Montag, 16. Januar 2023

Gemeinden-Check: Schlier plant ökologisches Gewerbegebiet + Stärkung des Dorfladens

Es geht um 9 ha Flächenverbrauch durch Ausdehnung in die freie Landschaft. 9 ha Flächenfraß.
"Ein ökologisches Gewerbegebiet, das es so im Landkreis noch nicht gegeben hat"
Hermine fragt sich: 
 Ökologisches Gewerbegebiet ? Bisschen grün, bisschen Wasser auffangen, bisschen Bäumchen pflanzen und gut ist? Es werden im wesentlichen 9 haben versiegelt und bisher intakte Natur zerstört !

Auszüge aus der Schwäbischen Zeitung  15.01.2023, Bettina Musch

In den Gemeinden im Landkreis Ravensburg hat sich im vergangenen Jahr viel getan. Wie steht es um die Kommunen? Die „Schwäbische Zeitung“ nimmt die Gemeinden im Verbreitungsgebiet unter die Lupe und gibt einen Ausblick, was im neuen Jahr so ansteht. Heute: Schlier

Das Ereignis des Jahres 2022: Die Entstehung des neuen Gewerbegebiet „Wetzisreute-Ost“, das sich auf mehr als neun Quadratmetern ausdehnen wird, ist das Ereignis des Jahres 2022. Unter ökologischen Gesichtspunkten soll ein Gewerbegebiet entstehen, das es in dieser Form noch nicht im Landkreis Ravensburg gibt. Mit viel Grünplanung, der Anlegung von Froschtümpeln und strengen ökologischen Bauvorgaben für die Unternehmen, die sich dort ansiedeln wollen.

...Das strittigste Thema: Es wurde viel protestiert und demonstriert, sowohl auf der Gemarkung von Schlier im Altdorfer Wald, als auch in der Gemeinde selbst. Die geplante Erweiterung des Kiesabbaus brachte die Umwelt- und Klimaschützer dazu, im Februar auf das Dach der Festhalle in Wetzisreute zu klettern und dort gegen Baumfällungen zu protestieren. Ihrem Unmut machten sie auch in der Sitzung des Gemeinderats Luft. Im Altdorfer Wald waren 25 Polizeiautos im Einsatz, um den dortigen Protesten der Klimaschützer Einhalt zu gebieten und die Baumfällungen zu ermöglichen. Immer wieder wird seitens der Aktivisten auf die drohende Klimakatastrophe hingewiesen und gegen die Abholzung und den Kiesabbau protestiert. „Darauf haben wir relativ wenig Einfluss“, meint die Bürgermeisterin.

Anders sieht es beim zweiten Protest aus, der hauptsächlich Schlierer Bürgerinnen und Bürger auf den Plan brachte, als es um die Ansiedlung eines Supermarktes im neuen Gewerbegebiet ging. Unnötiger Flächenverbrauch, kein beachteter Klimaschutz, überhaupt kein weiterer Bedarf und Schwächung des Dorfladens in Unterankenreute beklagten die Einen, die dringende Umsetzung eines seit vielen Jahren gewünschten Supermarktes forderten die Anderen. Beide Parteien mit Unterschriftenlisten und Demonstrationen. Es wurde schließlich ein Kompromiss gefunden. Der Supermarkt siedelt sich an, der Dorfladen wird gestärkt. Dazu liegt bereits eine Planung vor. Die alte Gastwirtschaft Traube in Unterankenreute, die in unmittelbarer Nähe des jetzigen Dorfladens liegt, konnte von der Gemeinde erworben werden. Sie wird abgerissen, dort soll ein neues Gebäude entstehen. Im oberen Stock sollen Wohnungen entstehen, im unteren Stock soll der Dorfladen neue Räume und einen großzügigen Cafébereich bekommen. Für das ganze Projekt wird ein Investor gesucht. „Und den unteren Bereich kauft die Gemeinde dann zurück“, so Liebmann. Eine Realisierung wird aber wohl erst im Jahr 2024 erfolgen.


