EWS Schönau hier Ein Bericht von Roland Knauer
Methan verursacht mehr als ein Fünftel der Klimaerwärmung – umso wichtiger ist es, die menschengemachten Quellen des Treibhausgases auszumachen.
.....Auf der Rangliste der Klimagase erreicht Methan ohne ernsthafte Konkurrenz Platz zwei, satte 23 Prozent der menschengemachten Klimaerwärmung gehen auf sein Konto. Das berichtet das «Global Carbon Project» (GCP), in dem seit dem Jahr 2001 Forscher aus aller Welt den Kreislauf von Kohlenstoff und Klimagasen untersuchen. Und dennoch wird Methan in der Klimadiskussion nach wie vor ein wenig stiefmütterlich behandelt. Eigentlich erstaunlich, denn Maßnahmen zur schnellen Reduktion des Methanausstoßes erscheinen besonders lohnenswert – verschwindet dieses Gas im Durchschnitt doch bereits nach ungefähr neun Jahren wieder aus der Luft, während Kohlendioxid deutlich länger in der Atmosphäre bleibt. Die durch Methan ausgelöste Klimaänderung lässt sich also viel schneller als beim Kohlendioxid bremsen. Umso wichtiger ist es, ein besseres Verständnis für die vielfältigen natürlichen und anthropogenen Quellen dieses Treibhausgases zu entwickeln.
In der Natur wird Methan von jeher ständig neu gebildet. Dies geschieht zum Beispiel bei geologischen Prozessen wie Vulkanausgasungen, aus denen aber lediglich ein kleiner Bruchteil des neu entstehenden Treibhausgases stammt. Erheblich größere Mengen bildeten sich dagegen vor Hunderten von Millionen Jahren: aus Algen und anderen Mini-Lebewesen, die auf den Grund des Meeres sanken. Oder aus toten Bäumen, die einst in einem sumpfigen Wald umfielen. Im Inneren der Erde entstand so aus den Landpflanzen im Laufe der Jahrmillionen Kohle, während sich aus den Algen Erdöl bildete. Gleichzeitig entstanden bei diesen Prozessen aber auch gasförmige Kohlenstoffverbindungen, von denen der weitaus größte Teil aus Methan besteht.
Hoher Eintrag durch Nutzung von Fossilenergie
Doch erst seit die Menschheit fossile Brennstoffe nutzt, werden diese Treibhausgase wieder freigesetzt. So entweicht beim Kohleabbau reichlich Methan als «Grubengas» aus den Flözen: satte 42 Millionen Tonnen – und damit ein erklecklicher Teil der 576 Millionen Tonnen, die jährlich aus natürlichen und von Menschen zu verantwortenden Quellen in die Luft gelangen, wie das «Global Carbon Project» nachgewiesen hat.
So entfällt immerhin ein Drittel der aus der Nutzung fossiler Brennstoffe verursachten jährlichen Methanemissionen auf die Kohleindustrie. Nahezu die gesamten restlichen zwei Drittel – etwa 80 Millionen Tonnen – gehen laut GCP auf das Konto der Erdöl- und Erdgasindustrie. Dort entweicht das Methan aus ungewollten Lecks, aus undichten Ventilen, aber auch bei gezielten Handlungen wie dem Reinigen und Trocknen von Erdgaspipelines. Es wird aber auch aus einigen Versorgungsnetzen frei, über die Energieunternehmen das Erdgas an die Verbraucher verteilen.
Die durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen frei werdenden Methanmengen lassen sich im Prinzip recht gut abschätzen. Dem Methan aus diesen Quellen fehlt das radioaktive Kohlenstoff-14-Isotop, das während der langen Zeit unter der Erde zerfallen ist. Von der Gesamtmenge des «alten» Methans (ohne C14) ziehen die Forscher die durch natürliche Prozesse wie Sickerquellen und Schlammvulkane aus unterirdischen Lagerstätten entweichenden Mengen ab. Sie schätzen diese bisher auf 40 bis 60 Millionen Tonnen.
