Sonntag, 13. Februar 2022

"Es gibt wirklich gute Gründe für Empörung"

 11.02.2022  |  VON ANNA STOMMEL  hier  anna.stommel@suedkurier.de 

GEGENLICHT

..Das Netzwerk ist so in den vergangenen Jahren zu einem besonders wütenden Ort im Internet geworden. Da war in dieser Woche zum Beispiel die Empörung über den Journalisten Christoph von Marschall, der ein Foto der Außenministerin Annalena Baerbock mit Helm und schusssicherer Weste an der Front in der Ostukraine im ZDF-Morgenmagazin als „ein bisschen entlarvend“ kommentierte: „Man sieht ja deutlich, dass diese junge Dame, die unsere Außenministerin ist, sich in dieser Situation nicht besonders wohlfühlt.“ Kaum ausgesprochen, tobte das Netz.

Wo ist das Problem, fragen Sie sich? Das ist schnell erklärt: Frauen erleben immer wieder, dass sie im Alltag von Männern in ihrer Kompetenz angezweifelt und durch Bezeichnungen wie „junge Dame“ subtil herabgestuft werden.

Und genau das geschieht hier. Eine 41 Jahre alte Außenministerin mit langer politischer Erfahrung als „diese junge Dame“ zu bezeichnen, ist kein Kompliment, sondern sagt: Du bist nicht kompetent, obwohl du es bist. Das ist sexistisch.

Was soll man nach so einer Äußerung also noch anderes tun, als sich aufzuregen? Gelassen bleiben? Das muss man sich leisten können. Deshalb ist die Empörung von Frauen und Männern, die ihrem Ärger Luft machen, absolut berechtigt. Weil sie sichtbar machen, was schief läuft. Nur was benannt wird, kann sich ändern. Und die Äußerungen zeigen Betroffenen von Sexismus: Du bist nicht allein. Das mag anstrengend sein, denn es geht dabei auch um Macht. Aber das ist eine der guten Seiten des Internets: Hier können auch die sprechen, die früher nicht gehört wurden. Und sie können laut sein und sich zu globalen Bewegungen vernetzen – siehe #metoo.

Dabei darf allerdings auch nicht in Vergessenheit geraten, welche Rolle die Netzwerke selbst in Sachen Empörung spielen: Forscher der Universität Yale in den USA konnten in einer Studie belegen, dass Empörung in den sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit bekommt als andere Formen der Äußerung.

Wer sich empört, der bekomme Sichtbarkeit, Zuspruch, Reichweite – und werde motiviert, im nächsten Post noch mehr Wut an den Tag zu legen. Es entstehe eine Rückkopplungsschleife, die Empörung verstärke. .....


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