Fast vier Jahre lang protestierten Umweltaktivisten gegen den neuen Regionalplan für die Region Bodensee-Oberschwaben. Der Widerstand machte sich vor allem an einem Thema fest: einer neuen Kiesgrube im Altdorfer Wald, der „grünen Lunge“ Oberschwabens. Bäume wurden besetzt, die Zufahrt zu einer Kiesabbaustätte blockiert, Unterschriften gesammelt und immer wieder demonstriert. Hauptkritikpunkt: In der steinreichen Region mit rund 100 Kiesgruben wird mehr Kies abgebaut, als die heimische Bauwirtschaft braucht, und zu viel exportiert. Doch verlässliche Zahlen gab es nicht.

Aus diesem Grund beauftragte das Umweltministerium des Landes erstmals eine Studie, die die Rohstoffströme für Kiese und Erden über die Grenzen im „Vierländereck“ Bodensee hinweg untersucht. Das Gutachten des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) der Universität Tübingen liegt jetzt vor.

Nach Meinung der Landesumweltministerin Thekla Walter sei damit „eine solide Datengrundlage für eine faktenbasierte Diskussion geschaffen“. Nach ihrer Lesart belaste der Export von Kies, Sand und Natursteinen sowie von Beton und Asphalt die heimischen Vorkommen „nicht über Gebühr“. Die so dringend benötigten mineralischen Rohstoffe würden überwiegend lokal bis regional verwendet, teilt Walker in einer Stellungnahme mit.

Unterm Strich bleiben aber auch zwei „Aber“ stehen.
Die IAW-Studie führt aus, dass im österreichischen Bundesland Vorarlberg bereits heute die Produktionsmenge nicht ausreicht, weshalb Kies aus Deutschland importiert werden muss. Und dieser Mangel werde sich sogar verstärken, sofern dort keine neuen Abbaustätten eingerichtet werden.

Nur vier von 18 Unternehmen liefern Daten

Zweitens haben ausgerechnet im Landkreis Ravensburg die wenigsten Unternehmen, die Kies abbauen, an der freiwilligen Befragung teilgenommen. Mit nicht einmal 25 Prozent war hier die Beteiligung „bedauerlicherweise am geringsten“, stellt selbst die Umweltministerin fest.

Von 18 Abbaustätten im Nachbarlandkreis nahmen nur vier an der Studie teil. In der gesamten Region rund um den Bodensee waren es immerhin 50 von 158 Unternehmen, die an 131 Standorten in Süddeutschland, Vorarlberg, Liechtenstein und in der Schweiz Kies abbauen. Damit gebe es aus Oberschwaben keine validen Zahlen, so die Autoren des Gutachtens. Zum Vergleich: Im Landkreis Konstanz lieferten 78 Prozent der befragten Firmen ihre Daten ab, im baden-württembergischen Teilgebiet insgesamt die Hälfte der Abbauunternehmen.....

Exportquote bei sechs Prozent?

Und wie viel Kies aus den Gruben geht ins Ausland? Festgestellt wird ein Exportüberschuss von deutscher Seite nach Vorarlberg und in die grenznahe Schweiz. Die IAW-Studie beziffert die Quote auf rund sechs Prozent. Allerdings ist die Fördermenge rund um den Bodensee in den vergangenen fünf Jahren weiter angestiegen.

2017 taxierte das IAW in einer Studie für die IHK Bodensee-Oberschwaben den Kiesabbau auf rund neun Millionen Tonnen pro Jahr. Fünf Jahre später entfallen auf den baden-württembergischen Teil zwischen 12,5 und 13 Millionen Tonnen Kies pro Jahr. Von dieser Summe werden nach Angaben der Unternehmen jährlich 700.000 Tonnen in die Schweiz, rund 51.000 Tonnen nach Liechtenstein sowie 42.000 nach Vorarlberg exportiert. Davon weichen die Daten das Statistischen Landesamts jedoch deutlich ab: Das kam für 2020 auf eine Exportmenge von rund 520.000 Tonnen allein nach Österreich.

Deshalb verglichen die Gutachter die – teils spärlichen – Angaben der Unternehmen auch mit den Daten der Außenhandelsstatistik. Fazit: Die Exporte aus Baden-Württemberg nach Vorarlberg seien nur unvollständig erfasst. „Wir bedauern sehr, dass die Unternehmensbefragung bei diesem so wichtigen Thema keine neuen Ergebnisse liefert“, erklärt Umweltministerin Walter. Deshalb könne die Exportquote weiterhin nur auf Basis der Außenhandelsstatistik abgeschätzt werden.....

Großes Preisgefälle bei Kies und Steinen

Die Studie hat auch zu den Rohstoffpreisen wichtige Erkenntnisse geliefert. „Die Preise in Österreich und in der Schweiz/FL liegen durchweg oberhalb der Preise in Deutschland“, so die Autoren. So kostet eine Tonne Sand, Kies oder Edelsplitt in der Schweiz doppelt so viel wie in Deutschland. Bei Natursteinen liegen die Preise bei den Eidgenossen sogar sechs Mal höher wie hierzulande. Zudem stellt die Studie fest, dass deutsche Abbau-Standorte in Grenznähe für Produkte, die in die Schweiz verkauft werden, höhere Preise verlangen können als Betriebe, die weiter von der Grenze entfernt sind.


Bild links: Demo am 21.9.21 in Stuttgart