der Physiker und IPCC-Autor Felix Creutzig hatte gemeinsam mit Kollegen schon 2017 eine Studie im Fachmagazin Nature Energy veröffentlicht, in der er analysierte, wie stark viele Szenarien, auch vom Weltklimarat, das Potenzial der Solarenergie für die grüne Transformation systematisch unterschätzten. Im Rückblick sei es dreimal größer als angenommen. Die Kosten seien einfach viel schneller gefallen und der Ausbau viel schneller vorangegangen, als selbst die optimistischsten Prognosen angenommen hätten, resümierten die Forscher damals. Das war 2017.
Und immer noch übertrifft der Solarboom die Erwartungen. Sollten sich die oben genannten Ausbauzahlen von 593 Gigawatt für 2024 so bestätigen, dann wären das über 200 Gigawatt mehr, als die Internationale Energieagentur IEA im Januar 2024 für das Jahr vorausgesagt hatte.
Natürlich wissen wir alle, dass mit der Stromwende noch kein weltweiter Klimaschutz erreicht ist. Schließlich haben wir noch die Gebäude, den Verkehr, die Landwirtschaft, die Industrie … Allerdings wird es auch dort in immer mehr Bereichen, die bisher nicht elektrisch funktionieren, in Zukunft auf Strom ankommen – einfaches Beispiel: E-Autos. Deswegen lautet ja auch ein Slogan des grünen Umbaus: Electrify Everything. (Ich würde im Sinne des Degrowth-Ansatzes ergänzen: Electrify what we really need and let go everything else.)
Fakten, die beruhigen
Deswegen nochmal: Wir haben mit Photovoltaik die wahrscheinlich günstigste Stromquelle erfunden, die die Welt je hatte (Onshore-Windkraft spielt auch noch mit in dieser Liga). Kostete eine mit Photovoltaik gewonnene Megawattstunde Strom 2010 im globalen Durchschnitt noch etwa 445 US-Dollar, waren es 2022 nur noch 49 US-Dollar.
Ja, der Solarboom ist vor allem auf China zurückzuführen, das 2023 für über 50 Prozent des weltweiten Ausbaus verantwortlich war. Und natürlich rettet Solarkraft uns nicht allein, sondern nur im Mix mit anderen Energien und Technologien. Der hohe Photovoltaik-Anteil stellt die Netze vor große Herausforderungen. Aber auch zum Beispiel über die Entwicklung der Speichertechnologien könnte man einen ähnlichen Text wie diesen schreiben.
Das waren jetzt richtig viele Zahlen, also kurz mal durchatmen.
Mich aber beruhigt der Blick auf solche Fakten ein wenig, wenn ich in dieser Woche Donald Trump zuhöre. (Ja, er bekommt jetzt doch noch seinen Teil, aber es geht schnell!) Wenn ich höre, wie ein Saal von Menschen jubelt, weil er unterschreibt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Wenn ich höre, dass er die Öl- und Gasförderung wieder ankurbeln will und wird.
Aktivismus statt LNG-Industrie
In der wochentaz, die Samstag erscheint, könnt ihr eine Reportage aus Texas lesen von Menschen, die lange dort selbst in der Flüssiggas-Industrie gearbeitet haben – und nun gegen sie kämpfen. Wie Manning Rollerson, er ist 62 Jahre alt und lebt in Freeport, einer Industriestadt an der Golfküste von Texas.
Seine Mutter und viele seiner Freund*innen sind an Krebs gestorben. Seine fünf Kinder mussten häufig wegen Atemwegskrankheiten in die Klinik. Heute leiden seine 27 Enkelkinder an den gleichen Symptomen. Laut einer Studie des texanischen Gesundheitsministeriums ist die Krebsrate in Freeport signifikant höher als im US-Durchschnitt. All das hat Manning Rollerson zum Aktivisten gemacht.
Dasselbe Texas, dieser republikanisch, ja erzkonservativ regierte Ölstaat ist auch: das Zentrum des Photovoltaikbooms in den USA. Laut Zahlen der American Clean Power Association hat Texas Mitte 2024 zum ersten Mal Kalifornien als Top-Solarstaat abgelöst.
Sonne zu Strom zu machen, ist physikalisch und ökonomisch eine viel zu gut funktionierende Idee. Diese Energiewende kriegen die Rechten nicht kaputt. Kein Donald Trump, keine Alice Weidel, niemand.
Trumps Kommunikationsstrategie will Überforderung erreichen. Alle Kommunikationskanäle fluten. Dutzende Dekrete, dutzende Themen, in kürzester Zeit. Bis wir mutlos werden.
Aber diesen Gefallen tun wir ihm nicht.
Luise Strothmann
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