Symbol-Bild links: Energiewende und regionale Wertschöpfung – Veranstaltung mit Volker Quaschning und Peter Heck
Standard hier Günther Strobl 9. Jänner 2025
Verbund-Chef Michael Strugl spricht bei geplanten Investitionen von 100 Milliarden bis 2040 von Versorgungssicherheit und Preisdämpfung – ein Konjunkturprogramm
Die Suche nach einer neuen Regierung, jetzt unter Federführung von FPÖ-Parteichef Herbert Kickl, treibt auch die Energiebranche um. Wichtige Vorhaben wie das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) oder das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) sind während Schwarz-Grün mühsam verhandelt worden und dann doch liegengeblieben. Wann eine neue Regierung steht und das Parlament mit dem Gesetzwerdungsprozess starten kann, ist noch ungewiss. Und auch sonst deuten Signale insbesondere von freiheitlicher Seite eher darauf hin, dass beim Ausbau der erneuerbaren Energien künftig gebremst werden könnte. Nicht zuletzt, weil führende Proponenten in der Vergangenheit grobe Zweifel am menschengemachten Klimawandel geäußert haben.
Keine gute Idee, findet Verbund-Chef Michael Strugl, der zur Zeit auch Präsident der Interessenvereinigung Österreichs Energie ist. "Der Trigger für die Dekarbonisierung war der Klimawandel. Der Grund, warum wir das alles tun, ist aber ein mehrfacher", sagte Strugl am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. "Dazu gehören die Versorgungssicherheit und am langen Ende auch die Bezahlbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit."
Er persönlich und viele andere in der Branche und darüber hinaus seien aber sehr wohl auch der Meinung, dass es "eine moralische Verpflichtung" sei, im Interesse und zum Wohle künftiger Generationen konsequent an der Dekarbonisierung sämtlicher Sektoren zu arbeiten – sprich: fossile, das Klima schädigende Energien zurückzufahren und durch erneuerbare zu ersetzen. Aber selbst dann, wenn man das alles nicht gelten lasse, mache es volkswirtschaftlich und nicht nur energiewirtschaftlich Sinn, in den Ausbau von Wind- und Solarenergie zu investieren. "Das ist ein Programm zur Ankurbelung der Konjunktur, das wir jetzt dringender denn je brauchen", sagte Strugl unter Hinweis auf die mehr als 100 Milliarden Euro, die zur Erreichung der Klimaneutralität 2040 in Österreich zu investieren sind.
Der Verbund allein hat geplant und mit konkreten Projekten unterlegt, in nur drei Jahren 5,5 Milliarden Euro zu investieren – und das soll in ähnlichem Tempo weitergehen. Bei der Globalsumme von gut 100 Milliarden entfalle der Großteil (53 Milliarden) auf den Netzausbau, der Rest auf zusätzliche erneuerbare Erzeugungskapazitäten und Flexibilitäten, sprich: Speicher. Den größten Flexibilitätshebel stellten die Verbraucher und Verbraucherinnen dar, sagte Strugl. Allerdings brauche es dann entsprechende Anreize, damit Haushalte, aber auch Industrie und Gewerbe Strom in verstärktem Ausmaß dann abrufen, wenn genügend davon produziert wird.
Politische Entscheidung
Das Ziel, dass Österreich bis 2040 klimaneutral wird, sei politisch so entschieden worden. Deutschland habe sich bis 2045 dazu verpflichtet, die EU als Ganze das Jahr 2050 zur Erreichung dieses Ziels festgelegt. Er verstehe auch, dass es Unmut seitens der Industrie gebe, der das Ganze in Österreich zu schnell gehe. Das Schlechteste aber sei, jetzt womöglich davon abzurücken, sagte Strugl. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit, und die sei durch ein Abgehen nicht mehr gegeben.
Außerdem seien die Kosten nicht zu unterschätzen, wenn man Klimaschutz vernachlässige. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat die Belastung des Staatshaushalts durch Klimaschäden allein bis 2030 mit jährlich 2,5 bis 5,2 Milliarden Euro berechnet.
Standard hier András Szigetvari Benedikt Narodoslawsky 9. Jänner 2025
ÖVP und FPÖ sparen Milliarden durch weniger Klimaschutz ein? Da gibt es
einen Haken
Weniger Geld für Heizungstausch, Sanierung, Klimaticket und E-Auto: Es zeichnet sich bereits ab, wo FPÖ und ÖVP mit der Budgetsanierung beginnen wollen. Doch die Strategie ist zum Teil widersprüchlich und birgt finanzielle Risken
Auf der Suche nach Geld fürs Budget werden die Verhandler von ÖVP und FPÖ schnell fündig werden: in Leonore Gewesslers Klimaschutzministerium. Das Förderbudget in den Bereichen Klima, Umwelt und Mobilität hat sich seit 2019 auf mehr als 2,8 Milliarden Euro verfünffacht. Die hohen Ausgaben für Heizungstausch, Gebäudesanierung und Klimaticket waren ein Herzstück der grünen Klimapolitik in der Regierung. Eine neue schwarz-blaue Regierung könnte also Mittel umverteilen und für die eigenen Prioritäten nutzen, beide Parteien wollen bei Klimaschutzausgaben bremsen.
