Ist das die Lösung eines der größten Probleme der Menschheit in Zeiten der Klimakrise?
Standard hier Florian Koch 22. Jänner 2023
KNAPPHEIT
Forschende in den USA haben eine Methode entwickelt, um Wasserdampf an der Meeresoberfläche abzufangen und daraus Süßwasser zu kondensieren
Schon heute ist Trinkwasser vielerorts ein knappes Gut. Rund zwei Milliarden Menschen, ein Viertel der Weltbevölkerung, haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Gleichzeitig wird der Wassermangel durch hohen Verbrauch, das Bevölkerungswachstum und die Klimakrise für die Staaten zunehmend zum Problem. Bis 2050 könnten fast sechs Milliarden Menschen unter Wassermangel leiden, schätzen die Vereinten Nationen. Die Weltgemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 einen Zugang zu sicherem Trinkwasser für alle Menschen zu schaffen.
Doch bisher liegt dieses Ziel noch in weiter Ferne. Bisherige Maßnahmen, um den Verbrauch zu senken oder Wasser effizienter einzusetzen, reichen laut Fachleuten bei weitem nicht aus, um die Trinkwasserversorgung in Zukunft zu sichern. Forschende arbeiten deshalb seit vielen Jahren an Ideen, um neue Wasserquellen zu erschließen. Viele von ihnen blicken dabei aufs Meer. Schließlich ist Wasser dort massenweise verfügbar, auch wenn es salzhaltig ist und dadurch nicht auf direktem Weg trinkbar.
Methode sieht vor, den Wasserdampf einzufangen
Trinkwasser aus Meerwasser zu gewinnen ist keine neue Idee. In vielen wasserarmen Regionen sind Entsalzungsanlagen unverzichtbar. Rund 16.000 Anlagen sind weltweit in Betrieb. Die Anlagen stoßen jedoch immer wieder auf Umweltbedenken. Bei der Entsalzung entsteht als Abfallprodukt eine konzentrierte Salzlösung, die sogenannte Sole, die bei unbedachter Entsorgung der Umwelt und Meereslebewesen schadet. Zudem sind die Anlagen teuer und energieintensiv.
Forschende der Universität von Illinois haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich diese Probleme künftig vermeiden lassen könnten. In einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift "Nature" schlagen sie vor, Süßwasser künftig zu "ernten", indem feuchte Luft über den Ozeanen eingefangen, zur Küste geleitet und dort gezielt kondensiert wird. Für ihre Methode sehen die Forschenden spezielle Anlagen in Küstengebieten vor.
Wasserkreislauf steuern
Die Idee: Ein entsprechend konzipierter Einlass, der sich mehrere Kilometer vor der Küste befindet, fängt den Wasserdampf über der Wasseroberfläche ab. Durch eine Leitung wird er zum Land transportiert und dort in einer speziellen Anlage kondensiert, um Süßwasser zu gewinnen. Für die Aufnahme, den Transport und die Kondensation könnte Wind- oder Sonnenenergie genutzt werden, heißt es in der Studie.
Im Prinzip ahmt die Methode den natürlichen Wasserkreislauf nach, bei dem verdunstetes Wasser aus dem Ozean ins Landesinnere transportiert wird. Dort kühlt es ab, kondensiert und fällt als Regen zu Boden. Diesen Kreislauf macht sich das Team in seinen Überlegungen zunutze. "Der Unterschied ist, dass wir steuern können, wohin das verdunstete Wasser aus dem Ozean fließt", sagt Francina Dominguez, Mitautorin der Studie, in einer Pressemitteilung.
Anlage könnte 500.000 Menschen versorgen
Das Team kommt zu dem Schluss, dass die Atmosphäre über den Ozeanen eine beträchtliche Menge an Süßwasser liefern kann. Eine hypothetische Auffangfläche für den Wasserdampf, die 210 Meter breit und 100 Meter hoch ist, könnte laut der Studie ausreichen, um den täglichen Trinkwasserbedarf von durchschnittlich 500.000 Menschen zu decken. Große Bevölkerungszentren in den Subtropen könnten damit künftig an Süßwasser gelangen. Wie groß der Ertrag sein werde, hänge aber stark von den lokalen Bedingungen und der Anlagengröße ab.
Von Vorteil sehen die Forschenden den Umstand, dass der Wasserdampf aus den Ozeanen praktisch unbegrenzt verfügbar ist. Ihn direkt über dem Ozean abzufangen sei effizienter als über Land. Zudem seien die Energiekosten überschaubar, da die aufgefangene Feuchtigkeit bereits auf natürlichem Weg verdunstet ist. Dadurch seien auch keine umweltschädlichen Nebenprodukte zu erwarten.
Zukunftssicher sei die Methode auch deshalb, weil in einem wärmeren Klima mehr Wasser verdampft und damit für die Trinkwassergewinnung verfügbar ist. "Die Klimaprognosen zeigen, dass der ozeanische Wasserdampfstrom im Laufe der Zeit nur noch zunehmen wird, sodass noch mehr Süßwasser zur Verfügung steht", sagt Studienautor Afeefa Rahman. "Die Idee, die wir vorschlagen, wird also unter den Bedingungen des Klimawandels realisierbar sein."
Geschätzte Kosten: 600 Millionen US-Dollar
Günstig werden die großen Anlagen wohl nicht sein. Die Forschenden gehen in ihrer Studie davon aus, dass sich die Kosten einer Anlage zur Sammlung und Kondensation von atmosphärischem Wasserdampf auf 600 Millionen US-Dollar belaufen. Das entspreche etwa dem Bau eines großen Kreuzfahrtschiffes oder einer Ölplattform.
Schon jetzt sind die Forschenden optimistisch, dass ihre Methode gegen die Trinkwasserknappheit helfen könnte. Bisher steckt die neue Methode aber noch in den Kinderschuhen. Sie in der Praxis zu testen kostet Zeit und Geld.
Obsolet werden Maßnahmen, die schneller umsetzbar sind, durch die Methode freilich nicht. Dazu gehört etwa, Wasserressourcen effizienter zu nutzen oder Ernährungsweisen umzustellen, die mit wasserintensiver Landwirtschaft einhergehen.
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