22.02.2022 |
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Bebauungsplan „Zum Hecht“ im Überlinger Ortsteil Nußdorf für unwirksam erklärt. Die ausführliche Begründung ist im Internet abrufbar, doch selbst Juristen sagen, dass es sich dabei um eine komplizierte Kost handle.
Es geht um viel Geld. Das wird deutlich, wenn man sich die Traumgrundstücke ansieht, direkt am Bodensee, manches mit eigenem kleinen Bootssteg. Bei einem sehr niedrigen Wasserstand kann und darf man südlich der Häuserzeile entlangspazieren, über dann trocken liegende Uferabschnitte, denn der Bodensee ist eine öffentliche Fläche. Von Norden, von der Straße her betrachtet, wirken die Gebäude wie ein Riegel, der vor neugierigen Blicken schützt. Wenn in dieser Gegend überhaupt einmal eine Fläche zum Verkauf stand, dann lag der Preis vor ein paar Jahren schon bei über 1000 Euro pro Quadratmeter.
Der Schriftsteller Martin Walser wohnt hier seit über 50 Jahren. Schon kurz nach dem Einzug mit seiner Familie habe ihm das Privileg, hier wohnen zu dürfen, Unbehagen beschert, wie er in einem filmischen Porträt dem SWR verriet. Er sei ja politisch weit links gestanden, da passte der vermeintliche Reichtum, den er gerne mit der Öffentlichkeit geteilt hätte, nicht ins Bild. Seinen bei der Stadt vorgebrachten Vorschlag, die Seegrundstücke für Spazierwege entlang des Wassers zu öffnen, habe ihm den Zorn der Nachbarn beschert.
Wer hier Eigentum besitzt, kann sich in der Regel auch gute Anwälte leisten, die sich auf Baurecht spezialisiert haben. Einem Anwohner ist nun ein Sieg vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim gelungen. Das Gericht kippte den vom Gemeinderat beschlossenen Bebauungsplan, der wie die Wohnstraße heißt und nach einem Raubfisch benannt ist: „Zum Hecht“.
Es ist
nicht bekannt, in welchen Dimensionen die Klägerin ihr Grundstück
bebauen will. ....
Wer sich das Urteil im Detail
ansieht, kommt zu dem Schluss, dass der juristische Angriff auf den
Bebauungsplan das Ziel verfolgte, näher ans Wasser bauen zu dürfen als
es der Plan bislang erlaubt. Denn Gegenstand der Verhandlung waren jene
Passagen im Bebauungsplan, die aus dem Landesentwicklungsplan wörtlich
übernommen wurden. Und da heißt es, dass die Uferzone von weiterer
Bebauung und Verdichtung freigehalten werden müsse.
Das Gericht beschäftigte sich nicht mit der Frage, ob es einem Eigentümer zumutbar wäre, mit seiner Immobilie so und so viel Meter Abstand von der Wasserkante zu halten – oder ob es sich dabei um einen unzulässigen Eingriff in privates Eigentum handelt. Das Gericht betrachtete lediglich die Frage, ob die Stadt Überlingen im Bebauungsplanverfahren in ausreichender Weise eine Abwägung vorgenommen hat.
Und genau das habe sie eben nicht, stellt der VGH fest. Die Stadt habe in unzulässiger Weise den Landesentwicklungsplan als rechtlich bindend übernommen und es versäumt, sich im Abwägungsprozess konkreter mit der Situation vor Ort und mit den von der Eigentümerin vorgebrachten Einwendungen zu beschäftigen. Ein Bebauungsplanverfahren schreibt einen Abwägungsprozess zwingend vor. Wie ein Jurist gegenüber dem SÜDKURIER erklärte, hätte sich die Stadt nicht alleine auf den Landesentwicklungsplan berufen dürfen, sondern hätte die Einwendungen inhaltlich näher betrachten und ihrem vorhandenen Ermessensspielraum einordnen müssen. Sie hätte möglicherweise zu dem gleichen Schluss kommen und die Einwendungen zurückweisen können, hätte dies aber im Rahmen ihres eigenen Ermessensspielraums machen müssen.
In der Gerichtsentscheidung heißt es dazu, dass die Stadt fälschlicherweise angenommen habe, dass sie wegen der Raumordnung keine weitergehenden Abwägungsspielräume zugunsten des privaten Eigentümers habe. „Diese Einschätzung war ersichtlich fehlerhaft.“
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