Wie schön dass es womöglich natürliche Quellen für Wasserstoff gibt - nur: wenn es durch Fracking-ähnliches Vorgehen gewonnen wird mit all seinen Gefahren. Wollen wir das wirklich?
Zeit hier 19. Januar 2025 Quelle: dpa Nordrhein-Westfalen
Klimaneutrale Wirtschaft: Wasserstoff für die Klimawende - Woher soll er kommen?Klimaneutrale Wirtschaft: Im künftigen Wirtschaftssystem soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Mehr als die Hälfte des Bedarfs soll importiert werden.
Bild: ARD
In einem klimaneutralen Wirtschaftssystem soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. CO2-neutral erzeugt soll das Gas etwa in neuen Gaskraftwerken Strom erzeugen, wenn nicht genug Wind- und Sonnenstrom da ist. In Hochöfen zur Stahlherstellung soll Wasserstoff anstelle von Koks zum Einsatz kommen und so riesige Mengen Kohlendioxid vermeiden. Benötigt werden große Mengen. Doch woher sollen sie kommen?
Flugbenzin – aber aus CO₂
Jüngst hatte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz das Thema angesprochen, als er vor Betriebsräten in Bochum Zweifel an einem zügigen Systemwechsel in der Stahlwirtschaft äußerte. «Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird. Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Den haben wir nicht», sagte er.
Pläne für eine starke Ausweitung von Herstellung und Import von Wasserstoff gibt es gleichwohl schon länger. Ein Überblick.
Wird in Deutschland schon jetzt Wasserstoff gebraucht?
Ja, und zwar nicht zu knapp. Verbraucht werden laut Nationaler Wasserstoffstrategie (NWS) jährlich rund 1,65 Millionen Tonnen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von rund 55 Terawattstunden vor allem von der chemischen Industrie.
Wie wird er hergestellt?
Gewonnen wird er bisher überwiegend aus Methan, also dem Hauptbestandteil von fossilem Erdgas. Dabei fällt das Treibhausgas Kohlendioxid an. Auf diese Weise hergestellter Wasserstoff wird oft als «grau» bezeichnet.
Wie viel wird in Zukunft benötigt?
Die jüngste Fassung der Wasserstoffstrategie nimmt für das Jahr 2030 einen zusätzlichen Wasserstoffbedarf zwischen 40 bis 75 Terawattstunden an. Zusammen mit dem aktuellen Bedarf ergibt sich daraus ein Gesamtbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden. Enthalten sind darin auch Wasserstoffverbindungen wie beispielsweise Ammoniak oder Methanol.
Energieexpertin Dana Kirchem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält den angenommenen Bedarf für plausibel: «Die Bedarfsschätzung für 2030 in der NWS deckt sich mit den Einschätzungen zentraler Szenarienstudien», sagt sie.
Woher soll dieser Wasserstoff kommen?
Zu einem großen Teil aus dem Ausland. 2030 müssen laut Strategie 50 bis 70 Prozent importiert werden. Der Wasserstoff und die Wasserstoffverbindungen sollen dort produziert werden, wo viel Sonnen- und Windstrom verfügbar ist, etwa auf See oder in sonnenreichen Regionen. Mit Pipelines und Schiffen soll der Wasserstoff dann nach Deutschland kommen.
Der Rest soll im Inland produziert werden, vor allem in großen Anlagen, sogenannten Elektrolyseuren. Darin wird Wasser mit Hilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Kommen dabei erneuerbare Energien zum Einsatz, wird der Wasserstoff «grün» genannt. Die NWS nennt als Ziel für das Jahr 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 10.000 Megawatt (= 10 Gigawatt).
Wie realistisch ist das Ziel für die heimische Elektrolyse?
Laut Elektrolyse-Monitor sind derzeit knapp 154 Megawatt Elektrolyseleistung installiert. Bis 2030 sind demnach Elektrolyseprojekte mit insgesamt 13.400 Megawatt angekündigt. DIW-Expertin Kirchem nennt das Kapazitätsziel von 10 Gigawatt «ambitioniert» und sagt: «Wenn alle in Deutschland angedachten Projekte erfolgreich umgesetzt werden, könnte dieses Ziel erreicht werden – dafür müssten aber alle Projekte, die sich bisher lediglich in der Konzeptphase befinden oder bei denen derzeit noch eine Machbarkeitsstudie durchgeführt wird, realisiert werden.»
Für lediglich 1,3 Gigawatt zusätzliche Elektrolyseure gebe es bereits eine finale Investitionsentscheidung oder sie befänden sich im Bau. «Die Realisation von Projekten in der Konzeptions- und Machbarkeitsprüfungsphase ist unsicher», betont sie. Zudem müsse auch genügend erneuerbarer Strom produziert werden, damit mit der Elektrolyse grüner Wasserstoff produziert werde. «Auch hier muss der Ausbau noch beschleunigt werden.»