Dass ÖVP und FPÖ diesen Weg einschlagen wollen, zeichnet sich bereits ab. Verhandler von SPÖ und Neos berichten übereinstimmend, dass die ÖVP in den gescheiterten Koalitionsverhandlungen bereit gewesen war, die Förderungen sehr aggressiv zurückzufahren, selbst dort, wo es um zugesagte Mittel für die Transformation der Industrie geht. Von rund einer Milliarde Euro an Einsparungspotenzial soll man ausgegangen sein. Dazu kommen noch weitere Beträge: Auch die diversen Begünstigungen für E-Autos, etwa bei der Normverbrauchsabgabe und der motorbezogenen Versicherungssteuer, sollen nach schwarzen Vorstellungen fallen. Auch das dürfte pro Jahr 100 bis 200 Millionen Euro freimachen. Die ÖVP wollte auch den Klimabonus ersatzlos streichen, was Einsparungen in Höhe von rund zwei Milliarden Euro zusätzlich bringen würde. Ein Teil der notwendigen Budgetsanierung ließe sich also allein schon dadurch schaffen, wenn in der Klimapolitik der Rotstift angesetzt wird.
Hier freilich zeigen sich schon die praktischen Probleme für die Koalitionäre in spe. Zunächst gibt es Widersprüchlichkeiten in der Strategie: Die FPÖ ist ja weniger daran interessiert, den Klimabonus abzudrehen, als die von Türkis-Grün eingeführte CO₂-Abgabe für Tanken und Heizen (Öl, Gas) wieder abzuschaffen. Werden Abgaben und Bonus abgeschafft, lässt sich viel weniger, nämlich nur rund eine Milliarde Euro, einsparen.
Dazu kommt, dass in der EU ab 2027, spätestens mit Jahresende eine CO₂-Bepreisung für Heizen und Tanken vorgesehen ist, geregelt ist das in einer EU-Richtlinie. Sprich: Wenn Österreich den Klimabonus und die nationale CO₂-Bepreisung 2025 abschafft, würde die Emissionssteuer zwei Jahre später via EU-Gesetz wieder gelten. Ohne Bonus würden Haushalte auf den vollen Kosten sitzen bleiben.
Strafzahlungen ab 2030?
Das ohnehin größere Problem betrifft aber einen anderen Punkt: Einsparungen beim Klimaschutz mögen verlockend sein. Verfehlt Österreich jedoch seine Klimaziele, die im Rahmen der EU abgesteckt sind, könnte es für die Republik erst recht teuer werden. Erst wenige Tage vor dem Jahreswechsel hat der Rechnungshof mehr Ehrgeiz im Klimaschutz eingefordert und explizit vor den Strafzahlungen gewarnt. Denn ein Kauf von Emissionszertifikaten würde "im Gegensatz zu Klimaschutzmaßnahmen die inländische Wertschöpfung nicht steigern, sondern das (Maastricht-)Defizit sowie den Schuldenstand erhöhen". Es hätte "damit ausschließlich negative Auswirkungen auf den österreichischen Staatshaushalt und die Volkswirtschaft", so der Rechnungshof.
Wie viel Geld die Republik am Ende tatsächlich berappen muss, wenn sie die Klimaziele verfehlen würde, hängt von drei Faktoren ab. Erstens: Wie viele Tonnen CO₂ hat Österreich bis zum Jahr 2030 zu viel in die Luft geblasen? Zweitens: Was kostet die Tonne CO₂ zu dem Zeitpunkt der Abrechnung? Drittens: Erreichen die anderen EU-Mitgliedstaaten ihr Klimaziel, gibt es also überhaupt genug Handelsmasse?
Die Idee hinter den "Strafzahlungen" beruht nämlich auf der Lastenteilung, also wie die EU ihr Klimaziel auf die Schultern der 27 Mitgliedstaaten verteilt. Wenn ein EU-Land mehr CO₂ einspart als vorgegeben, bekommt es eine Art Gutschrift. Diese Einsparung kann es dann an ein anderes Land verkaufen, das seine Ziele nicht erreicht hat. Im besten Fall kann klimapolitischer Ehrgeiz also dazu führen, dass Geld in die Staatskassa fließt. Wahrscheinlicher für Österreich ist aber eine Strafzahlung.
