Montag, 6. Januar 2025

Will die EU auf den Zustrom von billigen Erzeugnissen für seine Klimawende wirklich verzichten?

Standard  hier  András Szigetvari  3. Jänner 2025

Wie China Europas Klimapolitik beeinflusst

Ungesehene Chance: Die EU setzt zunehmend auf Abschottung gegenüber der Volksrepublik, etwa bei E-Autos. Dabei ist das in vielen Sektoren weder machbar noch ökonomisch vernünftig

Vorhersagen zu wollen, welche Politik Donald Trump in den kommenden vier Jahren als US-Präsident verfolgen wird, ist ein sinnloses Unterfangen. Der Republikaner agierte in seiner ersten Amtszeit erratisch, vollzog einige rasante Kehrtwenden. Manchmal kündigte er großspurig etwas an, tat aber keine 24 Stunden später das genaue Gegenteil. In seiner ersten Amtszeit erklärte er die Nato für überflüssig, um dann zu betonen, wie wichtig sie sei. Seine Administration wollte zehntausende ausländische Studierende aus dem Land werfen, machte dann aber einen plötzlichen Rückzieher.

Als sicher gilt, dass Trump auf Zölle setzen wird und sich internationale Handelskonflikte unter seiner Führung verschärfen werden: So hat er im Wahlkampf angekündigt, Einfuhren aus China zusätzlich mit einem 60-prozentigen Zoll belegen zu wollen. Dieses Vorhaben sorgt schon jetzt für Unruhe, nicht nur in China, sondern vor allem in Europa.

Wettstreit der Systeme

China ist heute der weltgrößte Exporteur von Waren, allein heuer dürften die Chinesen einen Rekordüberschuss bei Ausfuhren in Höhe von 1000 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. In Brüssel wird es dabei als zusehends problematisch für die Wirtschaft in Europa angesehen, dass China nicht mehr bloß billige Elektronik, Spielzeug und Textilien nach Europa verschifft, sondern europäischen Unternehmen immer mehr mit E-Autos und Maschinen Konkurrenz macht. Dabei wirft China viele seiner Produkte zu Schleuderpreisen auf den Markt. So zumindest wird das in Europa gesehen. Seit Ende Oktober sind in der EU deshalb zusätzlich Einfuhrzölle auf chinesische E-Autos in Höhe von bis zu 35,3 Prozent in Kraft. Diese Tarife kommen zu einem schon bestehenden zehnprozentigen Zoll dazu. Die EU prüft darüber hinaus Beschränkungen beim vergleichsweise noch unbedeutenden Import von Windturbinen aus China, selbiges gilt für diverse Stahlerzeugnisse. Die EU-Kommission und viele führende Ökonomen argumentieren, dass Chinas massive Investitionen in seine industriellen Fähigkeiten und eine schwächelnde Inlandsnachfrage dazu geführt hätten, dass das Land über große Überkapazitäten verfüge. Viele Industriebetriebe laufen auf halber Auslastung und produzieren dennoch mehr, als in China nachgefragt wird. Die Folge: Die chinesischen Konzerne drängen mit Produkten auf die Weltmärkte und versuchen, Marktanteile zu gewinnen, indem sie Rabatte anbieten. Diese Politik sei auch eine gezielte Strategie, um Konkurrenten zu schaden, schließlich laufe ein Wettstreit der Systeme, so ein Vorwurf.

