agrarheute hier Johanna Michel, 10.01.2023
Nach einem Jahr Regierungszeit von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat die CDU/CSU-Fraktion in einer kleinen Anfrage eine Bilanz erbeten. Noch immer ist in der Antwort der Regierung mehr vom Prüfen die Rede als vom Umsetzen.
Aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) hat Cem Özdemir vor dem Hintergrund der Ziele aus dem Koalitionsvertrag und des Ukraine-Kriegs bereits zahlreiche Maßnahmen in seinem ersten Amtsjahr umgesetzt: 180 Mio. Euro wurden als Agrar-Krisenhilfe für landwirtschaftliche Betriebe bereitgestellt, 900 Mio. Euro fließen aus dem Klima- und Transformationsfonds in das Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“, ökologische Verbesserungen seien im deutschen Strategieplan zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erreicht worden.
Außerdem habe Cem Özdemir den Weg zum Beenden des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie frei gemacht.
Bei der konkreten Frage der Union nach der Anzahl von Gesetzentwürfen des BMEL, die bisher in den Deutschen Bundestag eingebracht wurden, bleibt die Bilanz jedoch überschaubar. Wie die Bundesregierung mitteilt, seien bis zum 8. Dezember 2022 vier Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht worden: das zweite Gesetz zur Änderung des Hopfengesetzes, das fünfte Gesetz zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes, eine Änderung des Tierarzneimittelgesetz sowie das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung.
Die vielen noch in der Prüfung befindlichen, also nicht umgesetzten Gesetzesvorhaben zeigt sich insbesondere bei der Tierhaltung.
Viel weniger Tierhaltungskennzeichnung als angekündigt
Das geplante Gesetz zur staatlichen Tierhaltungskennzeichnung markiere laut BMEL „den Aufbruch in eine zukunftsfeste Tierhaltung, bei der weniger Tiere besser gehalten werden“. Erreicht worden sei eine Anschubfinanzierung von 1 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt für die Zeit von 2023 bis 2026. Um über die weitere Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung zu beraten, hätten die Koalitionsfraktionen eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Die Union erinnert in ihrer Anfrage an das Ziel im Koalitionsvertrag, ab 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einzuführen, die auch Transport und Schlachtung umfasst. Dazu erklärt die Bundesregierung, dass mit dem im Oktober 2022 vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung ein erster Schritt für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch erfolge. „Die verpflichtende Kennzeichnung weiterer Tier- und Produktarten sowie die Aufnahme weiterer Vermarktungswege werden in dieser Legislatur folgen“, so das BMEL. Auf die umfangreichen Vorarbeiten der Borchert-Kommission, auf die die Union verweist, geht das Ministerium in seiner Antwort nicht ein.
Tierschutz ins Strafrecht – schwieriger als gedacht?
Am Ziel einer teilweisen Überführung des Tierschutzrechts in das Strafrecht werde laut BMEL gerade noch gearbeitet. Auch eine Erhöhung des maximalen Strafmaßes im Tierschutzrecht werde vorbereitet. Bei der Umsetzung dieser Ziele wolle sich das BMEL mit dem Bundesjustizministerium abstimmen.
Für die im Koalitionsvertrag angekündigte Tiergesundheitsstrategie liefen derzeit ebenfalls die Vorbereitungen. Eine Veröffentlichung der Tiergesundheitsstrategie sei gegen Ende der Legislaturperiode vorgesehen. Noch in diesem Jahr solle aber eine Novelle des Tierschutzgesetzes im Mittelpunkt stehen. Sie soll „eine Vielzahl an Tierschutzthemen aufgreifen“. Auch dafür liefen momentan die Vorarbeiten. In Arbeit befinde sich außerdem eine Ergänzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.
Weiterhin überprüfe das BMEL gerade, inwiefern die zuständigen Behörden bei der Umsetzung eines Verbots von bestimmten Lebendtiertransporten unterstützt werden könnten.
Im Bundeshaushalt für 2023 seien Mittel für das neue Amt eines Tierschutzbeauftragten vorgesehen. Bis zum Frühjahr 2023 soll die Planstelle mit der Bundesbesoldung B6 besetzt sein.
Weniger Lebensmittelverschwendung, Lebensmittelpreise, Bodenschutzgesetz werden „geprüft“
Ein weiteres Ziel aus dem Koalitionsvertrag, nach dem sich die Unionsfraktion erkundigt, ist die branchenspezifische Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Hier prüfe die Regierung, zur Erreichung dieses Ziel gesetzliche Regelungen erforderlich sind. Außerdem werde „der Spielraum für haftungsrechtliche Fragen […] geprüft“. Auch für die Erleichterung von Lebensmittelspenden werde der Spielraum für neue steuerrechtliche Regelungen geprüft.
Auch ein Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Produktionskosten werde noch vom Agrarministerium geprüft, unter Beteiligung der Ressortforschung. „In der Vorphase“ befänden sich darüber hinaus die Arbeiten an der Anpassung des deutschen Bodenschutzgesetztes. „Die konkrete Zeitplanung hängt von der weiteren Entwicklung ab“, heißt es vom BMEL.
Stegemann verweist auf Google-Zahlen
Albert Stegemann, agrar- und ernährungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisiert, dass Cem Özdemir täglich neue Gedanken oder politische Initiativen ankündige. An der Umsetzung scheitere es aber – wie auch die Suchmaschine Google verrate. Wer ‚Özdemir will‘ eintippe, erhalte über 100.000 Treffer. „Wer aber ‚Özdemir setzt um‘ eingibt, erhält keine Ergebnisse“, so Stegemann.
Um seine Ankündigungen zur Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel, zu hofnahen Schlachtungen, zum Ende von Biosprit aus Nahrungspflanzen oder zum Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel umzusetzen, sollte der Minister sich aus Stegemanns Sicht zunächst mit Praxis und Wissenschaft sowie mit anderen Ressorts austauschen.
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