An Herrn Dr. Robert Habeck
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
11019 Berlin
Betreff: Salem braucht Ihre Unterstützung
Sehr geehrte Herr Dr. Habeck,
Claus Kleber, der jahrelange Anchorman des Heute-Journals, sagte anlässlich seiner Verabschiedung, jetzt habe er mehr Zeit für einen der schönsten Flecken Deutschlands – den Bodensee. Die Bodenseeregion ist bekannt für ihre einmalige Natur- und Kulturlandschaft. (siehe dazu den eindrücklichen Film von 2004 hier)
Salem, die Gemeinde, aus der wir Ihnen schreiben, beherbergt von den Top Ten Sehenswürdigkeiten am Bodensee drei und ist nicht nur deutschlandweit, sondern international bekannt. Salem ist eine Flächengemeinde und ein staatlich anerkannter Erholungsort. Geprägt durch eine jahrhundert-alte Natur- und Kulturlandschaft, einst geschaffen von den Mönchen des Klosters Salem, welches sich heute in Landesbesitz befindet.
Nach den, vom Regionalverband Bodensee Oberschwaben beschlossenen Plänen soll Salem ein Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe werden und das bestehende Gewerbegebiet um 27,1 ha vergrößert werden. Dafür wird der bisher geschützte Grünzug bei Salem-Neufrach versiegelt werden. Unsere Gemeinde mit 11.500 Einwohner*innen hätte dann in Zukunft das zweitgrößte Gewerbegebiet im Bodenseekreis.
Wir schreiben Ihnen heute als Mitglieder des „Aktionsbündnisses Grünzug Salem“, einem breiten Bündnis aus Salemer Bürgerinnen und Bürgern sowie diversen Organisationen u. a. dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) Salem sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Salem, das für den Erhalt des geschützten Grünzugs und gegen die Ausweisung des Schwerpunkts für Industrie und Gewerbe eintritt.
Unsere Argumente lauten (hier in unserem Blog festgehalten)
- Der geschützte Grünzug hat eine sehr hohe klimatische Bedeutung für die Durchlüftung des Salemer Tals. Schon das bestehende Gewerbegebiet ist ein Wärmespeicher, so dass die angrenzenden Teilorte nachts nicht mehr ausreichend abkühlen.
- Der geschützte Grünzug liegt zwischen zwei Fließgewässern und verhindert durch seine Speicherwirkung einen schnellen Anstieg des Pegels bei Starkregen. Die Versiegelung durch ein Industriegebiet erhöht die Hochwassergefahr für die bachabwärts liegenden Gemeinden.
- Die bestehende eingleisige und nicht elektrifizierte Bahnlinie ist selbst für den Personenverkehr völlig unzureichend. Schienengüterverkehr ist in den Planungen für die Ertüchtigung der Bahnstrecke nicht vorgesehen. Der gesamte Schwerlastverkehr muss durch die Teilorte fahren, die laut Lärmgutachten bereits jetzt an ihrer Belastungsgrenze sind.
- Der geschützte Grünzug ist eine wichtige landwirtschaftlich genutzte Fläche, denn er weist Böden der höchsten Güteklasse auf. Eine Versiegelung wäre irreversibel und würde der Landwirtschaft ihre Daseinsgrundlage entziehen. Zudem ist zu erwarten, dass unsere Landwirte weitere Flächen als Ausgleichsflächen abgeben müssen.
- Selbst der zum Regionalplan gehörende Umweltplan kommt bei der Abwägung der Schutzgüter zu einem negativen Ergebnis
Mit unserer Kritik am Regionalplan stehen wir nicht allein. Es gibt inzwischen in der gesamten Region über 50 Initiativen gegen die geplante Fortschreibung des Regionalplans. Einen guten Überblick finden Sie unter: https://fairwandel-sig.de/regionalplan/ und https://regionboden-seeoberschwaben.blogspot.com/
Im vorgelegten Regionalplanentwurf vermissen all diese Initiativen aus unterschiedlichen Teilen der Region Bodensee-Oberschwaben einen zukunftsweisenden, nachhaltigen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. Unsere Proteste und Aktivitäten haben einen großen Nachhall in der örtlichen und überörtlichen Presse gefunden. Anfang des Monats hat die Schwäbische Zeitung das Ringen um den Regionalplan gut zusammengefasst:
„Einen solchen Widerstand und Proteste gegen die Fortschreibung eines Regionalplans wie im vergangenen Jahr hat es in der Region noch nicht gegeben. Vor allem Naturschützer, Klimaaktivisten und die Gegner der umstrittenen Kiesgrube in der Nähe des Vogter Teilorts Grund schlossen sich zu einem breiten Aktionsbündnis zusammen. Baumbesetzer machten sich im Altdorfer Wald breit, Diskussionsrunden und Demonst-rationszüge hat es gegeben.“
Lieber Herr Dr. Habeck, Sie sind in der Presse als der Superminister gefeiert worden, der die Interessen von Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen wird. Anders als uns oft unterstellt wird, sind wir keineswegs wirtschaftsfeindlich eingestellt. Im Gegenteil: wir treten mit unserer Forderung, den geschützten Grünzug zu erhalten, auch klar für die Landwirtschaft ein, die die Fläche seit Jahrzehnten ökonomisch erfolgreich bewirtschaftet. Hier gibt es bereits die angestrebte Harmonie zwischen Ökonomie und Ökologie. Diese aufzugeben zu Gunsten von Industriebetrieben, deren Nachhaltigkeit und Rentabilität im Vorfeld noch völlig unklar ist, und weitere Industriebrachen zu riskieren, ist ökonomisch nicht zielführend.
In der heutigen Zeit muss bei jeder Planung das oberste Ziel eine strikte Reduktion der Flächen-inanspruchnahme durch Siedlung, Gewerbe/Industrie und Infrastruktur erfolgen.
Wir fordern daher ein Gesetz, das verbindlich regelt, wann und wie der Übergang zur Flächen-kreislaufwirtschaft erfolgt.
Bisherige Flächensparziele als reine Absichtserklärungen sind unzureichend!
Die Flächeninanspruchnahme durch die Kommunen muss von den übergeordneten Baubehörden auf Kompatibilität mit den Landes- und Bundeszielen kontrolliert werden. Ein System, das sich wie bisher nur am fragwürdigen Bedarf orientiert, wird nie in der Lage sein, begrenzend auf den Flächenbedarf einzuwirken.
Daher bitten wir Sie, ein Gesetz zu verabschieden, dass die regionalen und kommunalen Planer zwingt, die Flächensparziele des Bundes und der Länder zu einzuhalten.
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