Energieversorgung - Podcast im Deutschlandfunk - hier
Bisher lieferte ausgerechnet der russische Konzern Gazprom die Basis für den vermeintlichen Gasbedarf in Deutschland – und dieser war natürlich groß. Ein irrer Zustand, kommentiert Petra Pinzler. Denn unabhängige Studien gehen von einem Bedarf aus, der vorerst höchstens leicht ansteigen, dann aber stark sinken wird.
Ein Kommentar von Petra Pinzler („ZEIT“) | 19.02.2022Mit dem Erdgas ist das in Deutschland so eine Sache. Für die einen ist es der Stoff, mit dem uns Putin erpressen kann, für die anderen ein Mittel, das die deutsch-russische Freundschaft absichert. Klimaschützer träumen vom Ausstieg aus der fossilen Energie, die EU Kommission hat sie gerade auch auf Drängen der Bundesregierung zur nachhaltigen Energie gekürt (zwar unter bestimmten Bedingungen, aber trotzdem). Eine Meinung über die politische und die ökologische Bedeutung des Stoffes haben also viele Menschen.Wenn es nun aber darum geht, wie abhängig wir sind, also wie viel Erdgas wir in Zukunft noch brauchen, dann herrscht erstaunlich wenig Klarheit. Dann murmeln die meisten, und auch die meisten Politiker: Ja, Gas brauchen wir noch. Und genau das können die Lobbyisten der Gaswirtschaft gut nutzen, um den vermeintlichen Bedarf deutlich zu überzeichnen. Was wiederum uns alle noch teuer zu stehen kommen könnte.
Wie viel Gas braucht Deutschland also wirklich, damit es in den Wohnzimmern und Stahlwerken nicht kalt wird? Wie lange brauchen wir es noch? Und brauchen wir künftig mehr davon – oder weniger?
....Womit wir beim nächsten Punkt wären: Je schneller die Energiewende, die Wärmewende und die Verkehrswende da sind – desto schneller können wir vom Gas lassen. Oder anders formuliert: Wer Putin nicht mag, sollte seine Fenster abdichten. Gleiches gilt für das umweltschädliche Frackinggas aus den USA und auch für die Lieferungen aus dem absolutistischen Katar. Energieunabhängigkeit – das ist die wohl wichtigste Erkenntnis dieser Tage – erweitert den Spielraum von Regierungen enorm. Energieunabhängigkeit bekommt man aber am leichtesten, wenn man Solar- oder Windenergie nutzt. Denn die kann man selbst erzeugen oder aus dem netten Dänemark importieren.
Bleiben noch zwei Fragen: Wie viel von dem Zeug brauchen wir noch und wie lange? Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen, soll Karl Valentin mal gesagt haben. Das stimmt wohl, und trotzdem gibt es seriösere und unseriösere Prognosen. Unseriöse hat bisher die Bundesregierung genutzt, der „Spiegel“ hat daran diese Woche noch einmal erinnert. Bisher lieferte – man glaubt es kaum – ausgerechnet der russische Konzern Gazprom die Basis für den vermeintlichen Gasbedarf Deutschlands. Natürlich war der zusätzliche Bedarf da groß, mindestens so groß, dass sich damit die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 rechtfertigen ließ. Studien von unabhängigen Instituten, die von einem geringeren Gasbedarf ausgingen, wurden offensichtlich im Ministerium bis zum Herbst unter dem CDU-Politiker Peter Altmaier ignoriert.
Man muss sich das noch einmal kurz vor Augen halten: Der Gaslieferant definiert wie viel Gas der Kunde braucht? Das ist etwa so als ob man die Autoindustrie definieren lassen würde, wie viel Autos Deutschland künftig noch braucht. Schon irre.
Unabhängige Studien, beispielsweise vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung oder der Agora Energiewende, aber auch Prognosen der EU-Kommission gehen alle von einem erst einmal stagnierenden und höchstens leicht steigenden, dann aber bald stark sinkenden Gasbedarf aus. Der Gasausstieg, so könnte man auch sagen, muss in den 2030ern rasant an Fahrt aufnehmen – auch damit Deutschland seine Klimaziele auch nur annähernd schaffen kann.
