Montag, 30. Januar 2023

Neue Schutzstreifen für Radler im Südwesten - mit Folgen für Autofahrer

Schwäbische Zeitung  hier  27.01.2023  Kara Ballarin

Einmalig in Deutschland

Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, in dem es die Streifen sogar auf Land- und Bundesstraßen geben soll. Wie breit sie werden und was das für Pkw und Lkw bedeutet.

Sie machen Radler auf der Straße durch ihre gestrichelte Linie sichtbar und bremsen Autofahrer aus: Andere Länder wie die Schweiz und Niederlande haben Radschutzstreifen längst auf Landstraßen, in Deutschland sind sie indes nur auf Straßen in Dörfern und Städten zugelassen. Zumindest sieht das die Straßenverkehrsordnung so vor.

Das Land kann aber Ausnahmen beschließen und solche Radstreifen auch außerhalb von Ortschaften zulassen. Genau das tut das Stuttgarter Verkehrsministerium nun, potenziell in großem Stil – dank eines Tricks.

Abgetrennte Radwege sind laut Experten das Ideal. Auf ihnen lässt es sich sicher über Land von einem Ort zum anderen radeln. Auch Christoph Erdmenger, Leiter der Abteilung Nachhaltige Mobilität im Verkehrsministerium, erklärt in einem Brief an die Regierungspräsidien diese Woche, dass „außerorts – wo immer möglich – Radwege vom Kfz- und Fußverkehr getrennt geführt werden“ sollen.

Das Problem dabei: Radwege sind teuer, es dauert in der Regel sehr lange von der Idee bis zur Umsetzung und mancherorts ist ihr Bau unmöglich – etwa weil Eigentümer ihr Land nicht zur Verfügung stellen wollen, oder weil das Gelände neben der Straße zu bergig ist.

„Nicht überall wird bis 2030 ein straßenbegleitender baulicher Radweg vorhanden sein“, schreibt Erdmenger in dem Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt.

Dabei verfolgt sein Chef, Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), schon seit Jahren das Ziel, den Anteil des Radverkehrs im Land bis 2030 auf 20 Prozent hochzuschrauben.

Radler haben Vorrang

Um diesem Ziel schnell näher zu kommen, will sich das Stuttgarter Ministerium nun mit Radschutzstreifen auch außerorts behelfen. Dies sind mit einer weißen gestrichelten Markierung abgetrennte Bereiche am Straßenrand. Radler haben hier Vorrang, Autos dürfen diese aber befahren. Wenn sie Radler überholen, gilt der Abstand von zwei Metern.

Nun kommt besagter Trick ins Spiel: Laut Straßenverkehrsordnung darf solche Streifen allein das Land als oberste Straßenverkehrsbehörde genehmigen.

Mit Erdmengers Brief delegiert das Land die Entscheidung nun an die unteren Behörden.
Heißt: Die Kommunen können selbst entscheiden, entlang welcher Straßen nun Platz für Radfahrer ausgewiesen wird. Das ist deutschlandweit einmalig.

Runter mit dem Tempolimit

Einige Vorgaben macht das Land dabei. Die Streifen sollen vor allem Lücken im Radwegenetz schließen. Dabei haben gesonderte Radwege immer Vorrang, wenn dies möglich ist – auch Teilstücke. Die Schutzstreifen sollen vor allem als temporäre und nicht als Dauerlösung dienen. Mindestens 100 Radler pro Tag sollen die Streifen nutzen oder es soll zumindest das Potenzial dafür vorhanden sein. Keinesfalls dürfen mehr als 5000 Fahrzeuge auf der Straße unterwegs sein, wenn ein Schutzstreifen eingerichtet wird.

Für Lkw gibt es zusätzliche Limits. Wo Radschutzstreifen entstehen, soll in der Regel ein Tempolimit von 70 Stundenkilometern gelten – an unübersichtlichen Stellen soll dieses noch niedriger sein.

Die Schutzstreifen sollen 1,50 Meter breit sein. Sie dürfen auf einer Seite einer Straße eingezeichnet werden, wenn diese mindestens 6,10 Meter breit ist. Ab einer Breite von sieben Metern sind auch Radstreifen in beide Fahrtrichtungen denkbar.

....Ab 2019 haben Kommunen überall im Land drei Jahre lang Schutzstreifen an Land- und Bundesstraßen getestet.

Die Erkenntnisse: Die Streifen führten meist zu deutlich mehr Radverkehr und zu mehr Sicherheit für die Radler. Hussinger erläutert: „In der hitzig geführten Debatte um die Sicherheit wird leider häufig vergessen: Der Radfahrer würde auch ohne Schutzstreifen da fahren. Aber durch den Streifen ergeht an alle Verkehrsteilnehmer das Signal: Achtung, hier könnten Radfahrer unterwegs sein.“.....



Südkurier  hier

29.01.2023  |  VON ANIKA VON GREVE-DIERFELD, DPA

Schutzstreifen für Radler geplant

Für Radfahrer sollen die Straßen sicherer werden – Baden-Württemberg will dafür vermehrt Fahrradschutzstreifen schaffen. Als erstes Bundesland sollen sie im Südwesten auch an zweispurigen Kommunal-, Landes- und Bundesstraßen entstehen, wie das Verkehrsministerium mitteilte.

Bisher gibt es solche Schutzstreifen den Angaben zufolge nur innerhalb geschlossener Ortschaften. Den Verkehrsbehörden vor Ort sei per Erlass das Recht übertragen, unter bestimmten Bedingungen solche Radschutzstreifen an Straßen außerorts einzuführen, teilte ein Sprecher mit.

Radwege haben Vorrang

Radlerinnen und Radler bräuchten rasch ein landesweites, lückenloses und attraktives Radwegenetz, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Hier können die Radschutzstreifen überall dort ein wichtiger Beitrag sein, wo Lücken im Radwegenetz bestehen, ein separater Radweg nicht schnell möglich ist.“ Der Bau eigenständiger Radwege habe aber weiter Vorrang.

Eigentlich sieht die Straßenverkehrsordnung solche mit gestrichelten Linien abgetrennten Streifen für Radfahrer nur innerorts oder bei Straßen mit bis zu 50 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit vor. Nun können auch an Landstraßen die 1,5 Meter breiten Radschutzstreifen entstehen. Sie würden aber nur in Verbindung mit einem Tempolimit eingeführt, betonte Hermann. „So fördern wir den Radverkehr und machen die Straßen sicherer“, sagte der Verkehrsminister.

Dann nur noch Tempo 70

Laut Erlass soll da, wo die Radschutzstreifen entstehen, in der Regel Tempo 70 oder weniger gelten. Außerdem sollen die Straßen mindestens 6,10 Meter breit sein. Sie sollen laut Ministerium aber nur in Einzelfällen zugelassen werden. Ein flächendeckender Einsatz sei nach der Straßenverkehrsordnung nicht zulässig.

Laut Mitteilung des Ministeriums stoßen die geplanten Regelungen auch bei der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen Baden-Württemberg (AGFK-BW) auf Zustimmung. „Die Untersuchungen der Pilotstrecken in Baden-Württemberg haben erstmalig gezeigt, unter welchen Bedingungen Schutzstreifen außerorts eine sichere Verkehrsführung für Radfahrende sein können“, sagte der AGFK-Vorsitzende Günter Riemer. 

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