hier Handelsblatt Markus Fasse 08.01.2025
Neue E-Autos: Die deutsche Autoindustrie hofft auf die Wende
Investitionen in neue Elektrofahrzeuge, Konjunkturflaute, Zölle: 2025 wird das nächste Schicksalsjahr für die deutsche Autoindustrie. Wo es einen Hoffnungsschimmer gibt.
....Die Folge: Alle drei großen Autokonzerne müssen ihre Absatz- und Gewinnprognosen kassieren und fahren Sparprogramme. Noch düsterer ist die Lage bei den Zulieferern. Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental wollen mehrere Zehntausend Stellen abbauen. Im automobilen Mittelstand, wo die Unternehmen von Zahnrädern, Türschlössern oder Sitzbezügen leben, droht eine Pleitewelle wie noch nie.
Dabei schrumpft der Standort schon länger. Wurden 2014 noch 5,6 Millionen Autos in Deutschland gebaut, so waren es 2024 nur noch 4,1 Millionen. Das liegt vor allem an der gesunkenen Nachfrage in der Heimat; mit rund drei Millionen verkauften Autos liegt der deutsche Markt um fast 500.000 Einheiten unter dem Spitzenniveau vergangener Jahre.
„Ich gehe davon aus, dass sich 2025 das niedrige Absatzniveau fortsetzen wird“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management. Damit werde auch der Arbeitsplatzabbau weitergehen. Neben der schwachen Konjunktur schlage jetzt der Wechsel vom Verbrenner hin zum Elektroauto durch, denn für Stromantriebe brauche man deutlich weniger Arbeitsschritte.
Hinzu kommen mögliche Zölle, die sowohl die USA als auch China auf deutsche Autoimporte erheben könnten. Betroffen wären mehrere Hunderttausend Autos, die in Deutschland gebaut, aber in Übersee verkauft werden. Für Bratzel ist klar: „Politik, Industrie und Arbeitnehmer müssen sich auf eine gemeinsame Strategie einigen, wie der Standort für die Autoindustrie attraktiv bleibt.
Das gehe mit klassischen Rahmenbedingungen los, sagt Hildegard Müller. Denn die deutsche Autoindustrie sei sehr wettbewerbsfähig, der Standort Deutschland aber derzeit nicht, klagt die Präsidentin des Lobbyverbands VDA. Sie fordert niedrigere Energiekosten, weniger Bürokratie und verlässliche politische Vorgaben.
Aber genau die fehlen. Der plötzliche Stopp der Förderung für den Neukauf von Elektroautos Ende 2023 hat 2024 zu einem Markteinbruch geführt. Auch die gekappte Förderung der Batterieforschung stößt in der Branche auf Unverständnis. Die Forschung soll Deutschland endlich auf Augenhöhe mit China bringen. So entwickelt beispielsweise die Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam mit der Industrie eine neue Batteriegeneration, die deutlich leistungsfähiger sein soll.
Die deutsche Autoindustrie leidet an der Mittelmäßigkeit ihrer Vorstände
„Wenn wir das beherrschen, werden alle unsere Batterien haben wollen, weil wir die nächste Generation entwickelt haben“, verspricht Fraunhofer-Chef Holger Hanselka.
Für eine gemeinsame Anstrengung fehlt derzeit in der deutschen Politik der Kompass. Das vorzeitige Ende der Ampelregierung verschärft das Problem. So ist derzeit unklar, ob die EU bei ihrem scharfen Kurs bleibt, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zuzulassen und auf dem Weg dahin die Industrie mit Strafzahlungen zu belegen, wenn sie Klimavorgaben beim Schadstoffausstoß nicht erfüllt.
Politik will Autoindustrie vor Strafzahlungen schützen
In Deutschland wäre vor allem der VW-Konzern betroffen, der immer noch, gemessen an den bisherigen Vorgaben, zu viele Verbrenner verkauft. Experten erwarten deshalb, dass die Autohersteller 2025 deutlich bessere Angebote machen, um Elektroautos zu verkaufen.
„Die Preise zwischen Verbrennern und Elektroautos werden sich angleichen“, sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Das gehe aber zulasten der Gewinne der Konzerne und ihrer Zulieferer, weil Elektroautos wegen der teuren Batterien weniger profitabel sind als Verbrenner. Hier ist die deutsche Autoindustrie noch nicht wettbewerbsfähig.
Die Preise zwischen Verbrennern und Elektroautos werden sich angleichen.
Stefan Bratzel, Autoexperte
Entsprechend hoch ist der parteiübergreifende Druck, die Industrie vor Strafzahlungen zu schützen. Erst kurz vor Weihnachten schrieben die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg einen Brief an die EU-Kommission mit der Forderung, auf „die drohende immense Überschreitungsabgabe“ zu verzichten. Denn die fälligen Milliarden fehlten den Unternehmen im Wettbewerb mit den Chinesen.
CDU-Chef Friedrich Merz fordert gar, das für 2035 geplante Verbrennerverbot zu kippen. Stattdessen will der Kanzlerkandidat der Union mehr „Technologieoffenheit“ für die Autoindustrie. Damit soll der Autoindustrie zum Beispiel ermöglicht werden, weiter Verbrennungsmotoren zu verkaufen, wenn sie mit synthetisch erzeugten Kraftstoffen (E-Fuels), Biosprit oder Wasserstoff angetrieben werden.
„Das hat Züge einer Phantomdebatte“, glaubt Autoexperte Stefan Bratzel. „Ich sehe nicht, wie Wasserstoff oder E-Fuels in den kommenden Jahren eine große Relevanz entwickeln.“ Es werde auf absehbare Zeit kaum gelingen, die nötigen Mengen an alternativen Kraftstoffen zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren.
