RND hier auch zum Anhören von Barbara Barkhausen 09.01.2025
Lake Pedder: Vom versunkenen Naturwunder zur Chance auf weltweite Wiederherstellung von ÖkosystemenLake Pedder auf Tasmanien: Australien kämpft um versunkenes Naturwunder
Wer Australien besucht, will das größte Korallenriff der Erde sehen, das Great Barrier Reef, und den Uluru, den berühmten roten Inselberg, der aus dem sonst so flachen Outback ragt. Vor rund 50 Jahren gab es jedoch noch ein drittes, heute weitgehend vergessenes Wahrzeichen – den Lake Pedder.
Bis 1972 war der Lake Pedder auf Tasmanien eines der spektakulärsten Naturwunder Australiens: Das Überbleibsel eines Gletschersees – mit einem Strand aus rosafarbenem Quarzit – ein Alpensee inmitten einer urzeitlichen Gebirgskette, entstanden vor rund einer Million Jahren.
Irreal schöner See
„Spektakulär wild“ sei der See gewesen, schrieb Benjamin Richardson, Professor für Umweltrecht an der University of Tasmania, in einem wissenschaftlichen Aufsatz über den See. Abgelegen in der Wildnis Tasmaniens mussten Buschwanderer und Touristen einst Kleinflugzeuge chartern, um den irreal schönen See zu sehen. Doch anstatt dieses australische Wahrzeichen für die Nachwelt zu schützen, wurde es vor etwas über 50 Jahren gezielt für ein Wasserkraftprojekt überschwemmt. Der fast zehn Quadratkilometer große See wurde in einen Stausee mit einer Fläche von heute fast 250 Quadratkilometern verwandelt. „Dadurch wurde die umliegende Wildnis – die heute zum Weltkulturerbe Tasmaniens gehört – geschädigt“, so Richardson.
Der umstrittene Schritt habe landesweite Empörung ausgelöst, berichtete der Umweltrechtler weiter. Um den See zu retten, wurde am 23. März 1972 die United Tasmania Group (UTG) gegründet. Die Partei war der Vorläufer der australischen Grünen und der Auslöser für zahlreiche weitere grün orientierte politische Parteien weltweit, darunter in Neuseeland und in der Schweiz.
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Risiko als Chance
Nach mehr als einem halben Jahrhundert sehen Umweltschützer und Umweltschützerinnen inzwischen jedoch eine Chance, den See „wiederauferstehen“ zu lassen und ihn zum dritten großen Tourismusmagneten Australiens neben dem Great Barrier Reef und dem Uluru zu machen. Grund ist, dass zwei der insgesamt drei Dämme, die die gesamte Wasserfläche halten, laut Christine Milne, einer ehemaligen Vorsitzenden der australischen Grünen, die derzeit die Kampagne zur Wiederherstellung des Lake Pedder leitet, als „Hochrisiko“ eingestuft werden. Das heißt, sie stellen eine Gefahr für die flussabwärts gelegenen Gemeinden dar.
Zwar möchte die tasmanische Regierung die Dämme lieber reparieren und ihre Lebensdauer bis 2103, also weitere 80 Jahre, verlängern, doch die Umweltaktivisten halten mit schlagkräftigen Argumenten dagegen. Sie sehen eine einmalige Chance zur Wiederherstellung des degradierten Ökosystems – etwas, zu dem die Vereinten Nationen aufgerufen haben: Sie haben den Zeitraum von 2021 bis 2030 zum Jahrzehnt der Wiederherstellung von Ökosystemen erklärt und Projekte zur Wiederaufforstung von Wäldern, zur Entfernung von Dämmen, zur Sanierung von Feuchtgebieten und mehr gefordert, eine Botschaft, die auch die Glasgower Klimakonferenz 2021 bekräftigte. Laut Milne könnte Australien den Lake Pedder als ein solches Projekt nominieren.
„Zieht den Stöpsel“
Auch der Experte Richardson bestätigt, dass eine Wiederherstellung des Sees von Erfolg gekrönt sein könnte. Obwohl es vermutlich mehrere Jahrzehnte dauern würde, bis die ursprünglichen Ökosysteme wieder aufblühten, so würden die wichtigsten geomorphologischen Merkmale wie der berühmte Strand des Sees sehr schnell wieder zurückkehren, meinte er. Auf Tasmanien kämpfen Milne und ihr Team deswegen lautstark um das versunkene Naturwunder. Im vergangenen Jahr marschierten sie mit einem 70 Quadratmeter großen Banner mit den Worten „Pull the Plug“ auf, was so viel bedeutet wie „Zieht den Stöpsel“ – eine Aktion, an der sich auch zahlreiche sehr junge Australierinnen und Australier beteiligten. „Die Aufgabe, Ökosysteme wiederherzustellen, fällt meiner Generation zu“, sagte Georgina Kelman, eine 20-jährige Freiwillige der „Restore Lake Pedder“-Kampagne. Könne der Lake Pedder „wiederbelebt“ werden und zu seinem früheren Glanz zurückkehren, so würde dies ihrer Meinung nach „eine notwendige und kraftvolle Bewegung zur Umgestaltung von Landschaften“ weltweit in Gang setzen.
hier NZZ Win Schumacher 10.01.2025
Rückkehr ins Jahr 1616: Eine Insel ganz im Westen Australiens soll zur Arche Noah werden
Rückkehr ins Jahr 1616: Eine Insel ganz im Westen Australiens soll zur Arche Noah werden
Als die Europäer Wirruwana besiedelten, zerstörten sie die Artenvielfalt. Heute verwandelt eine Familie die Insel mit ihren seltenen Kängurus und Kleinbeutlern zurück in das ozeanische Paradies, das die Entdecker einst erlebten.
