Wir brauchen mehr öffentlichen Nahverkehr auf dem
Land. Doch reichen mehr Busse und Bahnen aus, um die Verkehrswende
voranzutreiben?
Ein Twitter-Thread zeigt Probleme auf – betrachtet das Thema
aber auch aus verschiedenen Perspektiven.
Damit die Verkehrswende auf dem Land gelingt, muss
öffentlicher Nahverkehr ausgebaut werden.
Doch auch dort, wo es bereits neue
Verbindungen gibt, werden diese teils nicht angenommen. Davon berichtet zum
Beispiel ein Twitter-Thread, unter dem zahlreiche User:innen über
die Vor- und Nachteile von Verkehrsmitteln wie Bus, Bahn auf dem Land
diskutieren.
Twitter-Thread: „Wir haben viel ÖPNV,
aber er wird kaum angenommen.“
So beginnt ein Twitter-User seinen „kleine[n] Rant am
Montagmorgen“. Bei ihm habe man vor kurzem ÖPNV („gemeint ist damit vor allem
der Bus“) massiv aufgestockt: „Teils von 5 bis 23 Uhr kommt man stündlich, im
Berufsverkehr sogar halbstündlich, in die nächste Stadt“, erklärt der User.
Es gäbe einen direkten Übergang zur Bahn, eingesetzt würden moderne Busse mit bequemen Sitzen, USB-Steckdosen an jedem Sitzplatz, mit Platz für Rollstuhl und Fahrrad. Auf einer bestimmten Linie fahren sogar Doppeldeckerbusse. Insgesamt sei dies ein „Zustand von dem viele ländliche Gebiete nur träumen können“, findet der User.
Ausgelastet sind die modernen Busse leider kaum – und
das verursacht Beschwerden. Wie der Urheber des Threads erzählt, höre er im
Dorf und im Bekanntenkreis ständig Kommentare wie „Ich verstehe gar nicht,
warum hier so viele Busse am Tag fahren. Fährt doch kaum einer mit.“
Daraus folgert er: „Das Problem ist nicht das Angebot,
sondern die eingefahrenen bequemen Strukturen.“ Als Beispiel dafür führt er
unter anderem Menschen an, die für die paar Kilometer in die Stadt lieber das
Auto nehmen. Andere würden mit dem Auto zur Arbeit fahren, obwohl diese weniger
als einen Kilometer entfernt ist.
„Es ist für viele einfacher sich Argumente einfallen zu lassen, warum man auf gar keinen Fall mit dem Bus fahren kann“, argumentiert er weiter. Zwar gebe es auch einige Menschen, die tatsächlich auf das Auto angewiesen sind. Doch er sei inzwischen der Überzeugung, dass der Wechsel für die Leute erst attraktiv wird, wenn sie sich das Auto wirklich nicht mehr leisten können.
Mit seinen Aussagen scheint der Urheber des Threads
einen Nerv getroffen zu haben. Einige User:innen stimmen ihm schlicht zu und
machen eigenen Ärger Luft: „Das gern vorgeschobene Argument ‚JA, aber
erst mal muss ja ein Angebot da sein, dann würd ich auch das Auto stehen
lassen‘ ist schlicht gelogen.“
Doch viele erzählen auch von eigenen Erfahrungen und
Problemen mit den Öffentlichen: Die Fahrzeiten seien länger und Verspätungen
seinen leider die Regel, erklärt zum Beispiel ein User. Eine Userin beschwert sich, dass Änderungen an
Fahrzeiten, Haltestellen und Linien nicht angekündigt würden.
Andere setzen wiederum auf konstruktive Vorschläge: Viele schlagen zum Beispiel vor, den ÖPNV günstiger anzubieten. Bei vergleichbaren Fahrzeiten zeigen sich User:innen optimistisch, dass man Teile der Bevölkerung überzeugen könnte, umzusteigen. Auch die Verfügbarkeit von Parkplätzen und Parkgebühren seien entscheidend. Andere setzen ihre Hoffnung auf die nächste Generation, „für die der ÖV selbstverständlich ist“.
Der Twitter-Thread ist bestimmt nicht der erste, zu
dem Thema, aber er ist exemplarisch. Dass die Bevölkerung auf dem Land viel
mehr auf das Auto angewiesen ist, ist ein Fakt – doch gibt es für das Problem
schnelle Lösungen?
Auch Studien haben sich dem Thema bereits gewidmet,
mit teils überraschenden Ergebnissen: Bei einer Umfrage des Institut für Demoskopie Allensbach
gaben 79 Prozent der Befragten aus Dörfern an, dass das Auto für sie
„unverzichtbar“ sei – doch auch bei Menschen aus
Großstädten waren es immerhin 53 Prozent. Auch die
Stadtbevölkerung, die über ausgebauten öffentlichen Nahverkehr verfügt, misst
dem Auto weiterhin also einen hohen Stellenwert zu.
Die Umfrage ergab auch: Schlechte Anbindungen
an den öffentlichen Nahverkehr ist nicht unbedingt das größte Hemmnis bei der
Umstellung. Nur 34 Prozent der Befragten, die etwas an ihrer Mobilität
ändern wollen, fühlten sich dadurch behindert. Der häufigste Grund: Laut 54 Prozent der Befragten ist es „einfach am
bequemsten, das Auto zu benutzen“.
Der öffentliche Nahverkehr ist also (noch) nicht
attraktiv genug, vor allem auf dem Land. Macht es dann Sinn, ihn auszubauen?
Utopia meint: Auf
jeden Fall. Denn je besser die Infrastruktur, desto besser die Fahrzeiten,
desto weniger Verspätungen – und desto bequemer. Das Prinzip hat sich in
Großstädten bereits bestätigt: Würde es mit Bus und U-Bahn doppelt oder
dreifach so lange dauern zum Ziel zu gelangen, dann wäre auch hier der
öffentliche Nahverkehr deutlich weniger besucht. Erschreckend ist jedoch, dass
auch in Städten das Auto für viele noch nicht wegzudenken ist. Denn hier sind
eigentlich deutlich weniger Menschen darauf angewiesen. Das zeigt: Wir müssen nicht
nur auf dem Land noch attraktivere Alternativen schaffen, sondern auch in
Städten, in ganz Deutschland.
Natürlich ändern sich Gewohnheiten nicht sofort. Doch wenn man nicht die Möglichkeiten zur Verfügung stellt, dann haben Menschen, die ihren Teil beitragen wollen, nicht einmal die Chance dazu.
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