Samstag, 28. Januar 2023

Klimawandel: Unter Wasser wächst die Hoffnung

Zeit hier  Von Tom Kroll  3. August 2022

Künstlich angelegte Seegraswiesen in der Ostsee könnten helfen, die Erderwärmung zu lindern. Doch die Regierung in Kiel bremst.

Wenn Philipp Schubert in seinen Garten will, muss er einen Taucheranzug anlegen, ins Motorboot steigen und hinaus in die Kieler Förde fahren. Unter Wasser, in zwei Meter Tiefe, wächst dort eine Seegraswiese, die er mit seinen Kollegen vor zwei Jahren gepflanzt hat. Schubert ist Forschungstaucher am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar), und bei seinem Kontrollbesuch an einem heißen Julitag stellt er fest: Alles bestens. Die Setzlinge wachsen und gedeihen.

An drei Orten vor der Ostseeküste Schleswig-Holsteins gibt es bereits solche Forschungswiesen. Sie wurden angestoßen durch eine Entdeckung des spanischen Forschers Carlos Duarte. Dieser belegte 2012 in einem Artikel im Fachmagazin Nature, dass die Pflanzen das Klimagift Kohlenstoffdioxid (CO₂) sehr effektiv speichern. Das Projekt SeaStore, an dem auch mehrere Universitäten beteiligt sind, ist nun der Praxistest: Kann Seegras ein Mittel gegen die Erderwärmung sein?

"Seegras allein wird den Klimawandel nicht stoppen", sagt der Meeresbiologe Thorsten Reusch. "Aber Seegras kann helfen, ihn abzumildern." Reusch leitet den Bereich Marine Evolutionsökologie am Geomar, er ist für das Projekt SeaStore verantwortlich. ...

Wie auch andere Pflanzen betreibt das Seegras Fotosynthese. Dafür benötigt es Licht – weshalb es meist in flachen Ufergewässern vorkommt, in einer Tiefe, die von den Sonnenstrahlen und von Kohlenstoffdioxid noch erreicht wird. Letzteres wandert auf natürliche Weise von der Luft ins Meer. Den Vorgang nennt man molekulare Diffusion. Eine Besonderheit des Seegrases ist es, dass es überschüssiges CO₂ nicht wieder an die Luft abgibt, sondern als Zucker in den Wurzeln einlagert. So wird das Klimagift dauerhaft der Atmosphäre entzogen und trägt nicht mehr zur Erderwärmung bei.

Hinzu kommt: Seegras verringert die Wasserströmung und damit die Sauerstoffzufuhr am Meeresgrund. Das ist vorteilhaft, weil so der Kohlenstoff von zu Boden sinkenden Tierkadavern nicht von Bakterien zersetzt werden kann und folglich auch nicht als Kohlenstoffdioxid zurück ins Meer gelangt.

Die größte Seegraswiese der Welt liegt in Australien, misst 200 Quadratkilometer und soll 4500 Jahre alt sein. So lange bindet diese Wiese schon Kohlenstoff und Kohlenstoffdioxid.

Wie viel CO₂ allein an der deutschen Ostseeküste vom Seegras gebunden wird, hat die Wissenschaftlerin Angela Stevens vom Geomar ausgerechnet: Es sollen gut 8,14 Millionen Tonnen sein. Jährlich kommen etwa 56.000 Tonnen hinzu. Das ist vergleichsweise wenig, denn Deutschlands CO₂-Emissionen betragen pro Jahr laut Bundesumweltamt etwa 714 Millionen Tonnen. Wenn Seegraswiesen sterben, werden diese Speicher aufgelöst. Wachsen hingegen neue Wiesen, können diese weiteres CO₂ aufnehmen.

Forschungstaucher Philipp Schubert erzählt, wie er vor zehn Jahren das Seegras entlang der schleswig-holsteinischen Küste kartiert hat. Zwanzig Tage habe er eine Kamera hinter seinem Boot hergeschleppt und die Wiesen, die er auf diese Weise entdeckte, auf einer Karte eingezeichnet. Er verglich die Daten mit historischen Aufzeichnungen und schätzt, dass das Gras im Vergleich zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg um fast 90 Prozent zurückgegangen ist.

Schuld daran ist auch die Landwirtschaft. Ihr Dünger beschleunigt, wenn er ins Meer gelangt, das Wachstum von Algen. Diese verdunkeln das Wasser. Kam Seegras früher noch in bis zu 15 Meter Wassertiefe vor, ist es heute an der Ostsee nur noch in bis zu acht Meter Tiefe zu finden. Tiefer dringt das Sonnenlicht nicht mehr.