Ziele für jedes Land
"Es ist aber unklar, ob es genügend Länder gibt, die Überschüsse haben, sodass sie sie an die anderen Länder verkaufen können", sagt Klimaökonom Karl Steininger vom Wegener Center an der Uni Graz. "Das ist die große Frage, die offen ist: Was passiert, wenn viele Länder ihr Klimaziel verfehlen?" Darauf weist auch der Rechnungshof in seiner Kritik hin. Würden mehrere EU-Mitgliedstaaten ihre Klimaziele verfehlen, hätte das "Auswirkungen auf die angebotenen Mengen und die Preise der Emissionszertifikate".
Der Grund, warum die EU-Staaten ihre Klimaziele verfehlen könnten, liegt an der gestiegenen Ambition. Vor zwei Jahren hat die EU mit ihrem "Fit for 55"-Paket das europäische Klimaziel nachgeschärft. Sie reagierte damit auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die darauf folgende Energiekrise. Verglichen mit dem Jahr 2005 sollen die Emissionen in der EU bis 2030 nicht wie anfangs geplant um 40 Prozent fallen, sondern um mindestens 55 Prozent.
Damit gab die Union auch ihren Mitgliedsländern ehrgeizigere nationale Klimaziele vor, die folglich schwerer zu erreichen sind. Für Österreich heißt das: Im Vergleich zum Jahr 2005 müssen die heimischen Emissionen bis zum Jahr 2030 nicht mehr wie anfangs geplant um 36 Prozent fallen, sondern um 48 Prozent. Bis 2050 soll die EU dann völlig klimaneutral sein.
Die gute Nachricht: Österreich holte in den vergangenen Jahren klimapolitisch auf. Das zeigt sich auch in den Treibhausgasbilanzen des Umweltbundesamts. Demnach blies Österreich aufgrund der Corona-Krise, der Energiekrise und infolge ehrgeiziger Klimapolitik in den vergangenen Jahren weniger klimaschädliche Gase in die Luft. Je nachdem, wie man an den Faktoren CO₂-Ausstoß und Höhe des CO₂-Preises herumschraubt, verändert sich also auch die Höhe der Strafzahlung. Das Finanzministerium berechnete die Summe im Jahr 2022 mit 7,8 Milliarden Euro. Eine Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts geht wiederum von 4,7 Milliarden Euro aus. Vergangenen August berechnete das Klimaschutzministerium die Kosten mit den aktuellen Klimaschutzmaßnahmen mit bis zu 5,8 Milliarden Euro. Fest steht jedenfalls: Wenn die kommende Regierung die Klimapolitik ignoriert, wird es teuer für die Steuerzahler.
Die Kosten des klimapolitischen Nichtstuns
Die Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) "Budgetäre Kosten und Risiken durch klimapolitisches Nichthandeln und Klimarisiken" strich im Vorjahr heraus, dass eine unambitionierte Klimapolitik das Budget nicht nur durch die "Strafzahlungen" belasten würde. Die Studienautoren berücksichtigten etwa als direkte Auswirkungen fürs Budget auch steigende öffentliche Ausgaben für die Beseitigung klimawandelbedingter Schäden oder jene Kosten, die durch die klimawandelbedingte Zuwanderung anfallen. Indirekt wiederum würde sich das klimapolitische Nichtstun auswirken, da die Finanzierungskosten für die Staatsschuld durch Klimarisiken stiegen und es zu klimawandelbedingten Wertverlusten bei staatlichem Vermögen komme. Bereits jetzt werde die öffentliche Hand "durch Klimawandelanpassungsmaßnahmen, dauerhafte klimakontraproduktive Subventionen und Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung im Ausmaß von 5,4 bis 7 Milliarden Euro pro Jahr belastet", heißt es in dem Bericht. "Hinzu kommen Ausgaben für klimabedingte Schäden, die aber kaum zu quantifizieren sind." Allein das Hochwasser im vergangenen September kostete nach Schätzungen des Wifo 1,3 Milliarden Euro.
"Zur Untätigkeit in der Klimapolitik gehört auch, dass man die umfangreichen klimaschädlichen Subventionen nicht abschafft", sagt Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Bis zu 5,7 Milliarden Euro machten diese Förderungen laut einer Wifo-Studie aus, der größte einzelne Brocken dabei ist das Dieselprivileg, allein dessen Streichung könnte eine halbe Milliarde Euro bringen. "Würde man klimaschädliche Subventionen abschaffen, würde das eine doppelte Dividende abwerfen", sagt Schratzenstaller. "Es hätte positive Effekte fürs Budget. Und fürs Klima."
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