Doch diese Kalkulation liefert falsche Ergebnisse, das berichteten Benjamin Hmiel von der «University of Rochester» und seine Kollegen im Frühjahr 2020 in der Zeitschrift «Nature»: Ihre aufwendigen Analysen des ewigen Eises von Grönland und der Antarktis aus Zeiten vor der Nutzung fossiler Energieträger ergaben, dass die natürlichen Quellen damals im Schnitt wohl nur rund 1,6 Millionen Tonnen altes Methan jährlich in die Luft entließen.
Es lohnt sich mehr als bisher gedacht, die Methanlecks zu stopfen.
Das aber ändert die Bilanz des alten Methans erheblich: «Jedes Jahr dürften demzufolge 38 bis 58 Millionen Tonnen Methan mehr als bisher vermutet aus Lecks bei der Förderung, dem Transport und der Verwendung von Erdgas in die Luft gelangen», schätzt Benjamin Hmiel. «Diese Überraschung zeigt, dass es sich noch mehr als bisher gedacht lohnt, die Methanlecks in dieser Branche zu stopfen», ergänzt Martin Heimann, der am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena den Kreislauf von Treibhausgasen untersucht.
Methanogene – winzig klein, aber groß in der Wirkung
Doch nicht nur aus Sickerquellen und Schlammvulkanen entweicht Methan. Es gibt noch weitere Großproduzenten, die jedes Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre entlassen: winzig kleine Mikroorganismen, die von Wissenschaftlern als «Methanogene» zusammengefasst werden. Diese Winzlinge haben es gelernt, ihre Energie aus den Überresten toter Organismen zu gewinnen. Als Abfall bleibt Methan übrig, das sie an die Umwelt abgeben. Da Methanogene keinen Sauerstoff mögen, sind sie nur in Umgebungen aktiv, die keinen direkten Kontakt mit der Luft haben.
Zu finden sind sie in den mit Wasser überfluteten Reisfeldern – aber vor allem in Mooren und Sumpfgebieten, wo das Wasser bis zur Oberfläche steht und der Sauerstoff aus der Luft nur wenig in die Tiefe vordringen kann: ein wahres Schlaraffenland für Methanogene.
Methan heizt das Klima 28-mal stärker auf als Kohlendioxid.
Das früher auch «Sumpfgas» genannte Gas gelangt allerdings nur selten vollständig in die Luft. Denn es existieren noch weitere Mikroorganismen, deren Lebenselixier wiederum das Methan ist. Sie leben in den obersten Zentimetern von Feuchtgebieten, in denen es noch geringe Mengen an Sauerstoff gibt, und verwandeln damit das Methan in Kohlendioxid. Große Mengen des in der Tiefe produzierten Methans werden so zu Kohlendioxid umgesetzt. Paradoxerweise hilft genau das, das Klimaproblem aus diesen Quellen erheblich zu entschärfen, schreibt Marielle Saunois von der «Université Paris-Saclay» gemeinsam mit ihren Kollegen vom «Global Carbon Project»: «Wenn man einen Zeitraum von hundert Jahren betrachtet, sehen wir, dass Methan das Klima zwar 28-mal stärker als Kohlendioxid aufheizt, aber – im Gegensatz zum lange wirksamen Kohlendioxid – nur über einen kurzen Zeitraum.» Trotz der Myriaden aktiver Methanfresser blubbern pro Jahr immer noch durchschnittlich 181 Millionen Tonnen Methan aus den Feuchtgebieten der Erde in die Atmosphäre.
Extreme Methanbilanz der Milch- und Fleischindustrie
Ähnlich sauerstofffreie Zonen gibt es in den Eingeweiden vieler Tiere, auch dort siedeln Methanogene. So produzieren die Mikroorganismen in den Verdauungsorganen von Termiten weltweit jedes Jahr um die neun Millionen Tonnen Methan. Das Gleiche geschieht auch bei vielen anderen freilebenden Tieren, die allerdings vergleichsweise geringere Methanmengen produzieren.