Wenn chinesische Ausfuhren in die USA verteuert werden, lässt sich ausrechnen, dass Chinas Industrie noch stärker versuchen wird, seine Produkte in Europas abzusetzen. Wenn die Europäer darauf mit Abwehrmaßnahmen reagieren, dürfte sich der Handelskonflikt weiter verschärfen. Der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, rät den Europäern angesichts dieser Konstellation bereits dazu, eine Seite zu wählen: Aus seiner Sicht könne das nur jene der USA sein. Dagegen gelte es, sich von China abzukoppeln. "De-Risking" ist das Schlagwort. Diese Sichtweise übersieht jedoch, dass das in vielen Bereichen kaum durchführbar sein wird: "China ist einfach zu weit voraus, und sein Vorsprung bei kritischen Mineralien und Solarenergie ist zu groß, als dass eine sinnvolle Abkopplung noch in diesem Jahrzehnt möglich wäre", schreibt Henry Sanderson, der den Datendienstleister Benchmark Mineral Intelligence leitet, im Magazin Foreign Affairs. Und er zählt auf: Das mengenmäßig wichtigste Material, das in Batterien für Elektrofahrzeuge verwendet wird, ist Graphit. Mehr als 90 Prozent des in solchen Batterien verwendeten Typs werden in China hergestellt. China verarbeitet auch mehr als 90 Prozent des Mangans für Batterien, eines weiteren essenziellen Rohstoffs. Das Land ist auch der mit Abstand größte Erzeuger von Polysilizium für Solarzellen. Gut 80 Prozent der globalen Produktion dieses wichtigsten Rohstoffs für Solarzellen finden in China statt. Diese Liste ließe sich verlängern, weshalb Sanderson De-Risiking vor allem im Bereich grüner Technologien für ein sinnloses Unterfangen hält.

Aber es geht gar nicht nur darum, dass Chinas Produkte oft nur schwer zu ersetzen sind. Das Land liefert zunehmend jene Industriegüter, die für die grüne Transformation notwendig sind – und das oft zu billigeren Preisen. Eine Kombination von Faktoren – die erwähnten Überkapazitäten, aber auch günstige Rohstoffe und zunehmende Massenproduktion – hat dafür gesorgt, dass viele Produkte, die für die Klima- und Energiewende entscheidend sind, immer billiger werden. Die Preise für Lithium-Eisenphosphat-Akkus, die besonders häufig in E-Autos eingesetzt werden, sind im vergangenen Jahr laut Bloomberg NEF, einem Datendienstleister, um 50 Prozent gesunken. Eine Folge davon ist, dass laut Bloomberg zwei Drittel der E-Autos in China inzwischen günstiger angeboten werden als vergleichbare Verbrenner. Die Kosten für Batterien sind die Hauptkomponente bei Elektrofahrzeugen und werden auch zunehmend bei der Speicherung von Energie eingesetzt, einem boomenden Zukunftsfeld. Die Preise für chinesische Solarmodule sind im vergangenen Jahr um 40 Prozent gesunken, schreibt das Centre for Research on Energy and Clean Air, ein finnischer Thinktank.

Der beschleunigte Ausbau der Solarenergie in Europa geht zu einem guten Teil auf diesen Preisverfall zurück. Chinesische Unternehmen drängen auch in den Markt für Windturbinen, zum Teil, indem sie günstige Finanzierungsbedingungen anbieten. Auch diese Praktiken prüft die EU-Kommission gerade. Die große Frage lautet, ob die EU auf den Zustrom von billigen Erzeugnissen für seine Klimawende wirklich verzichten will. Bisher werden diese Argumente weggewischt, es dominieren die Ängste vor negativen wirtschaftlichen Konsequenzen einer chinesischen Produktschwemme, etwa in der Automobilindustrie. Die Angst ist nicht unverständlich, weil China schon in einigen Feldern technologisch weit ist oder sogar vorn liegt.

Worauf können wir verzichten?

Dabei ist die Wahrheit doch die: In einigen Sektoren hat Europa den Wettlauf schon verloren, 98 Prozent der Solarzellen in der EU kommen aus China. Das lässt sich nicht mehr aufholen. In anderen Bereichen wird man dem Wettstreit der besseren Produkte und Dienstleistungen mit Zöllen und protektionistischen Maßnahmen nicht aus dem Weg gehen können, zumindest können das jene Unternehmen nicht, die den Anspruch haben, global erfolgreich zu sein. China ist der mit Abstand größte Automarkt der Welt. Wenn VW ein "Weltauto" bleiben will, muss der Konzern ohnehin die besseren und günstigeren E-Autos bauen, um sie in China verkaufen zu können. 

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