Zeit hier 19. Januar 2023
Fünf vor acht / Energiepolitik Eine Kolumne von Petra Pinzler
Die Ampel-Regierung und das grüne Wirtschaftsministerium fördern fossile Energie still und leise mit Milliarden. Das zeigt: Der Einfluss der Lobbyisten ist weiter groß.
Wenn Lobbyisten so richtig gut sind, dann verändern sie nicht nur Gesetze zu ihren Gunsten. Sie verändern sie auch noch so, dass es keiner merkt. Besonders gut können das in der Regel diejenigen, die reiche, alte Unternehmen vertreten. Die haben nicht nur das nötige Geld, ihre Vertreterinnen und Vertreter haben auch lange vertraute Beziehungen in die Politik. Oft genug reicht es ihnen, bereits vorhandene, gut versteckte Privilegien fortzuschreiben, also einen kleinen, versteckten Paragrafen zu erhalten oder sanft umzuschreiben.
In der Energiebranche haben zurzeit diejenigen ein besonders starkes Interesse am Hinterzimmerlobbyismus, die ihr Geld seit Jahrzehnten mit fossiler Energie verdienen. Sie müssen mitnehmen, was noch geht – denn irgendwann geht vielleicht gar nichts mehr. Schließlich tickt bei ihnen die Uhr. Ihr Geschäftsmodell, das Verbrennen von Kohle, Gas und Öl, geht unweigerlich auf ein Ende zu – jedenfalls in den Ländern, die die Sache mit der Klimakrise und der CO₂-Neutralität ernst nehmen. Also auch im Ampel-regierten Deutschland, jedenfalls offiziell. Inoffiziell sieht die Sache teils völlig anders aus.
Auch unter einem grünen Minister Robert Habeck haben die Fossilen ihren Einfluss im Wirtschaftsministerium und im Bundestag nicht verloren. Das lässt sich nicht nur damit erklären, dass der Minister gerade mal übergangsweise die Kohlemeiler anwerfen und neue Gasterminals bauen muss, um schnell Ersatz für die russischen Lieferungen zu organisieren. Also damit, dass wir in einem ganz besonderen Jahr leben – und deswegen übergangsweise durchaus wieder mehr auf Kohle und Gas aus der ganzen Welt angewiesen sind.
Gaskraftwerke werden unbefristet gefördert
Es liegt vielmehr daran, dass die fossilen Lobbyisten und Lobbyistinnen im Hintergrund weiter ziemlich erfolgreich dabei sind, ihre langfristigen Interessen abzusichern. Sie sind dort aktiv, wo im Ministerium Paragrafen für neue Gesetze geschrieben oder im Parlament noch einmal verändert werden. Dort, wo gewinnbringende Regeln entstehen, die kein normaler Mensch versteht. So wie bei den folgenden zwei Beispielen aus dem vergangenen Jahr.
Es ist keine ganz leichte Lektüre, es geht ums Kleingedruckte. Aber die Folgen sind gravierend – und widersprechen der konsequenten Energiewende, die die Koalition versprochen hat.
Da hat beispielsweise der Bundestag kurz das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reformiert und damit nicht nur die Energiewende erleichtert. Er hat auch – weit vorausschauend – ein Ende der Förderung definiert. Spätestens 2030, wenn der Kohleausstieg vollzogen ist, sollen auch Erneuerbare nicht mehr staatlich gefördert werden. Das Gesetz bekam viel Lob.
In der gleichen Sitzung aber beschloss der Bundestag auch die zeitlich unbegrenzte (!) Förderung von neuen Gaskraftwerken. Ja, Sie haben richtig gelesen: von Gaskraftwerken. Sogenannten KWK-Anlagen, die Strom und Wärme produzieren, garantiert künftig der Staat einen Zuschlag von sechs Cent für jede Kilowattstunde Strom – zusätzlich zu dem Geld, das sie auf dem Markt erwirtschaften. Sechs Cent klingt nach nicht viel. Doch insgesamt, so erste Schätzungen, wird diese neue fossile Subvention dieses Jahr etwa eine Milliarde Euro kosten.
Es ist völlig absurd, dass der Staat mitten in der Gaskrise auch noch neue Erdgaskraftwerke fördert. Das steht der Transformation diametral entgegen", sagt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE). Dass er sich ärgert, liegt natürlich auch daran, dass sein Verband andere Interessen hat, nämlich die Förderung der Erneuerbaren. Aber dieses Interesse deckt sich ja genau mit dem, was diese Regierung offiziell auch will: mehr Wind- und Solarenergie.
Wenn Busch also davor warnt, dass die neue Subventionierung von Gaskraftwerken viele Stadtwerke nun noch zu umweltschädlichen Investitionen anregen wird, ist das schon ein Grund zur Sorge: Bauen sie in den kommenden Jahren eine KWK-Anlage statt eines grünen Kraftwerks, kommt die Energiewende noch langsamer voran. Denn Kraftwerke, die einmal gebaut sind, werden nicht gleich wieder abgeschaltet.
Dabei ginge es anders. Längst gibt es funktionierende Großkraftwerke, die auf grüne Weise Wärme erzeugen. Beispielsweise in Mannheim, in Bundorf oder auch im dänischen Aalborg.
Und noch eine Milliarde
Beim BNE ist dieses Ärgernis allerdings nur eines unter vielen. Ebenso absurd findet man dort beispielsweise etwas, was sich "vermiedene Netzentgelte" nennt. Auch hinter diesem harmlosen Wort versteckt sich viel Geld, nämlich eine weitere Milliarde Euro Subventionen, die über komplizierte Rechnungen an die Verkäufer fossilen Stroms verteilt werden.
Diese Förderung stammt noch aus den Frühzeiten der Stromerzeugung, als kleine Kraftwerke manchmal eingesetzt werden mussten, um die Netze zu stabilisieren. Längst jedoch können diese Schwankungen aushalten, die Förderung ist nicht mehr notwendig. Ursprünglich sollten diese Summen daher im Sommer aus der Stromnetzentgeltverordnung gestrichen werden. Das Wirtschaftsministerium hatte es jedenfalls in seiner ersten Vorlage so geplant. Doch im letzten Moment verschwand die geplante Streichung – und der Bundestag beschloss die Novelle inklusive des alten Paragrafen. Die Förderung geht also auch in Zukunft weiter.
Eine Milliarde hier, eine dort – die Subventionen summieren sich und zeigen: Auch die Ampel-Koalition und das grüne Wirtschaftsministerium fördern fossile Energie mit stattlichen Summen.
Deswegen sollte man auch bei dieser Regierung und bei diesem grünen Minister besser zweimal hinschauen. Wo grün draufsteht, steckt nicht immer grün drin.
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