Wesentlich relevanter für die Klimabilanz sind die Wiederkäuer in den Ställen und auf den Weiden. Denn anders als wir Menschen können sie die im Gras reichlich vorkommende Zellulose verdauen – und verwandeln so eine uns unzugängliche Ressource in hochwertige Nahrungsmittel wie Fleisch und Milchprodukte. Das gelingt den Wiederkäuern mit einer Mischung verschiedener Mikroorganismen, zu denen auch Methanogene gehören, die bei konstanter Körpertemperatur und permanentem Nachschub von zermahlenen Pflanzenfasern ideale Lebensbedingungen vorfinden. Da weltweit eineinhalb Milliarden Rinder, eine Milliarde Schafe und fast ebenso viele Ziegen gehalten werden, rülpsen diese Nutztiere riesige Mengen Methan aus. Und da die Mikroorganismen auch in den Ausscheidungen der Tiere weiter aktiv sind, liefert auch noch die Gülle reichlich Methan. Insgesamt ist die Milch- und Fleischindustrie alleine mit ihren Wiederkäuern für 111 Millionen Tonnen Methan verantwortlich – und damit für rund ein Drittel der Emissionen, die auf das Konto der Menschheit gehen.
Deponien, Brände, Kochfeuer
Etwas weniger ins Gewicht fallen dagegen die Methanemissionen, die Methanogene im Inneren von Mülldeponien und Kläranlagen produzieren und die zum Beispiel durch deren Entlüftung entweichen. Insgesamt werden dabei weltweit 65 Millionen Tonnen Methan freigesetzt, was rund zwölf Prozent der anthropogenen Emissionen ausmacht.
Weitere 17 Millionen Tonnen werden frei, wenn Wälder und Grasländer in Brand geraten oder abgefackelt werden, um Acker- oder Weideland zu gewinnen. Und noch einmal zwölf Millionen Tonnen Methan steigen aus den Feuern auf, mit denen zwei Milliarden Menschen in den ärmeren Regionen der Erde Holz, Holzkohle, Erntereste oder Viehdung verbrennen, um ihre täglichen Mahlzeiten zuzubereiten. Dazu kommen noch eine Reihe weiterer Methanquellen, wie Methanogene am Grund von Seen und Ozeanen, über die bisher nur wenig bekannt ist.
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«Wildcards» im hohen Norden
Nur kann dieses Mosaik sehr unterschiedlicher Methanemissionen für das Weltklima ein wichtiger Kippschalter werden. Schließlich speichern die riesigen Permafrostflächen in Sibirien und Nordamerika gigantische Mengen Kohlenstoff. Er stammt aus Pflanzen, die einst dort gewachsen sind und im Permafrost gut konserviert werden. Insgesamt stecken in den Permafrostböden des hohen Nordens zwischen 1.100 und 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – im Vergleich mit den 800 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der Atmosphäre ein gewaltiges Klimapotenzial, das rasch freigesetzt werden könnte, wenn steigende Temperaturen die Dauerfrostböden weiter auftauen und so den Methanogenen Futter bieten. Solche Ereignisse, die mit einer eher geringen Wahrscheinlichkeit eintreten können, dann aber enorme Wirkung hätten, bezeichnen Zukunftsforscher als «Wildcard».
Eine weitere derartige «Wildcard» stellt die Methanproduktion am Grund der flachen Schelfmeere vor der Küste im Nordosten Sibiriens dar. Das dort entstandene Methan ist aufgrund des Drucks und der niedrigen Wassertemperatur als Methanhydrat gebunden – Wassermoleküle haben das Methan umschlossen, von Chemikern «Clathrate» genannt. Steigen die Wassertemperaturen, zerfallen diese «Molekülkäfige». So könnten in den Schelfmeeren Sibiriens schlagartig große Mengen Methangas in die Atmosphäre freigesetzt werden und das Klima stark anheizen.
Dauerfrostböden und feste Methan-Clathrate könnten das Spiel möglicherweise wenden.
«Bisher zeigen unsere Messungen kaum erhöhte Methanmengen, die aus den Schelfmeeren oder den Dauerfrostböden aufsteigen», erklärt Max-Planck-Forscher Martin Heimann. Nur könne sich das in Zukunft durchaus ändern, wenn steigende Temperaturen das Meerwasser weiter aufwärmen und den Permafrost Stück für Stück auftauen. «Dauerfrostböden und feste Methan-Clathrate am Meeresgrund sind Wildcards, die heute noch kaum eine Rolle spielen, in Zukunft das Spiel aber möglicherweise wenden könnten», fasst Martin Heimann die Situation im hohen Norden zusammen.
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