Mittwoch, 4. Januar 2023

Warum Streuobst verramscht wird

2.1.23 VON WALTHER ROSENBERGER WALTHER.ROSENBERGER@SUEDKURIER.DE hier

Während sich die Erzeugung konventioneller Lebensmittel für viele Bauern wieder richtig lohnt, sieht es bei Streuobst anders aus. Zum wiederholten Mal sind die Obstpreise in Baden-Württemberg in der abgelaufenen Erntesaison deutlich hinter dem Bundesschnitt zurückgeblieben. Wie aus aktuellen Daten der Initiative Hochstamm Deutschland (IHD) hervorgeht, erhielten Streuobstwiesenbesitzer 2022 bundesweit durchschnittlich 11,50 Euro pro hundert Kilogramm Saftobst von Keltereien und der Getränkeindustrie. In Baden-Württemberg waren es hingegen nur rund 9,90 Euro.

„Hoher Zeitaufwand bei der Produktion“ stehe niedrigen Erzeugerpreisen gegenüber, hieß es von der im baden-württembergischen Rohrdorf, nahe Nagold, ansässigen Initiative. Im Ergebnis liege der Stundenlohn für Streuobstwiesenbesitzer „weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn“. Langfristig seien höhere Mostobstpreise eine wichtige Grundlage für den Erhalt der wertvollen, bäuerlichen Kulturlandschaften.

Grün-Schwarz fördert wenig

Baden-Württemberg wirbt derzeit noch mit den größten zusammenhängenden Streuobstflächen Mitteleuropas. Rund 89 000 Hektar der vor allem mit Apfelbäumen bepflanzten Stückle soll es noch geben. Allerdings ist die letzte echte Erhebung Jahre her, und jedes Jahr werden viele Flächen aufgrund des permanenten Preisdrucks im Obstmarkt aufgegeben. In den letzten gut 50 Jahren sind Schätzungen zufolge rund 60 Prozent der Streuobstwiesen im Land verschwunden. Allein seit 2009 ist laut Stuttgarter Landwirtschaftsministerium ein Rückgang um 17 Prozent zu verzeichnen.

Obwohl sich die grün-schwarze Landesregierung im Koalitionsvertrag Anfang 2021 klar für den Erhalt der Flächen ausgesprochen hat, konnte man sich bisher nicht auf eine substanzielle Anhebung der Förderung einigen. Insbesondere Kleinerzeuger gehen bei den bestehenden Programmen fast leer aus.

Die Erzeugerpreise gehen derweil immer mehr in den Keller. Insbesondere für hochwertiges Bio-Mostobst erhalten die Bauern und privaten Kleinerzeuger immer weniger. Nach IHD-Daten sind sie 2022 im Vergleich zum Vorjahr im Bundesschnitt noch einmal um rund einen Euro auf 15,50 Euro pro hundert Kilo Bioäpfel gesunken.

Im Edelsegment des Bio-Direktsaftes stehen die Preise vor allem durch eine sinkende Zahlungsbereitschaft der Endkunden unter Druck. Finanzielle Einbußen infolge der Corona-Krise sowie der sich daran anschließenden Inflation, führen dazu, dass die Verbraucher vermehrt zu Billig-Säften vom Discounter greifen.

Fast ebenso bedeutsam ist indes, dass in den vergangenen Jahren enorme Anbauflächen in Osteuropa die Produktion aufgenommen haben. Seit den EU-Sanktionen gegen Russland infolge der Annexion der Krim 2014 fällt Russland aber als Obst- und Saft-Exportland weg. Die Folge sind erhebliche Übermengen an Biosaft und -Konzentrat in der EU. Dieses Phänomen drückt – zusammen mit immer mehr Bio-Plantagen hierzulande – auf die Preise.

Die niedrigen Preise machen auch den Weiterverarbeitern zu schaffen. Laut Verband der agrargewerblichen Wirtschaft (VdaW) stünden die Keltereien „vor großen Herausforderungen“. Hinzu kommen steigende Energiepreise, Engpässe bei Pfandflaschen und Personalnot.

Probleme mit Bio-Äpfeln

Offenbar gelingt es der Branche in manchen Landesteilen dennoch, den Obst-Lieferanten auskömmliche Preise zu bezahlen. Laut IHD-Daten lagen die Mostobstpreise im vergangenen Jahr in Bayern mit knapp 16,40 Euro fast sieben Euro über dem Durchschnittspreis in Baden-Württemberg. Bayerische Bio-Obsterzeuger erhielten gar 23 Euro, wohingegen ihre Südwest-Kollegen sich mit nur 14,40 Euro zufrieden geben mussten. Zudem fördert der Freistaat seine Erzeuger erheblich. Durch den sogenannten „Streuobstpakt“ wurden staatliche Zuschüsse in Bayern 2021 als Reaktion auf die Preiskrise noch einmal deutlich erhöht.

IHD-Vorsitzende Martina Hörmann appellierte an die Streuobstwiesen-Besitzer sich zusammenzuschließen und Obst gemeinsam zu vermarkten, um „einer atomistischen Angebotsstruktur“ entgegenzuwirken. Für eine stärkere Position, die auch Preisverhandlungen ermöglicht, ist ein Zusammenschluss von Erzeugerbetrieben sehr wichtig“, sagte sie.

Außerdem rief Hörmann die Wiesenbesitzer auf, ihre Preise an IHD zu melden. Die Initiative hat eine Webseite entwickelt, auf der alle Streuobstpreise eingetragen und auch abgerufen werden können. Dieses sogenannte Preisbarometer Streuobst, diene den Erzeugern dazu, Preise besser vergleichen zu können und Keltereien mit zu geringen Preisen auszusortieren.

„Für eine stärkere Position, die auch Preisverhandlungen ermöglicht,
ist ein Zusammenschluss von Erzeugerbetrieben sehr wichtig.“

Martina Hörmann, Vorsitzende der Initiative Hochstamm Deutschland


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