Bratzel fürchtet, dass die Diskussion über vermeintliche Alternativen zur Elektromobilität eher dazu führe, dass die Industrie im Status quo hängen bleibt und nicht genug in die Zukunft investiert. Denn nicht nur beim Antrieb müssen die Deutschen gegenüber den neuen Konkurrenten aus China und den USA aufholen.
Die neuen Wettbewerber investieren auch massiv in das autonome Fahren. Die Technik, bei der Computer das Auto lenken, hat 2024 zwar einige Rückschläge hinnehmen müssen; General Motors hat seine Aktivitäten eingestellt. Aber Marktführer Waymo entwickelt seine Robotaxi-Flotten allmählich zu einem Business-Modell.
BMW und Mercedes starten 2025 mit neuen Elektromodellen
Ist der Zug für die deutsche Autoindustrie abgefahren? Noch nicht, sagen Experten. In einigen Entwicklungen liegen die heimischen Hersteller immer noch vorn und forschen an Technologien wie Feststoffbatterien oder Radnabenmotoren, die das Potenzial haben, die Branche zu verändern.
Mercedes hat Ende 2024 die Zulassung erhalten, seinen Autobahnpiloten bis Tempo 95 Stundenkilometer anbieten zu können. Der Konzern ist neben BMW der erste Autohersteller, der auf deutschen Autobahnen ein selbstfahrendes System anbietet, das rechtssicher den Fahrer aus der Verantwortung nimmt....
Focus hier 08.01.2025
„Keine vernünftige Politik“: Verbrennerverbot stoppen? Deutschlands Top-Klimaforscher schickt Warnung an Merz
Keine neuen Verbrenner ab 2035, sofern sie CO2 ausstoßen? Die Union fordert im Wahlkampf laut die Rücknahme des sogenannten "Verbrennerverbots" der EU. Jetzt warnt Deutschlands Top-Klimaforscher: Das wäre eine schlechte Idee.
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat die CDU-Pläne zur Rücknahme des EU-Verbrennerverbotes kritisiert. "Es wird diskutiert, ob es bis 2035 etwas mehr Flexibilität braucht. Darüber kann man reden. Aber das Verbot komplett zu annullieren, wäre eine schlechte Idee", sagte PIK-Direktor Ottmar Edenhofer im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ).
"Eine konsequente Absenkung der Flottengrenzwerte verhindert, dass die Emissionen im Verkehrssektor und damit auch die Preise im Emissionshandel steigen", sagte Edenhofer zur Begründung. "Und den deutschen Autobauern sollten nicht falsche Zweifel kommen, wie sie auf den globalen Märkten erfolgreich bleiben können. Durch das Festhalten am Verbrenner wird das nicht zu schaffen sein."
"Dieses ständige Stop and Go"
CDU/CSU und FDP fordern in ihren Programmen für die Bundestagswahl am 23. Februar eine Rücknahme des EU-weiten Zulassungsverbotes neuer Diesel und Benziner ab 2035. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte der "NOZ" erst kürzlich gesagt: "Die soziale Marktwirtschaft sagt, dass Ingenieure besser wissen, welche Technologien sich durchsetzen, als Politiker. Wir werden das Verbrennerverbot stoppen."
Edenhofers Replik: "Dieses ständige politische Stop and Go ist wirklich nicht zielführend. Wir können ja bei der Verkehrswende nicht sagen: Wir fahren auf die Wand zu, und es ist verdammt lang gut gegangen, deswegen fahren wir einfach weiter", kritisierte der PIK-Direktor.
Die Autos würden zwar sparsamer, aber die Emissionen sänken nicht, weil die Antriebswende hin zur E-Mobilität nicht forciert werde. "Das ist doch keine vernünftige Politik. Die Wirtschaft fordert doch klare Ansagen bei den politischen Rahmenbedingungen", sagte Edenhofer. "Es gilt jetzt vor allem jene Teile der Industrie zu stärken, die Produkte des 21. Jahrhunderts herstellen. Verbrennungsmotoren werden nach meiner Überzeugung nicht mehr lange dazugehören."
"Es wurde schon zu viel Zeit vergeudet"
Gründe für Edenhofers Warnungen vor einer Rücknahme des Verbrennerverbotes sind neben der Erderwärmung die globale Entwicklung der Industrie: "Es wurde beim Umstieg auf E-Autos schon viel zu viel Zeit vergeudet. Die Vorstellung, das Produkt neu zu erfinden und sozusagen das iPhone auf vier Rädern zu bauen, wurde als Hirngespinst abgetan", sagte der Klima-Ökonom der "NOZ". "Die Realität ist: Die Chinesen, die im klassischen Autobau weit abgeschlagen waren, sind uns in nur fünf Jahren sehr weit enteilt, nicht nur bei den eigentlichen Stromautos, auch bei Akkuproduktion, Softwareentwicklung und Vernetzung."
Eindringlich appellierte der PIK-Direktor an alle Parteien, nach China statt auf die USA zu schauen. "Die chinesische E-Auto-Strategie war keine Strategie der Grünen. Die Innovationen in der chinesischen Chemieindustrie sind enorm. Auch dahinter steckt kein Robert Habeck", sagte der Wissenschaftler.
"Dahinter steckt das Ziel, den Markt für saubere Technologien zu erobern und den Europäern die Marktanteile streitig zu machen durch die Massenproduktion von Green-Tech-Produkten. Darüber müssen wir reden, anstelle auf Donald Trump zu blicken wie das Kaninchen auf die Schlange und deshalb angstvoll "Zurück!" zu rufen." Edenhofers Überzeugung: "Kluge, vorwärtsgerichtete Klimapolitik ist eine Form der langfristigen Wohlstandssicherung."
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