Montag, 13. Januar 2025

Schaut auf die "Wertschöpfung" - die räumt auf mit dem Irrglauben "Wirtschaftsfeindlichkeit"

So ganz  kann ich die Schelte für die Grünen nicht nachvollziehen.
Aber ich will nicht kleinlich sein, der Artikel ist gut! Und natürlich kann man gediegen streiten: wird nicht überall behauptet, die e-Autos ließen sich nur deshalb  nicht mehr in Deutschland  verkaufen, weil Habeck die Zuschüsse gestrichen habe? Also sind sie doch irgendwie notwendig für die Akzeptanz?

Bei diesem Artikel hat es bei mir Click gemacht in Puncto Wertschöpfung  hier

Zeit  hier Ein Gastbeitrag von Felix Ekardt  10. Januar 2025,

Bundestagswahl: Klimaschutz ist eben nicht wirtschaftsfeindlich

Ob CDU, SPD oder gar die Grünen: Keine der Parteien hat verstanden, dass die Energiewende Frieden bringt, schreibt Gastautor Felix Ekardt.

Felix Ekardt forscht als Leiter der Leipziger Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik sowie als Professor an der Uni Rostock zu Politikkonzepten für mehr Nachhaltigkeit. Er sucht anlässlich seiner oft sehr kontroversen Positionen die Diskussion mit den Leserinnen und Lesern von ZEIT ONLINE. 

Als Nachhaltigkeitsforscher treibt mich die Bundestagswahl zur Verzweiflung.
Nahezu keine Partei, ob CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke, BSW oder AfD, hat verstanden: 



Demokratie, Frieden, Umweltschutz und Wohlstand
gelingen nur gemeinsam.

Und sie gelingen nur,
wenn unser Alltag und das Wirtschaften
rasch und radikal postfossil werden

Postfossilität ist also nicht öko –
sie ist vielmehr Voraussetzung auch für Frieden und Wohlstand.  



Der fundamentale, latent in fast allen Programmen spürbare Irrglaube ist, Umwelt- und Klimaschutz seien wirtschaftsfeindlich. Wie ein Festhalten an fossil basierten Modellen die Wirtschaft ruiniert – und nicht umgekehrt -, kann man derzeit bei der deutschen Autoindustrie besichtigen. Die hat den Abschied vom Verbrenner, der in den anderen EU-Ländern oder China längst vollzogen wird, schlicht verpennt. 

Felix Ekardt
ist Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig sowie Professor an der Uni Rostock. Er hat die deutschen Klimaklagen langjährig wissenschaftlich vorbereitet und als Prozessvertreter begleitet und schreibt derzeit an einem Buch über Postfossile Freiheit.

Und auch wenn man das Heizen dauerhaft bezahlbar halten will, ist eine noch raschere Energiewende gerade sinnvoll


Außerdem schaffen erneuerbare Energien und Wärmedämmung in der Summe mehr Arbeitsplätze und mehr Wertschöpfung,
als es die Fossilen vermochten. 


Das ist wiederholt vorgerechnet worden, gerade auch für Ostdeutschland und die Lausitz als Kohleregion.

Wissenschaftlich gesehen ist zudem unstrittig: Der Klimawandel wird beachtlich, in manchen Berechnungen gar um den Faktor zehn oder mehr, teuer werden als eine anständige Klimapolitik. Schon vermehrte Naturkatastrophen wie im Ahrtal kosten Abermilliarden. Noch schlimmer wird es, wenn wegen erwärmungsbedingter Nahrungs- und Wasserknappheit Klimakriege ausgefochten werden. Fossile Brennstoffe treiben zudem weitere Umweltprobleme wie das Artensterben, die ökonomisch und ökologisch noch verheerender werden könnten als der Klimawandel.

Bürger und Politiker lassen sich ablenken
Fatal ist auch, dass sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Politikerinnen und Politiker, vom Krieg in Europa und im Nahen Osten von der Postfossilität ablenken lassen – und glauben, man müsse das eine für das andere zurückstellen. Tatsache ist: Wer weiter auf die fossilen Brennstoffe setzt, fördert Russland und damit seine expansionistische Außenpolitik. Entweder direkt, indem Deutschland – ganz im Sinne von AfD und BSW – die Importe aus Russland wieder hochfährt und so über Staatskonzerne die Kriegskasse füllt – oder indirekt, indem ein anhaltender Verbrauch von Öl und Gas die Preise am Weltmarkt durch steigende Nachfrage hoch hält und perspektivisch weiter erhöht.

Emissionshandel statt Subventionen
Damit finanziert man aktiv den aggressiven russischen Imperialismus, weil wir mindestens auf Umwegen weiter Gas und Öl aus Russland beziehen, etwa über Indien. Mit einer zu langsam angestrebten Postfossilität untergräbt man zudem unseren Wohlstand und gefährdet dadurch und durch die Stärkung der russischen Einflusssphäre auch die Demokratie.