Und was ist mit dem geplanten Import?
Beim Import von grünem Wasserstoff besteht laut Kirchem die größte Unsicherheit in Bezug auf die zukünftigen Preise. «Es wurden bereits einige Wasserstoffpartnerschaften geschlossen, es gibt Abkommen mit insgesamt zwölf Ländern und es gibt Absichtserklärungen mehrerer Länder, Elektrolysekapazitäten aufzubauen.» Es sei allerdings noch sehr unsicher, welche Preise sich auf dem Weltmarkt etablieren.
Sollten auch private Haushalte auf Wasserstoff setzen?
Kirchem ist skeptisch. «Die meisten Studien gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff aufgrund anfänglicher Knappheit vor allem in der Industrie eingesetzt wird, um die Prozesse zu dekarbonisieren, bei denen kein grüner Strom genutzt werden kann.» Endverbraucher, die auf Wasserstoff in Pkw oder Heizungen setzen, setzten sich dem Risiko hoher Preise in der Zukunft aus. «Daher kommt zu den Herausforderungen des Markthochlaufs auch die Aufgabe, dies den Verbrauchern transparent zu vermitteln, um nicht am Ende die Akzeptanz der Rolle des Wasserstoffs in der Energiewende zu gefährden.»
© dpa-infocom, dpa:250119-930-348576/1
hier Marinela Potor 02. Dezember 2024
Was ist weißer Wasserstoff und welches Potenzial fürs Klima hat er?
Wasserstoff wird immer wieder als emissionsfreier Hoffnungsträger für den Klimawandel gehandelt. Doch mit den meisten Varianten gibt es Probleme. Brauner Wasserstoff kommt aus fossilen Quellen, grüner Wasserstoff ist teuer und ineffizient in der Herstellung. Weißer Wasserstoff kommt dagegen natürlich in Gesteinen vor. Kann er die Energiewende bringen?
Das erste Mal, dass weißer Wasserstoff weltweite Aufmerksamkeit bekam, war 2019 in Bourakebougou, einem Dorf im Südwesten von Malis.
Erste Bohrungen habe es hier schon 1987, allerdings auf der Suche nach Wasser. Angeblich kam es aber zu einer großen Explosion, als ein Arbeiter sich eine Zigarette anzündete und es wohl mehrere Wochen im Bohrloch brannte. Das Loch wurde zubetonniert und die Bohrungen eingestellt, bis die Stelle 2011 untersucht wurde.
Forschende stellten dabei fest, dass es sich bei dem Gas um 98-prozentigen Wasserstoff handelte. Als diese Studie 2019 an die Öffentlichkeit trat, begann der Run auf diesen natürlich vorkommenden Wasserstoff.
Was genau ist weißer Wasserstoff?
Weißer Wasserstoff, auch natürlicher Wasserstoff, geologischer Wasserstoff oder geogener Wasserstoff genannt, kommt in natürlichen Lagerstätten in tiefen Gesteinsschichten in der Erdkruste vor. Anders als grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse erzeugt wird, oder brauner Wasserstoff, der aus fossilen Quellen gewonnen wird, ist weißer Wasserstoff ein Primärenergieträger.
Das bedeutet, dass sich dieser Rohstoff ohne externe Energie produzieren lässt, was ihn auch wirtschaftlich interessant macht. Weißer Wasserstoff „verspricht geringere Produktionskosten und einen niedrigeren Energiebedarf“, heißt es etwa in einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung.
Wie entsteht weißer Wasserstoff?
Tatsächlich sind die geochemischen Prozesse, die zur Entstehung von weißem Wasserstoff in der Erdkruste führen, bislang noch nicht gut erforscht. Allgemein lässt sich aber sagen, dass der Rohstoff durch zwei natürliche Prozesse entsteht.
Serpentinisierung: Hierbei reagieren Mineralien unter hohem Druck mit Wasser und erzeugen so Wasserstoff.
Radiolyse: Hierbei spaltet Strahlung Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff.
Wo gibt es weißen Wasserstoff?
Bislang hat man Vorkommen von weißem Wasserstoff in den USA, Kanada, Australien, Mali, Marokko, aber auch in Europa in Ländern wie Frankreich, Spanien, Albanien, der Schweiz, Norwegen und sogar in Deutschland gefunden.
Genau lässt sich das nicht beantworten, da die Forschung hier noch am Anfang steht. Geolog:innen vermuten jedoch Hunderte von natürlichen Wasserstoffvorkommen weltweit. Das Energiepotenzial könnte enorm sein.