Schwäbische Zeitung hier  05.07.2022  Bettina Musch

Wenn neben dem Supermarkt der Laubfrosch quakt

Auf mehr als neun Hektar bisher genutzter Grünland- und Ackerbaufläche soll das neue Gewerbegebiet in Schlier zwischen Wetzisreute und Unterankenreute entstehen. „Wir wollten kein Gewerbegebiet von der Stange“, erklärt Bürgermeisterin Katja Liebmann. So wie im neuen Baugebiet „Am Bergle“ in Unterankenreute klimaneutral gebaut wird, soll auch das zukünftige Gewerbegebiet im Hinblick auf den Klimaschutz entstehen.

Neben der Bodenseestiftung, die schon etliche Unternehmen bei der ökologischen Planung beraten hat, waren die Energieagentur, die Erschließungsfirma, ein Diversitätsforscher und natürlich der Bebauungsplaner involviert. „Wir sind auch mit der österreichischen Gemeinde Lustenau in Kontakt, die ebenfalls dabei ist, solche Gewerbegebiete zu entwickeln“, so Liebmann. „Für mich als Bürgermeisterin war es wichtig, von Anfang an alle möglichen Akteure zusammenzubringen, um unser Ziel eines „grünen Gewerbegebietes“ von Anfang an interdisziplinär angehen zu können“, ergänzt sie.

Es ist eine Vielzahl von Festsetzungen, die dazu in den Bebauungsplan aufgenommen wurden. Dachbegrünungen kombiniert mit aufgeständerten Photovoltaik- und Solaranlagen, große öffentliche Grünbereiche mit Gehölzpflanzungen, strenge Regelungen bei Lichtemissionen, Werbeschildern, Fensterausführungen, die alle die Belange der dort vorhandenen Tierwelt berücksichtigen. Auch der Laubfrosch, der nachgewiesen wurde, soll Schutz bekommen. „Naturnah gestaltete Flächen helfen Gewerbegebieten dabei, sich an Hitze, Starkregen oder Trockenheit anzupassen. Und sie schaffen auch in Gewerbegebieten wieder Lebensräume für Tiere“, so Liebmann.

Sechs Froschtümpel sind im Gebiet geplant, vier davon in einer Art Grünstraße, die den Laubfrosch von der Überquerung der viel befahrenen Landesstraße L326 zwischen Waldburg und Unterankenreute abhalten soll. Aber dorthin ist er nach Untersuchungen auch bisher nicht unterwegs gewesen, sondern bleibt wohl lieber im angrenzenden Biotop der alten Kiesgrube.

Der nötige Bedarf an Erweiterung von ortsansässigen Betrieben sei vorhanden und an anderer Stelle in der Gemeinde stand kein Bauland dafür zur Verfügung. „Wir haben schon jetzt Anfragen an 3,5 Hektar“, so Liebmann. Natürlich werde durch die neue Gewerbeansiedlung, trotz der ökologischen Planung, sehr viel neue Fläche versiegelt. Dafür muss die Gemeinde Ausgleich schaffen. Geplant oder schon konkret umgesetzt sind dazu fünf Maßnahmen zur Grünlandextensivierung, Biotopentwicklung, Renaturierung und zum Gewässerschutz.

Insgesamt werden dadurch 655.073 Ökopunkte erreicht und die reichen für den Ausgleich der versiegelten Fläche. Vorgesehen ist auch, für die neuen Gewerbebetriebe Anreize zu schaffen, zusätzlich selbst ökologisch aktiv zu werden und damit eventuell eine Kaufpreisreduzierung zu erreichen.

„Heute ist die Nachhaltigkeit von Gewerbegebieten auch ein Faktor, um diese attraktiver zu machen, für Unternehmen, Kundschaft, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber vor allem auch für die Bevölkerung und die Natur auf dem Gebiet“, so Liebmann.

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