Recycling-Baustoffe aus Aushubmaterial
Am 11.11.22 wurde zur Betriebsbesichtigung eingeladen. Die Firma Zwisler GmbH in Biggenmoos/ Tettnang stand im Mittelpunkt.
Eingeladen wurde mit dem Hinweis auf einen Bericht in der Schwäbischen Zeitung: "Schwere Maschinen treffen auf Nachhaltigkeit". Und es ging - man kann es sich fast denken - um Kreislaufwirtschaft im Kies- und Sandgeschäft.
Im Regionalverband geht es beim Kiesabbau rund, auch in der Fortschreibung des Regionalplanes wurden dafür wieder riesige Flächen aufgenommen. Und das bei heftigster Gegenwehr aus der Bevölkerung.
Die Abholzung ganzer Waldgebiete für den Kiesabbau widerspricht dem Klimaschutz und auch dem gebotenen Schutz des Trinkwassers. Für die Bevölkerung besonders störend werden die vielen
Kieslaster auf den Straßen empfunden.
Die Studie zum Kiesexport nach Österreich und in die Schweiz stieß in der Region auf große
Skepsis, nachdem die Mehrzahl der Kiesgrubenbesitzer in Oberschwaben die freiwillige Mitarbeit
einfach verweigert hatte.
Kein Wunder also, dass die Situation derzeit sehr
aufgeladen ist.
Es braucht andere Wege für unsere Region: Eine Kreislaufwirtschaft hin zu einer vermehrten Nutzung von Recycling-Kies und -Sand. Nur leider: kaum eine Kommune macht bisher davon Gebrauch.
Und solange die Kommunen nicht bereit sind, eine Vorreiter-Rolle übernehmen, um Recycling-Baustoffe hoffähig zu machen, solange geht die Vermarktung nur schleppend voran.
In Saulgau, wo J. Übelhör-Leupolz arbeitet, Mitglied des Regionalverbandes, ist man beim Thema besonders weit.
Dort wird in den Ausschreibungen bereits standardmäßig Recycling-Material einbezogen
und man hat gute Erfahrungen gesammelt. In Salem hat der Gemeinderat erst vor
Kurzem einstimmig dafür gestimmt, nun muss man darauf achten wie der
Beschluss umgesetzt wird.
Beim Kiesgrubenbesuch stand das Alleinstellungsmerkmal der Firma Zwisler im Focus: Recycling von Aushubmaterial. Dieses Material wird normalerweise achtlos auf Halden abgekippt, obwohl darin genau dieselben Stoffe zu finden sind wie in Kiesgruben: Kies, Sand und Schluff.
Die Herren Zwisler - Senior, Schwiegersohn
und Sohn -, die uns führten,
erklärten: Früher baute unsere Firma ca. 100.000 m3 Kies pro Jahr ab.
Mittlerweile sind es nur noch 50.000 m3 pro Jahr." Die Fa. Zwisler gewinnt
somit die Hälfte der für ihre eigenen Baustellen benötigten Kiese und Sande aus
der Aushubaufbereitung.
Bauschuttrecycling sei dagegen "kalter Kaffee", denn das wird
inzwischen von mehreren Firmen praktiziert.
Dass Aushubmaterial fachkundig getrennt wird, das ist dagegen "ganz neu". Auch wenn das Verfahren bei der Fa. Zwisler schon 10 Jahre lang praktiziert und immer wieder umgebaut und optimiert wurde. Und sie sind damit noch lange nicht am Ende, sagen die Herren Zwisler. "Vielleicht macht die Fa. Feeß in Kirchheim /Teck noch am ehesten etwas in unserer Richtung, aber sonst niemand."
Momentan erfolgt die
Material-Anlieferung nur von den eigenen
Baustellen im Tiefbau, Straßenbau und Garten- und Landschaftsbau. Mehr
Kapazität ist nicht vorhanden. In der
Kiesgrube arbeiten nur 10 Personen,1 Mitarbeiter davon ist ausschließlich mit der Entwicklung der
Anlage beschäftigt.
140 Mitarbeiter sind draußen unterwegs.
Auch
weisen die Herren Zwisler darauf hin, dass sich diese Technik höchstens bei
kurzen Wegen und dezentral bewähren
kann: im Radius von 15 km sei das
optimal, bei 25 km ok, bei 40-50 km würde es sich nicht mehr lohnen.
Jeder Betrieb muss individuell auf "sein Material" zugeschnitten werden, es gibt keine vorgefertigte Allgemein-Lösung.
Die Firma Zwisler hat
in 10 Jahren stetiger Optimierung eine Waschanlage geschaffen, in der das
angelieferte Material mithilfe von Wasser nach Korngrößen getrennt wird.
Ausgespuckt werden am Ende verschiedene Korngrößen Kies und Sand sowie das
Wasser mit den Kleinstteilen.
Dieses
Wasser-Gemisch wiederum wird in eine Kammerpresse geführt. Dort wird das Wasser
ausgepresst und kann im geschlossenen Kreislauf wieder genutzt werden. Mit
Blick auf die immer knapper werdende Ressource Wasser ist das eine gute
Nachricht, denn 70% des Wassers werden
so bereits eingespart. Noch ist eine Zugabe von 30 m3 täglich notwendig.
Die
Kleinstteile, die an Tonplatten erinnern, können tatsächlich auch
weiterverkauft werden: an die Ziegelindustrie z.B, die das Material als Beimischung gut verwerten kann. Durch die
konstante Kornverteilung und die immer gleichbleibende Feuchtigkeit ergeben
sich sogar positive Nebeneffekte, die die Ziegelindustrie zu schätzen weiß.
Auch kann das Material zu Abdichtungszwecken genutzt werden.