Das erfordert erst recht ein Umdenken

In den Neunzigerjahren begann dann ein Umdenken. Die Anrainerstaaten unterzeichneten Naturschutzabkommen und erließen nationale Gesetze. Die Düngemittelbelastung in der Ostsee sank. Langsam verbesserte sich die Wasserqualität, und das Seegrassterben wurde gestoppt. Erst kürzlich sei er noch einmal dieselbe Route abgefahren wie vor zehn Jahren, sagt Schubert. Sein Fachartikel mit den Ergebnissen sei noch nicht veröffentlicht, doch er könne verraten, dass die Seegrasflächen wieder etwas größer geworden seien. Das ist gegen den Trend. Der weltweite Bestand schrumpft jährlich um sieben Prozent.

Jetzt versuchen Wissenschaftler, die Seegrasbestände in der Ostsee künstlich aufzuforsten. Dazu gebe es zwei Methoden, sagt der Meeresbiologe Reusch. Bei der einen entnehmen Taucher aus Spenderwiesen Setzlinge, die sie an anderer Stelle per Hand in den Meeresboden drücken. So sind die Seegraswiesen von SeaStore entstanden. Auf diese Weise kostet die Anpflanzung eines Hektars Seegras knapp 100.000 Euro. Auch an Land sei die Renaturierung von Feuchtgebieten aufwendig und ähnlich teuer, sagt Reusch. Es handele sich um "mühsame Gärtnerarbeit". Die Alternative bestehe darin, Samen von Booten aus ins Meer zu schütten. Ein solches Vorgehen sei bislang aber noch zu ineffizient, denn Krebse und andere Meeresbewohner fräßen die Samen gerne, bevor sie Wurzeln im Grund schlagen. Man arbeite daran, diese Technik zu verbessern.

In den USA sei die Anpflanzung von Seegras bereits üblich, sagt Thorsten Reusch. "Wenn in Amerika für den Bau eines Hafens Seegras vernichtet wird, muss der Bauherr die verlorene Fläche an anderer Stelle im Meer pflanzen – plus 30 Prozent."

Deutschland sei von solchen pragmatischen Gesetzen weit entfernt. Hier müssten Ausgleichsflächen bislang immer an Land geschaffen werden. Hinzu kommen Pläne der Landesregierung in Kiel, weite Teile der Ostsee als Naturschutzgebiet auszuweisen. Das könnte den Plan künstlich angelegter Seegraswiesen vereiteln. Denn in Naturschutzgebieten darf nichts großflächig angepflanzt werden. Schon bei der Planung ihrer Forschungswiesen hätten die Beamtinnen und Beamten des Umweltministeriums peinlich genau darauf geachtet, dass kein Seegras in bestehenden unterseeischen Naturschutzgebieten angepflanzt werde, sagt Reusch.

Eine Sprecherin des Ministeriums teilt dazu auf Anfrage mit: "Großflächige künstliche Anpflanzungen sind nicht notwendig." Die Landesregierung bevorzuge die natürliche Ausbreitung von Seegras. Man wolle zudem die Landwirtschaft in die Pflicht nehmen, ihren Düngemittel-Eintrag in die Meere weiter zu verringern. Reusch hält das für zu wenig. Er meint, unter den Mitarbeitern des Ministeriums eine Denkweise auszumachen, die das Meer als unberührte Natur verkläre, in die der Mensch unter keinen Umständen eingreifen dürfe. An Land aber herrsche das Gebot der Renaturierung von Schutzzonen.

Eine weitere Entwicklung gefährdet die Pläne von Thorsten Reusch. Die Ostsee heizt sich im Uferbereich in Spitzentagen auf bis zu 26 Grad auf. In der Zukunft rechnen Forscherinnen und Forscher sogar mit 28 Grad Höchsttemperatur. Versuche aber zeigen: Ist das heimische Seegras für länger als drei Wochen einer Temperatur von 25 Grad ausgesetzt, stirbt etwa die Hälfte der Pflanzen.

Dafür habe er jedoch eine Lösung parat, sagt Biologe Reusch. Seegras von der gleichen Art, wie es in der Ostsee vorkommt, hat sich in der Adria an Hitzewellen gewöhnt. Bis zu 30 Grad hält es dort angeblich aus. Allerdings, sagt er, erfordere die Ansiedlung von italienischem Seegras erst recht ein Umdenken im Kieler Umweltministerium.