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Dirk Hartog Island oder Wirruwana, wie die Ureinwohner die grösste Insel vor der westaustralischen Korallenküste nennen, ist in den letzten Jahren nicht nur für rare Kängurus zum Zufluchtsort geworden. «Als ich ein Kind war, gab es auf der ganzen Insel keine Beuteltiere mehr», sagt Wardle, während er seinen Geländewagen über die Sandpisten der nächtlichen Insel steuert, «jetzt aber sehen wir zunehmend mehr von ihnen. Vor allem in der Nacht. Es ist aufregend, wie sich der Ort gerade verändert.»
Europäische Katzen jagten australische Kleinbeutler
Die Ankunft der Europäer in Australien hatte verheerende Auswirkungen auf die einheimische Tierwelt. Vorher gab es nur wenige Raubtiere, die den Zottel-Hasenkängurus und anderen kleinen Beuteltieren gefährlich werden konnten. Doch mit der Einführung von Katzen, Füchsen und Mardern durch die Europäer wurden die Kleinbeutler zur leichten Beute. Wildkaninchen und Weidetiere konkurrierten zudem um Nahrung und zerstörten ihren Lebensraum. Auch auf der Insel Wirruwana, die 1616 von dem Niederländer Dirk Hartog entdeckt und nach ihm benannt wurde, hatte die europäische Besiedlung verheerende Folgen. Obwohl die Insel erst viel später für Schaffarmen erschlossen wurde, war die Tierwelt bereits nach wenigen Jahrzehnten stark dezimiert. Zehn der einst einheimischen Landsäuger-Arten wurden ausgerottet.
Bereits seit 1991 gehört Wirruwana zum Welterbe Shark Bay. 2009 wurde die Insel zum Nationalpark erklärt und anschliessend das Arche-Noah-Projekt «Return to 1616» ins Leben gerufen. Zum Schutz der einheimischen Fauna und Flora entschieden Naturschützer, auf der grössten Insel Westaustraliens bis 2017 Tausende Schafe und Ziegen auszuschiffen oder zu erlegen und bis 2018 sämtliche verwilderte Katzen auszurotten.
Inzwischen wurden neun der Tierarten wieder angesiedelt, die vor der Ankunft der Europäer auf der Insel zu Hause waren. Darunter der Streifen-Langnasenbeutler, das Bürstenschwanz-Rattenkänguru, die Sprenkelbeutelmaus und der Strichelgrasschlüpfer, ein äusserst seltener Singvogel aus der Familie der Staffelschwänze.
Als letzte Art soll der Schwarzschwanz-Beutelmarder folgen. Vor Ankunft der Europäer stand der Kleinräuber auf Dirk Hartog am Ende der Nahrungskette. Wenn er zurückkehrt, schliesst sich ein seit Jahrhunderten unterbrochener Kreislauf. «Schon jetzt kann man sogar auf Google Earth sehen, wie sich die Vegetation verändert hat, seit die Schafe weg sind», sagt Wardle.
....Die Australier wollen das Artensterben auf ihrem Kontinent stoppen.
«Schon mein Urgrossvater versuchte nach 1969, hier wieder Wallabys anzusiedeln», sagt Wardle. «Er interessierte sich bereits damals für den Naturschutz.» Das Projekt «Return to 1616» startete, als Wardles Eltern, Kieran und Tory, die Schaffarm der Familie aufgaben, um mit Naturschützern und Behörden in Westaustralien zusammenzuarbeiten. Sie wollten die frühere Artenvielfalt wiederherstellen und den Ökotourismus auf der Insel fördern. Dies war der erste langfristige Erfolg bei der Wiederansiedlung einst heimischer Arten.
Die Wardles führen heute die Dirk Hartog Eco Lodge, die einzige Unterkunft auf Wirruwana. Camping ist auf ausgewiesenen Stellplätzen möglich, es dürfen jedoch nie mehr als zwanzig Allradfahrzeuge gleichzeitig auf der 630 Quadratkilometer grossen Insel unterwegs sein. ...
Hotspot, um selten gewordene Meerestiere zu sichten
Der Shark-Bay-Meeresnationalpark, insbesondere Wirruwana und die umliegenden Riffe und Seegraswiesen, bieten Schutz und Zuflucht für gefährdete Meeresbewohner wie Wale, Delfine, Meeresschildkröten, Mantarochen sowie 300 Fisch- und darunter allein 28 Haiarten. Besonders bekannt ist die Region für ihre bedeutende Population von Gabelschwanzseekühen, von denen hier mehr als zehntausend Exemplare leben sollen. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem man so gute Chancen hat, mehrere vom Aussterben bedrohte Meerestierarten zu beobachten......
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