Was Union und FDP durchaus zutreffend erkennen: Die deutsche Energiewende kostet bisher mehr, als sie kosten müsste. Wir lösen zu viel über Subventionen – für E-Autos, Wärmepumpen oder Industriezweige. Teilweise fördert der Staat damit Haushalte, denen es materiell schon gut geht. Und weil das Ganze nur auf nationaler Ebene stattfindet, verlagern wir Klimaemissionen teilweise bloß in andere Länder, statt sie wirklich einzusparen.

Zusammen mit einem Klimageld
Ökologisch wirksamer, freiheitlicher und ökonomisch billiger erreichen wir den fossilen Ausstieg, wenn wir tatsächlich stärker auf den Emissionshandel setzen, verbunden mit einem Klimageld. Für den EU-Emissionshandel spricht schon: Die große Klimalösung liegt nicht in Deutschland, sondern primär auf EU-Ebene, sonst drohen sich Emissionen schlicht in andere Staaten zu verlagern. Ein primär nationaler Klimaschutz wäre außerdem absehbar unambitioniert – zu groß wäre sonst die Angst vor Wettbewerbsnachteilen für die Wirtschaft. Und verbindet man den EU-Emissionshandel noch rascher, als es die EU-Kommission derzeit angeht, mit Ökozöllen an den EU-Außengrenzen, verlagert man auch keine Emissionen in Drittstaaten. Sondern man motiviert andere Länder, bei einer ambitionierten Energiewende mitzumachen.

Union und FDP übersehen jedoch: Wohlstand und Frieden verlangen in unserem Eigeninteresse sehr rasche Postfossilität. Und der Umweltschutz verlangt es ebenso, wenn diese Parteien sich, wie sie es propagieren, an rechtsverbindliche Vorgaben wie die Pariser Klimaziele halten wollen – und wenn die Welt ihre Lebensgrundlagen nicht gefährden will. Die völkerrechtlich verbindliche 1,5-Grad-Grenze für die weltweite Erwärmung verlangt globale Nullemissionen in wenigen Jahren, nicht erst 2050 oder gar später. Das verbleibende Treibhausgas-Budget für 1,5 oder selbst 1,7 Grad haben Industriestaaten wie Deutschland nach den aktuellen naturwissenschaftlichen Daten bereits jetzt erschöpft.  

Der EU-Emissionshandel muss daher zum Hauptinstrument des Klimaschutzes werden. Und er muss radikalisiert werden: Nullemissionen nicht erst 2050, sondern 2035. Sämtliche Altzertifikate müssen gestrichen werden, die von den Staaten grundlos an die Unternehmen verschenkt wurden und die bis heute den Preis der Emissionszertifikate verwässern. Ebenfalls wichtig ist die Schließung aller Schlupflöcher, also ein Verbot, sich Pseudo-Klimaschutzmaßnahmen anrechnen lassen zu können. Einbezogen werden müsste auch die Tierhaltung.  

Grüner Wasserstoff ist zu teuer für den Alltag
So viel Konsequenz würde zu der allseits propagierten Innovationswelle führen – und zur von CDU und FDP angemahnten Technologieneutralität. Ob Wind oder Sonne die besseren Energiequellen sind, entscheidet dann der Markt. Der Markt wird aber wohl auch für die FDP und Union überraschende Ergebnisse produzieren. Der von ihnen geschätzte grüne Wasserstoff wird aus Kostengründen nur in bestimmten Verwendungen in Industrie und Luftverkehr zum Einsatz kommen – im Alltagsverkehr und beim Heizen in Privatgebäuden gibt es günstigere Lösungen. Und dort, wo man doch staatliches Geld für grüne Investitionen bräuchte, weil sie nämlich am Markt noch nicht verfügbar sind und deshalb vom Emissionshandel nicht wirksam gepusht werden, hätte man durch einen strengeren Emissionshandel auch genug Geld dafür.

Wenn ein Emissionshandel die Klimagase gesamtgesellschaftlich strikt begrenzt, kann man zudem sozialen Ausgleich betreiben, ohne damit gleich wieder einen Anreiz für weitere Emissionen zu setzen – wirksamer und billiger als mit Subventionen. Die EU hat dafür jetzt den richtigen Schritt getan, nämlich einen europäischen Sozialfonds als Ergänzung zum Emissionshandel aufzulegen. 

Will man, wie viele Parteien, ein Klimageld auszahlen, müsste der Ausgleich aber primär ärmeren Menschen zugutekommen, die den fossilen Ausstieg nicht schnell genug vollziehen können. Geht man so vor und streicht man außerdem radikal die bisherigen fossilen Subventionen, hat man auch mehr Geld für Verteidigungsausgaben und einzelne sinnvolle Förderungen. Allein das regierungseigene Umweltbundesamt hat 2021 jährlich 65 Milliarden Euro umweltschädliche Subventionen errechnet. Es könnte sogar deutlich mehr werden, wenn man den Subventionsbegriff weniger eng fasst. 


WiWo hier
   KOMMENTAR von Henrike Adamsen  10.01.2025 

Wir brauchen ein Sondervermögen für den Klimaschutz


In der Finanzkrise haben Wirtschaft und Politik strengere Klimapolitik ausgebremst. Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen. Ein Kommentar

Kurzes Quiz gefällig? „Wer mehr Emissionen einsparen will, muss entweder die Atomkraftwerke länger laufen lassen oder riskiert, dass große Industrieunternehmen Deutschland verlassen und Millionen Arbeitsplätze verloren gehen.“ Das hat der Präsident des deutschen Industrieverbands BDI gesagt – aber wann?

Es könnte der Wahlkampfsound im Jahr 2025 sein. Doch das Zitat stammt aus dem Jahr 2007, vom damaligen BDI-Chef Jürgen Thumann. Schon damals galt: Die Industrie läuft Sturm gegen die Klimapolitik.

Dabei nimmt der internationale Klimaschutz in dieser Zeit gerade Fahrt auf.
Auf dem G8-Treffen in Heiligendamm im Juni 2007 ringen sich die Industrieländer das Versprechen ab, den weltweiten Emissionsausstoß bis Mitte des Jahrhunderts zu halbieren, auch wenn eine verbindliche Zusage, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, ausbleibt. Ein halbes Jahr später legt die EU-Kommission ein ambitioniertes Klimapaket vor.  

Doch dann reißt die globale Finanzkrise die Wirtschaft in den Abgrund. Energie teurer machen durch den europäischen Emissionshandel? Unvermittelbar. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr – und jetzt die Industrie belasten? Unmöglich. Das Momentum ist weg.

Prompt scheitern die Klimaverhandlungen in Kopenhagen 2009, obwohl das der späteste Zeitpunkt ist, um eine Nachfolgervereinbarung des Kyoto-Protokolls zu verabschieden. Erst sechs Jahre später, auf der Weltklimakonferenz in Paris, bekennt sich die Weltgemeinschaft zum 1,5 Grad-Ziel.

2025 steckt Deutschland wieder in der Wirtschaftskrise.
Wieder erheben sich kritische Stimmen gegenüber strengerem Klimaschutz, macht die Union das Abschaffen des Heizungsgesetzes zum Wahlkampfthema, obwohl der Gebäudesektor Jahr für Jahr zuverlässig seine Reduktionsziele reißt.

Wieder nennen Teile der Wirtschaft und Politik Nachhaltigkeitspflichten eine unerträgliche Belastung, obwohl man sich fragen muss, ob es wirklich zu viel verlangt ist, dass Unternehmen sich damit auseinandersetzen, wie viele Emissionen sie  produzieren und wie sich diese reduzieren lassen.

Wirtschaftliche Stagnation und eine sinkende Industrieproduktion dürfen keine Ausrede sein, Klimaschutz abzuschwächen. Den Fehler aus der Finanzkrise darf die Politik nicht wiederholen.

Das Schöne ist: Das muss sie auch nicht. Die Ökonomin Mariana Mazzucato sagte kürzlich im Interview: „Für Krieg schaffen wir Geld aus dem Nichts, weil wir Krieg als ein dringendes Problem behandeln.“

„Aus dem Nichts“ bedeutet in Wahrheit neue Schulden. Doch das ändert nichts an der Kraft der Argumentation: Auch mehr Klimaschutz ist, wie mehr Verteidigung, in erster Linie eine Frage des politischen Willens und des Problembewusstseins.

Ist Klimawandel wie Krieg?
Für den Kampf gegen den Klimawandel gilt die gleiche Dringlichkeit wie für die Verteidigung. Die Erderwärmung um 1,5 Grad, die der europäische Klimadienst für 2024 feststellt, hat die Weltgemeinschaft nicht aufhalten können. Müssen wir also erst sagen: Klimawandel ist wie Krieg, damit diese Dringlichkeit endlich fassbar wird?

Klimawandel kann Folgen wie ein Krieg haben. Wer das nicht wahrhaben möchte, kann sich Fotos von der Flutkatastrophe im Ahrtal, in Spanien, Österreich, Tschechien, Polen, Bangladesch anschauen. Die jüngsten Waldbrände in Los Angeles beschrieben Augenzeugen als Apokalypse oder wie die Folgen eines Atomkrieg. Das macht das Pariser Klimaabkommen in Wahrheit zu einem Friedensvertrag.

Eine Klimapolitik, die dieser Dringlichkeit gerecht werden wollte, wäre disruptiv. Beispielsweise in Form eines 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für Investitionen in Stromnetze, Energiespeicher und Schienen. Und in Form einer Zeitenwende in der Gebäudesanierung und Mobilität.

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