NTV  hier



Vor den Bahamas  03.11.2022
Haie "kartieren" weltweit größte Seegraswiese



....Darüber hinaus lagern die Pflanzen sehr effizient Kohlenstoff aus der Atmosphäre ein: Ein Quadratkilometer Seegras speichert fast doppelt so viel Kohlenstoff wie Wälder an Land - und das 35-mal so schnell. Pro Jahr würden schätzungsweise rund 83 Millionen Tonnen Kohlenstoff durch Seegraswiesen gebunden, haben Mitarbeitende des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie berechnet. Diese Menge entspreche den jährlichen CO2-Emissionen aller Autos in Italien und Frankreich.

Allerdings ist die genaue Ausdehnung der Unterwasserwiesen derzeit unklar. Ohne dieses Wissen bleibe ungewiss, wie bedeutend ihre globale Kapazität zu Kohlenstoffspeicherung sei, schreibt das Team um den US-Meeresbiologen Austin Gallagher von der Meeresschutzorganisation Beneath the Waves in "Nature Communications". "Diese Wissenslücke ist ein Hauptgrund dafür, dass Seegras-Ökosysteme in Meeresschutzgebieten nach wie vor unterrepräsentiert sind."

Während eine 2020 veröffentlichte Studie berechnete, dass Seegraswiesen weltweit gut 160.000 Quadratkilometer bedecken, geht das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sogar von 300.000 Quadratkilometern aus. Um ein besseres Bild zu bekommen, nutzte das Forschungsteam eine neue Methode zur Kartierung des Seegras-Ökosystems der nördlich von Kuba gelegenen Bahamas. Dabei kombinierten die Forschenden Schätzungen zur hiesigen Ausdehnung der Seegraswiesen mit Satellitenbildern und Untersuchungen vor Ort im Verlauf von über 2500 Tauchgängen.

Vor allem aber stellten sie 15 Tigerhaie (Galeocerdo cuvier) in den Dienst der Wissenschaft: Die Tiere, die eine Vorliebe für Seegrashabitate haben, wurden mit Sendern und Kameras ausgestattet, um Bilder vom Meeresboden zu sammeln. Insgesamt legten die Raubfische im Untersuchungszeitraum fast 4200 Kilometer zurück und drangen dabei auch in Gebiete vor, die für Taucherinnen und Taucher nicht zugänglich waren.

Nach Abschluss der Untersuchungen gehen die Forschenden davon aus, dass die Seegraswiesen um die Bahamas eine Fläche von mindestens 66.000 Quadratkilometern bedecken könnten, möglicherweise sogar bis zu 92.000 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Österreich hat knapp 84.000 Quadratkilometer. Auch wenn die Fläche der Seegraswiesen nicht genau bekannt sei, könne man mit Gewissheit sagen, dass das Gebiet um die Bahamas das größte Seegras-Ökosystem der Erde sei, schreibt das Forscherteam.

Seegras schafft süße Stellen im salzigen Meer

Sie kalkulieren, dass das Bahamas-Seegras allein zwischen einem knappen Fünftel und einem guten Viertel des weltweit in Seegraswiesen gebundenen Kohlenstoffs enthalten könnte. Insgesamt würden ihre Schätzungen die globale Ausdehnung der Seegrasflächen um 34 bis 41 Prozent erweitern, so die Meeresbiologengruppe. Dies unterstreiche die Bedeutung dieser Ökosysteme als global bedeutende Kohlenstoffsenken.....



Heise  hier  Von James Temple  15.11.2022

Wie Alphabet X mit Seegras den Klimawandel stoppen will

Ein neues Forschungsprogramm soll mit Hilfe von Kameras, Bilderkennung und Maschinellem Lernen den in der Ozean-Biomasse gespeicherten Kohlenstoff aufspüren.

Vergangenen September war Bianca Bahman im Paradies. Sie schnorchelte über eine Seegraswiese vor der Westküste von Flores, einer Vulkaninsel im Osten Indonesiens. ....

Bahman ist Projektleiter bei Tidal, dessen Team diese Spezialkameras zusammen mit Bilderkennungstechnik und Maschinellem Lernen nutzt, um das Leben unter den Ozeanen besser zu verstehen. Der Ableger der Forschungsfirma Alphabet X der Google-Mutter Alphabet verwendet solche Kamerasysteme bereits seit mehreren Jahren zur Überwachung von Fischen in Aquafarmen vor der Küste Norwegens.