Geht nicht? „Geht nicht“ war vor 20 Jahren schon falsch, als große Energiekonzerne noch Anzeigen schalteten, in denen es hieß: mehr als ein paar Prozent des Energiebedarfs werde sich mit den Erneuerbaren nie erzeugen lassen. Deswegen bräuchten wir immer Kohle und Atom. Das stimmte offensichtlich nicht. Ähnliches wird man in den kommenden Debatten übers Gas hören. Mein Rat: Hören Sie genau hin, wer da was sagt.
Man muss sich das noch einmal kurz vor Augen halten: Der Gaslieferant definiert wie viel Gas der Kunde braucht? Das ist etwa so als ob man die Autoindustrie definieren lassen würde, wie viel Autos Deutschland künftig noch braucht. Schon irre.
Unabhängige Studien, beispielsweise vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung oder der Agora Energiewende, aber auch Prognosen der EU-Kommission gehen alle von einem erst einmal stagnierenden und höchstens leicht steigenden, dann aber bald stark sinkenden Gasbedarf aus. Der Gasausstieg, so könnte man auch sagen, muss in den 2030ern rasant an Fahrt aufnehmen – auch damit Deutschland seine Klimaziele auch nur annähernd schaffen kann.
Geht nicht? „Geht nicht“ war vor 20 Jahren schon falsch, als große Energiekonzerne noch Anzeigen schalteten, in denen es hieß: mehr als ein paar Prozent des Energiebedarfs werde sich mit den Erneuerbaren nie erzeugen lassen. Deswegen bräuchten wir immer Kohle und Atom. Das stimmte offensichtlich nicht. Ähnliches wird man in den kommenden Debatten übers Gas hören. Mein Rat: Hören Sie genau hin, wer da was sagt.
Wie dringend wir unsere zunehmende Gas-Unabhängigkeit ausbauen sollten geht auch aus diesem Bericht von NTV hervor hier
Auszüge: Mit Glück und mit Hilfe aus den USA hat Europa diesen Winter so weit
überstanden, dass es einen russischen Gaslieferstopp zumindest
kurzfristig nicht mehr zu fürchten braucht. Wie Berechnungen des Brüsseler Thinktanks Breugel zeigen,
dürften die Gasvorräte in Europa selbst im Fall einer ungünstigen
Wetterentwicklung und eines Ausfalls aller russischen Lieferungen ab
Ende dieses Monats ausreichen, um den Bedarf für diese Heizsaison zu
decken.
Ein möglicher Lieferstopp Russlands, von dem Europa etwa 40 Prozent seines Erdgases kauft, galt bis vor kurzem als die womöglich schlimmste Konsequenz einer Eskalation des Ukrainekonflikts und damit als Druckmittel Moskaus, um westliche Sanktionen abzuwenden. Die US-Regierung, die seit Jahren vor der Abhängigkeit der EU vom russischen Gas warnt, befürchtete gar Todesopfer und eine umfassende Wirtschaftskrise in Europa, sollte Russland den Gashahn zudrehen.
Angeheizt worden waren diese Befürchtungen dadurch, dass der russische Staatsmonopolist Gasprom seit dem vergangenen Sommer auffällig wenig Gas etwa an Deutschland lieferte und vor allem seine europäischen Speicher vor der Heizsaison überhaupt nicht auffüllte. Das vergrößerte die Gefahr von Versorgungsengpässen. Viele Beobachter im Westen interpretierten dieses ökonomisch nicht erklärbare Verhalten als Aufbau eines strategischen Drohpotenzials im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.
Ein möglicher Lieferstopp Russlands, von dem Europa etwa 40 Prozent seines Erdgases kauft, galt bis vor kurzem als die womöglich schlimmste Konsequenz einer Eskalation des Ukrainekonflikts und damit als Druckmittel Moskaus, um westliche Sanktionen abzuwenden. Die US-Regierung, die seit Jahren vor der Abhängigkeit der EU vom russischen Gas warnt, befürchtete gar Todesopfer und eine umfassende Wirtschaftskrise in Europa, sollte Russland den Gashahn zudrehen.
Angeheizt worden waren diese Befürchtungen dadurch, dass der russische Staatsmonopolist Gasprom seit dem vergangenen Sommer auffällig wenig Gas etwa an Deutschland lieferte und vor allem seine europäischen Speicher vor der Heizsaison überhaupt nicht auffüllte. Das vergrößerte die Gefahr von Versorgungsengpässen. Viele Beobachter im Westen interpretierten dieses ökonomisch nicht erklärbare Verhalten als Aufbau eines strategischen Drohpotenzials im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.
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