KREIS RAVENSBURG: Aktivisten riskieren auch Haftstrafen hier Südkurier
Die Klimaaktivisten um Samuel Bosch besetzen seit bald zwei Jahren den Altdorfer Wald. Sie wollen Pläne für eine Kiesgrube verhindern. Bei ihren Protestaktionen überschreiten sie auch rechtliche Grenzen. Insgesamt gebe es etwa 20 aktuelle oder abgeschlossene Gerichtsverfahren gegen sie, so Bosch. Dabei handele es sich meist um Bagatellen wie Verstöße gegen das Versammlungsrecht. „Grundsätzlich wären wir auch bereit, in Haft zu gehen“, sagt er.10.01.2023 |
....So idyllisch die Szenerie an diesem Morgen auch sein mag, die drei sind aus einem ernsten Grund hier: Sie besetzen den Wald, um zu verhindern, dass dort eine neue Kiesgrube erschlossen wird. Das sieht zumindest der Regionalplan-Entwurf des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben (RVBO) vor.
Aktionen sorgen für Aufsehen
Die nun bald zweijährige Besetzung sei illegal, erklären die Aktivisten, aber momentan noch geduldet. Bereits im April äußerte Bernhard Dingler, Leiter des landeseigenen Forstbezirkes Bedenken gegenüber dem SÜDKURIER: Das Gebiet sei aus Sicherheitsgründen als Klimacamp ungeeignet, außerdem würden Flora und Fauna zerstört (lustig, das Abbagern wäre demnach weniger zerstörerisch?....) Laut den Aktivisten finden viele Anwohner es jedoch gut, dass sie die Natur vor der Rodung schützen wollen und unterstützen ihren Einsatz sogar mit Essens- oder Geldspenden. Auch mit anderen Aktionen erregen die Aktivisten regelmäßig Aufsehen. Sie besetzen Wälder, blockieren Straßen und Kieswerke, containern weggeworfene Nahrungsmittel oder bringen Banner an öffentlichen Gebäuden an. Warum nehmen sie das alles auf sich? Und wo liegen ihre Grenzen?
Bild links: Schwäbische Zeitung, Ferdinand Ganter
Dass sie handeln müssen, ist für sie klar. „Die neue Kiesgrube ist das schlimmste Projekt in der Gegend“, findet Samuel Bosch. Der 19-Jährige lebt seit fast zwei Jahren in einem Baumhaus und bezeichnet sich selbst als Vollzeit-Aktivist. Eine Kiesgrube würde das Schutzgebiet zerstören, beeinträchtige die kühlende Funktion des Waldes sowie die Trinkwassergewinnung. Außerdem sei der Abtransport und die Weiterverarbeitung des Kieses sehr emissionsreich, ergänzt Martin Lang.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg bestätigt auf seiner Internetseite diese Bedenken: „Mit dem Abbau von Kies werden der Natur- und vor allem der Wasserhaushalt, aber auch Böden nachhaltig verändert.“ Dass die Gruben – wie oft versprochen – irgendwann renaturiert werden, glaubt Samuel Bosch nicht: „Wenn sie einmal abbauen, hören sie nie wieder auf.“ Allemal würden die Löcher mit Bauschutt aufgefüllt. „Die nennen es Recycling, wir nennen es Mülldeponie“, so der 19-Jährige. Charlie Kiehne, die seit Sommer 2021 im Baumhaus lebt, ergänzt: „Und welche Giftstoffe dadurch ins Trinkwasser gelangen könnten, ist nicht absehbar.“
So, wie sie es sehen, kämpfen sie mit den notwendigen Mitteln gegen Unrecht an der Natur, die sich nicht wehren kann. Auch für nachfolgende Generationen wollen sie eine lebenswerte Umwelt bewahren. Dafür bewegen sich die Aktivisten nicht selten an rechtlichen Grenzen, sagt Samuel Bosch. „Wir beraten uns vorab immer mit einem Anwalt und übertreten Gesetze nur dann absichtlich, wenn wir es für unbedingt nötig halten.“ Insgesamt gebe es etwa 20 aktuelle oder bereits abgeschlossene Gerichtsverfahren gegen den Klimaschützer. Dabei handelt es sich meist um Bagatellen – wie Verstöße gegen das Versammlungsrecht oder Hausfriedensbruch.
Ob er keine Angst hat, dass das irgendwann auf ihn zurückfallen wird? „Klar wird das auf mich zurückfallen“, so Bosch, „aber was auf jeden Fall auf mich zurückfällt, ist der Klimawandel.“ Er sehe sich daher verpflichtet, etwas zu tun. „Grundsätzlich wären wir auch bereit, in Haft zu gehen, wenn es nötig ist.“
Nicht einmal eine drohende Haftstrafe kann die Klimaschützer also aufhalten. Doch was wären sie bereit zu tun, um ihr Ziel zu erreichen? „Das hängt ganz von der Situation ab“, meint Samuel Bosch. Sachbeschädigung käme für ihn beispielsweise nur in bestimmten Fällen infrage. „Wenn hier in der Region ein Feld mit genmanipulierten Pflanzen gepflanzt werden würde, dann würden wir das zerstören.“ Auch einen Tortenwurf würde der 19-Jährige nicht ausschließen – sofern es die Umstände nach eigenem Ermessen erfordern. Das wäre aber auch die Grenze, wenn es um Körperverletzung gehe, sagt er.
Auf die so umstrittenen Klimakleber blicken Bosch und die anderen Aktivisten wohlwollend. „Die Letzte Generation ist eine wirkungsvolle Gruppe“, findet Bosch. Trotzdem ist er der Meinung, dass es passendere Formen des Protests gebe, als sich auf die Straße zu kleben. „Auch versuchen wir stets, möglichst viel Inhalt zu kommunizieren und uns auf lokale Probleme zu beziehen.“ Das fehle der Letzten Generation vielleicht ein wenig, so der 19-Jährige. Letztendlich gehe es aber immer darum, mehr Aufmerksamkeit auf die Krise zu lenken. Und das funktioniere eben am besten, indem man alltägliche Abläufe störe. Einem Klima-Bündnis gehören die Aktivisten im Altdorfer Wald nicht an, betont Samuel Bosch......
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