Sonntag, 13. Februar 2022

Wie diplomatisch sind Klima-Aktivisten?

DER SPIEGEL – SPIEGEL Klimabericht <themennewsletter@newsletter.spiegel.de>
Susanne Götze

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten als im Bundeswirtschaftsministerium ein Staatssekretär beschäftigt war, dem nachgesagt wird, dass er sich Reisen vom Ölstaat Aserbaidschan bezahlen lässt und der durch Klimaleugner-Thesen auffiel

(Anmerkung: na wer würde den denn nicht kennen im Ländle?
Und erinnern sie sich auch noch an die denkwürdige Wahlkampf-Rede in Bad Saulgau, mit Merz als Gast dieses Abends?
Denn damals erklärte Merz „alle möglichen Umweltverbände“ – namentlich nannte er Greenpeace und den Naturschutzbund (Nabu) – zu Gegnern von Demokratie und Marktwirtschaft.
So ein Zufall aber auch !   hier )

Oder an einen Fachreferenten, der bei der Anti-Windkraft-Bürgerinitiative »Vernunftkraft« aktiv war und einen Abgeordneten, der seine Kontakte nach »ganz oben« für eine windige Firma spielen ließ? Das ist gefühlt schon lange her – und die Partei der drei Herren (CDU) sitzt jetzt in der Opposition.

Heute, einige Monate später, ist die Union aber wieder ganz vorn dabei, wenn es heißt, andere des Lobbyismus zu bezichtigen

Während Unionspolitiker gerade im vergangenen Jahr durch teils gravierende Interessenkonflikte auffielen, hat Jennifer Morgan sich bisher noch nichts zuschulden kommen lassen. 

Allerdings muss die neue Sonderbeauftragte zu ihrem bisherigen Job nun einen klaren Schnitt machen, wie es die Organisation Lobbycontrol richtig anspricht. Sie sollte unbedingt dafür sorgen, dass die Organisation von der Stellung ihrer ehemaligen Chefin nicht profitiert und auch keinen privilegierten Zugang zum Auswärtigen Amt bekommt, so der Lobbyexperte Timo Lange im Deutschlandfunk. Morgan handle jetzt nur noch im Interesse Deutschlands.

Bei der neuen Personalie im Auswärtigen Amt steht aktuell aber eine andere Frage im Vordergrund: Kann eine Aktivistin auch Diplomatin sein? Denn in einem Punkt haben die Konservativen nicht unrecht: Werden traditionell schwierige Staaten wie Saudi-Arabien, Russland oder China eine Verhandlerin ernst nehmen, die das »Greenpeace-Label« trägt, so wie es CDU-Mann Jürgen Hart ausdrückt?

Diese Sorge ist angesichts der schwierigen Weltlage nachvollziehbar. 2022 ist ein Schlüsseljahr für die Umsetzung des Weltklimaabkommens. Was die Staaten versprochen haben, muss nun eingelöst werden. Doch die Lage in der Ukraine belastet auch den Klimaschutz: »Alle gut gemeinten Pläne könnten durch eine Eskalation komplett über den Haufen geworfen werden«, warnt John Podesta, Ex-Klimaberater von Barack Obama, im Interview mit dem SPIEGEL.

Tatsächlich ist das Konstrukt der weltweiten Klimadiplomatie ein äußerst fragiles. Aller Erfolg beruht auf Freiwilligkeit, Vertrauen und einer positiven Grundstimmung der Kooperation. Ist das nicht gegeben, bewegt sich wenig. Das Besondere an der jetzigen Ernennung ist deshalb gar nicht so sehr, dass die Grünen sich klimabewegte Berater an ihre Seite holen. Viel entscheidender ist die Dimension der Entscheidung: Denn im Außenministerium geht es um die hohe politische Kunst der Diplomatie, um Fingerspitzengefühl und Konsensfindung. Es geht um Kriegsgefahren, Handelskonflikte, Befindlichkeiten. Und sicherlich gehört im Jahr sechs des Pariser Klimaabkommens auch die Klimapolitik unbedingt mit zur Außenpolitik dazu. 

Damit das Weltklimaabkommen funktioniert, müssen Energiekooperationen, Hilfen und Kreditzusagen organisiert werden. Ganz zu schweigen von den heißen Diskussionen um Steuern und internationale CO2-Märkte. Es ist also folgerichtig, dass die Außenministerin Annalena Baerbock nun die Klimaaußenpolitik koordiniert. Doch ist es klug ihr eine Klimaaktivistin an die Seite zu stellen?

Die grüne Community verteidigt Morgan heftig: Sie sei »sehr diplomatisch.« Tatsächlich ist die gebürtige US-Amerikanerin schon seit den Anfängen in der Klimadiplomatie mit dabei – praktisch seit in den 1990er-Jahren. Deshalb ist sie sicherlich gut vernetzt und kennt sich bestens aus mit den oft hochkomplexen Feinheiten der Materie.

Dennoch: Jennifer Morgan war bisher unübersehbar auch eine Aktivistin, die sich nie gescheut hat, bei Aktionen ganz vorn dabei zu sein. Wer öfter auf Uno-Klimakonferenzen unterwegs ist, kennt Morgan als beinharte Kritikerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Jahrelang beklagte Morgan nach jeder Klimakonferenz, dass die Ergebnisse unzureichend oder sogar »moralisch inakzeptabel« seien. So erklärte die ehemalige Greenpeace-Chefin noch im November in Glasgow, dass sie auf der Weltklimakonferenz nur »Subversion, Sabotage und Selbstsucht der Mächtigen« sehe. Arme Länder müssten hingegen ums Überleben kämpfen und nur Aktivisten würden für echte Gerechtigkeit kämpfen. Zusammen mit Greta Thunberg störte sie auch Pressestatements von Firmen wie BP oder Shell. Ihre schwedische Kollegin erklärte gar die gesamte Konferenz zum Greenwashing-Event.

Das alles ist für eine Aktivistin kein Problem, sondern sogar ihre Aufgabe. Doch die Berufsbeschreibung einer Diplomatin ist so gut wie das komplette Gegenteil: Hier ist taktisches Gefühl und Verhandlungsgeschick gefragt. Das Vertrauen seines Gegenübers muss man sich hart erarbeiten – und Jennifer Morgan dürfte es am Anfang schwer haben, wenn sie bald in Meetings auf die Vertreter von Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien trifft. Wie gut werden diese Länder ihr die Rolle der Konsens-suchenden Diplomatin abnehmen? Trifft man hier den falschen Ton, riskiert man schnell den kompletten Rückzug von großen Klimasündern.

Ihr Vorgänger Jochen Flasbarth, der die Klimaverhandlungen jahrelang für das Umweltministerium leitete, ist (natürlich!) zuversichtlich: »Wir werden gemeinsam ein starkes Klimateam sein«, sagte er dem SPIEGEL. Er wird Jennifer Morgan als neuer Staatssekretär des Bundesentwicklungsministeriums bei den Vorbereitungen der kommenden Klima-Treffen kennenlernen. Bisher hat er sie vor allem als Kritikerin seiner Arbeit erlebt – nun wird sie seine Kollegin.

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