Alain Prinzhofer, einer der führenden Forscher zum Thema am Französischen Institut für Petroleum und Erneuerbare Energien glaubt etwa, dass der Wasserstoff die Energieproduktion auf der Erde revolutionieren könnte.
Ist weißer Wasserstoff klimaneutral?
Da weißer Wasserstoff natürlich in Gesteinen vorkommt, ist er auch aus Klimasicht interessant. Zudem spart man sich damit die zusätzliche Energieerzeugung, die etwa für grünen Wasserstoff erforderlich ist, was ihn auch energieärmer macht.
Interessant ist geogener Wasserstoff auch im Zusammenhang mit Geothermie. Denn in geothermischen Regionen wie Island wird dieser Wasserstoff momentan ungenutzt freigesetzt. Hier gäbe es die Möglichkeit, beides gleichzeitig zu nutzen. Das wäre kosteneffizient und könnte bei klimaneutraler Umsetzung auch zur Reduzierung von CO2 beitragen.
Doch es gibt aus Umweltsicht auch Risiken.
Da wäre zum einen das Risiko, dass das Gas leicht entweichen kann und somit als indirektes Treibhausgas freigesetzt werden könnte. Auch Begleitgase wie Methan oder Schwefelwasserstoff könnten austreten und negative Folgen für Mensch und Umwelt haben.
Und zum anderen gibt es das Problem
der Gewinnung von weißem Wasserstoff.
Dies erfolgt über Bohrungen, die dem Fracking sehr ähnlich sind. Das Verfahren könnte Böden beeinträchtigen und es erfordert auch viel Wasser, was wiederum zu einem Ressourcenwettbewerb beziehungsweise zu Wasserknappheit führen kann.
Bislang besteht auch generell zu wenig Forschung zu möglichen negativen Folgen für die Umwelt, sodass hier mehr Untersuchungen erforderlich sind und darauf basierend dann entsprechend strenge Regulierungen für den Abbau gestaltet werden müssten.
Warum wird so selten über weißen Wasserstoff berichtet?
Die Wissenschaft entdeckte bereits in den 1970er Jahren Vorkommen von natürlichem Wasserstoff beim Abbau von Erdöl. Warum findet weißer Wasserstoff im Vergleich zu anderen Arten von Wasserstoff so wenig Beachtung?
Lange galt weißer Wasserstoff als nicht sonderlich vielversprechend. Öl, Erdgas und mitunter auch Kohle waren viel günstiger zu gewinnen. Und dann war es natürlich auch einfacher, Wasserstoff direkt aus den fossilen Rohstoffen zu gewinnen. Damit war das Interesse der Wirtschaft an dem Energieträger entsprechend gering.
Damit einher geht auch eine dünne Forschungslage. In einer Kurzstudie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik von 2020 beziehen die Wissenschaftler:innen weißen Wasserstoff ganz bewusst nicht in ihre Einschätzungen zum Potenzial von Wasserstoff ein.
So heißt es:
Über die geochemischen Mechanismen, die zur Entstehung von geologischem Wasserstoff führen […] ist wenig bekannt. Entsprechend sind noch keine zuverlässigen Prognosen zum Produktionspotenzial entstanden und umsetzbare Strategien zur Gewinnung müssen noch entwickelt werden.
Doch das ändert sich so langsam. In Kanada, Australien, Mali, aber auch in Frankreich oder in der Schweiz haben Unternehmen, Regierungen und Forschende in den vergangenen Jahren vermehrt Probebohrungen durchgeführt.
Projekte wie Hyafrica, ein gemeinsames Vorhaben der Afrikanischen und Europäischen Union, untersuchen das Potenzial der Energiequelle.
Doch skalierbare Förderung wird erst ab 2040 erwartet.
hier MDR 08. Januar 2025,
Energiewende 2025: Deutschlands Wasserstoff-Autobahn in den Startlöchern – auch in Mitteldeutschland
2025 wird die Energiewende greifbarer: Zwischen Küste und Mitteldeutschland soll ein erstes Teilstück des Wasserstoff-Kernnetzes in Betrieb gehen. Bis 2032 soll es fertig sein und helfen, die Klimaziele zu erreichen – zum Beispiel, indem Industriestandorte durch den Zugriff auf grünen Wasserstoff dekarbonisiert werden.
Podcast MDR vom 17.12.24 hier
Deutschland verfehlt seine Wasserstoffziele
Wasserstoff-Kernnetz soll mit 525 Kilometern starten
2025 sollen die ersten 525 Kilometer des neuen bundesweiten Wasserstoff-Netzes fertig werden. Die beteiligten Gasnetzbetreiber sind zuversichtlich, dass das auch klappt.
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