Die
notwendige Energie wird auf den umstehenden Gebäuden durch eine 100 kW-Anlage
Photovoltaik produziert. "Gerne würden wir noch mehr machen", sagt
Hr. Zwisler senior, "aber da sind uns bürokratische Grenzen gesetzt."
2 Fliegen schlägt man durch das Bauaushub-Recycling in einer Klappe:
- Zwisler erhält 120.000 to verwertbares Rohmaterial pro Jahr, ganz ohne Kiesabbaustellen und
- Zwisler spart
Platz in den ohnehin knappen Auffüllgruben.
Das
ist zwar ein ganz kleiner Fisch, wenn
man bedenkt, daß im Regionalverband jährlich 9 Millionen to in Kiesgruben
abgebaut werden. Aber es ist ein Hoffnungsschimmer für uns alle und letztlich
der Beweis: es geht auch ganz anders.
Das
Konzept könnte Schule machen, wenn die Chance erkannt und genutzt würde. Das
wird sie bis heute leider nicht.
Denn als Zwisler vor 2 Jahren eine reele Chance auf Erweiterung sah, setzte sich kein regionaler Abgeordneter dafür ein, dass Zwisler seine
Chance bekam. Warum eigentlich nicht? "Damals war viel vom neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz die Rede, da dachten
wir, das passt ideal für uns, aber den Zuschlag bekamen dann wieder die ganz
Großen in der Brache, die nur auf Kiesabbau setzen".
Auch beim Kiesabbau in der eigenen Kiesgrube geht Zwisler eigene Wege: Auf ihren Flächen liegt ein 5 m Deckel mit schwierigem Material, weshalb die Flächen beim Regionalverband als "nicht abbauwürdig" bezeichnet wurden. Alles wird verwertet was aus der Wand geholt wird. Normalerweise sind bei solchen Gegebenheiten nur 10 Prozent des Materials zu verarbeiten. Bei Zwisler werden wenigstens 30 Prozent verarbeitet, mehr ist auch für Zwisler momentan nicht wirtschaftlich .
Doch
auch hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, meint Herr Zwisler
senior.
Als
ein LKW mit österreichischem Nr. -Schild in den Hof fährt klärt er uns auf:
Zwisler hat den Auftrag zur Umgestaltung der Argen im Rahmen der
Landesgartenschau erhalten. Dafür braucht man große Mengen an Vorarlberger Flussbausteinen, die dort für Fischtreppen
verbaut werden. Und die Österreicher liefern ihre Flußbausteine nur im
Austausch gegen Kies.
Nach
der Kiesgrubenbesichtigung erfuhren wir mehr
von der akuten Problematik. "Es sei fast unmöglich, den Betrieb zu erweitern" klagen die Herren Zwisler, "sie hätten
das an vielen Stellen versucht, vorzugsweise dort wo große Materialströme
ankommen, wie eben erwähnt im Tettnanger Wald" . Denn für dezentrale
Betriebsstellen in optimalem 20 km-Abstand bräuchte es je Anlage mindestens 1
ha Fläche. Und aufgrund der gegebenen Vorschriften sei das nur innerhalb von
"definierten Industriegebieten" umzusetzen, keinesfalls in der freien
Landschaft z.B. in bestehenden Kiesgruben, wegen dem Anbindegebot. Sie aber
bräuchten auch die Möglichkeit einer Deponie im Anschluss, um unnötige Fahrerei
zu vermeiden.
J . Übelhör-Leupolz informierte über den Stand des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Obwohl seit 2013 Recyclingbaustoffe möglich seien, werden diese teilweise noch heute bei Ausschreibungen ausgeschlossen.
An was das liege, wurde er gefragt:
"Der einfachere Weg ist eben immer der alte und bekannte Weg"
Seit
2020 sei jedoch bei großen Maßnahmen eine gesetzliche Verpflichtung
eingetreten.
Die Stadt Saulgau hat als absolute Vorreiterin in Zusammenarbeit mit der Fa. Feeß, und anderen Unternehmen vorbildliche Ausschreibungstexte erstellen lassen. In ihren Ausschreibungen gibt es inzwischen immer 2 Alternativen:
Es
müssen Immer Primär- und Sekundärbaustoffe angeboten werden. Die Stadt legt
inzwischen bei jeder Baumaßnahme einen fiktiven Bonus fest, der in der Spalte
Recycling- Baustoffe abgezogen wird.
Sinn
mache das vor allem beim Straßenbau, wo der Löwenanteil der Schüttgüter im
Straßenbau und Grabenbau eingesetzt wird.
Doch
grundsätzlich gebe es leider immer noch Materialien, die auf Halde liegen und
nicht auf Markt gebracht werden können.
Die Hoffnung dabei ist: Ab August 20 23 müssen alle Materialien
güteüberwacht werden, da fallen dann einige Ausreden weg.
Der Behauptung eines Mitarbeiters des Regionalverbandes "die alleinige Chance sehe er in einem staatlichen Unterstützungs-Anreiz solcher Nischen-Produkte" möchte ich das Offensichtliche entgegen setzen: Die Fa. Zwisler treibt diese Innovative Technik seit vielen Jahren ganz ohne staatliche Unterstützung vorwärts.
Was war denn der Anreiz für diese Firma, in das Bauaushub-Recycling
einzusteigen?
Die Herren Zwisler erklären: "Es war unsere schlechte Ausgangslage. Wir
hatten nur Kiesgrubenflächen die als "nicht abbauwürdig" bezeichnet
wurden und mussten etwas damit machen."
Ihre Innovation wurde also aus einer Art Not heraus entwickelt, und
nicht etwa aufgrund staatlicher Anreize.
15.11.22
Petra Karg
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen