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 Standard  hier 15. Jänner 2025

Der Golfstrom ist stabiler als geglaubt

Mögliches Kippelement: Die bisher genaueste Untersuchung nordatlantischer Meeresströmungen in den vergangenen 60 Jahren widerspricht früheren Studien, die eine Verlangsamung feststellten


Der Golfstrom ist eine große atlantische Meeresströmung, die entscheidenden Einfluss auf das globale Klima hat. Besonders groß ist dieser Einfluss auf Europa, wo er für mildes Klima sorgt. Ein Kollaps des Golfstroms hätte also weitreichende Auswirkungen. Und tatsächlich schien es in den vergangenen Jahren Anzeichen zu geben, dass sich die sogenannte meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC), zu der der Golfstrom gehört, verlangsamt.

Eine soeben im Fachjournal Nature Communications erschienene Studie kommt nun aber zu einem anderen Ergebnis. Ein Forschungsteam um Jens Terhaar von der Schweizer Universität Bern untersuchte Veränderungen der AMOC in den Jahren 1963 bis 2017 und kombinierte dafür 24 Erdsystemmodelle und Beobachtungen des Wärmeflusses zwischen Ozean und Atmosphäre im Nordatlantik.

Noch keine Abschwächung
"Wir haben uns gefragt, wie stabil die AMOC ist und ob sie sich bereits abgeschwächt hat", sagt Terhaar, Klimaforscher und Spezialist für Ozeanmodellierungen. Das Ergebnis war überraschend: In den vergangenen etwa 60 Jahren scheint es doch keine tendenzielle Abschwächung gegeben zu haben. "Unsere Rekonstruktionen zeigen zwar eine erhebliche Variabilität, aber ein klarer Trend lässt sich nicht feststellen", sagt Terhaar. Das mache auch ein baldiges Kippen weniger wahrscheinlich als bislang angenommen.

Die Untersuchung ist umfassender als bisherige Studien, die vor allem Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen betrachteten. Stattdessen wird vom Team aus Bern der Wärmefluss zwischen Luft und Meer betrachtet.

Diese Stabilität der atlantischen Strömungen ist eine gute Nachricht, immerhin nennt der Weltklimarat IPCC die AMOC als eines von 15 Kippelementen des Planeten, die bei einem Versagen zu unwiderruflichen Veränderungen führen würden. Bis dahin scheint nun mehr Zeit zu sein.

Einfluss des Klimawandels
Entwarnung gibt Terhaar nicht. Dass der Klimawandel die AMOC abschwäche, sei sicher. "Es ist jedoch weiter höchst unsicher, wie groß diese Abschwächung sein wird und mit welchen Folgen in Zukunft gerechnet werden muss."

Obwohl es sich um die bisher robustesten Abschätzungen handle, seien sie weiterhin mit "Einschränkungen und Vorbehalten" belastet, betont das Autorenteam. Solche gebe es etwa im Zusammenhang mit der Schätzung der Wärmeflüsse zwischen Luft und Meer auf Basis von Beobachtungen und den gängigen Klimamodellen, die nicht alle für die AMOC relevanten Prozesse abbilden würden, beispielsweise den Einfluss des Süßwassers vom Abschmelzen der nördlichen Eisschilde.

"Ein Rückgang der AMOC in den letzten 60 Jahren scheint jedoch sehr unwahrscheinlich", ist man trotz dieser Einschränkungen überzeugt. (rkl, 15.1.2025)

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