Wie MIT Technology Review erfuhr, will Tidal sein System künftig dazu nutzen, die Seegraswiesen in den Meeren der Welt zu erhalten und sogar neue zu pflanzen. Damit sollen Bemühungen beschleunigt werden, die Ozeane mehr Kohlendioxid aufnehmen zu lassen, als das bislang der Fall gewesen ist – und so den Klimawandel zu bekämpfen. Alphabet X ist eine so genannte Moonshot Factory. Aufgabe des Tidal-Projekts ist es, unser Verständnis der Unterwasser-Ökosysteme zu verbessern, um die Bemühungen zum Schutz der Ozeane angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Verschmutzung, Überfischung und Versauerung zu fördern. "Unsere Werkzeuge könnten Bereiche erschließen, die in der Welt der Ozeane dringend benötigt werden", sagt Bahman.

CO2-Speicher Meer

Diverse Studien deuten darauf hin, dass die Ozeane einen beträchtlichen Teil der Milliarden zusätzlichen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen könnten, die jedes Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden müssten, um den Temperaturanstieg bis Mitte des Jahrhunderts in Grenzen zu halten. Um dies zu erreichen, müssten jedoch die Küstenökosysteme wiederhergestellt, mehr Algen gezüchtet und Nährstoffe zugeführt werden, um das Planktonwachstum zu stimulieren.

Tidal beschloss dabei, sich zunächst auf Seegras zu konzentrieren, weil es eine schnell wachsende Pflanze ist, die besonders effektiv Kohlendioxid aus flachen Gewässern absorbiert. Diese "Küstenwiesen" könnten nach Meinung der Forscher noch viel mehr Klimagas aufnehmen, wenn Küstengemeinden, Unternehmen oder gemeinnützige Organisationen helfen, sie wachsen zu lassen.

Wissenschaftler wissen bislang allerdings nur ansatzweise, wie viel Kohlenstoff Seegras tatsächlich bindet und welche Rolle die Pflanze bei der Regulierung des Klimas spielt. Ohne dieses Wissen und ohne erschwingliche Möglichkeiten, zu überprüfen, ob die Wiederherstellungsmaßnahmen tatsächlich mehr Kohlenstoff speichern, wird es schwierig, eventuelle Fortschritte zu verfolgen. Doch erst dann würde Seegras als Instrument zum Klimaschutz valide – und könnte etwa für Ausgleichsmaßnahmen der Industrie herangezüchtet werden.

Tidal hofft, das Problem durch die Entwicklung neuer Modelle und Algorithmen zu lösen, die die dreidimensionalen Karten des Seegrases, die es erfasst, in zuverlässige Schätzungen des damit gespeicherten Kohlenstoffs übersetzen. Wenn dies gelingt, könnten automatisierte Verfahren das Wachstum künftig überwachen. Dies könnte dazu beitragen, den Emissionshandel in Schwung zu bringen und dem neuartigen Speicherinstrument Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Daten müssen her

Das Team hofft, autonome Versionen seiner Werkzeuge zu entwickeln, möglicherweise in Form von schwimmenden Robotern, die mit seinen Spezialkameras ausgestattet sind und aus der Ferne Küstenlinien überwachen und das Wachstum oder den Verlust von Biomasse ermitteln. "Wenn wir diese Ökosysteme quantifizieren und messen können, können wir Investitionen zu ihrem Schutz und ihrer Erhaltung anregen", sagt Neil Davé, Geschäftsführer des Tidal-Projekts.

Einige Wissenschaftler sind jedoch noch skeptisch, ob die Technologie von Tidal in der Lage sein wird, den sich verändernden Kohlenstoffgehalt in weit entfernten Winkeln der Erde genau abzuschätzen. Die Herausforderungen sind enorm. Tatsächlich werden Ausgleichsmaßnahmen wie diese zunehmend kritisiert: Studien zeigen, dass der Nutzen für das Klima überschätzt werden kann, Umweltrisiken entstehen oder es zu Ungerechtigkeiten für die Bevölkerung kommt. Davé räumt ein, dass man bislang noch nicht weiß, wie gut der Ansatz funktionieren wird. Deshalb sei man nun zusammen mit australischen Forschern nach Indonesien gekommen.

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Wiederherstellung unserer Küsten

Tidal gibt sich zuversichtlich, dass es eine brauchbare kommerzielle Anwendung geschaffen hat und wendet sich nun der Erfassung von Informationen über natürliche Meeresökosysteme zu. "Jetzt ist der große Moment für uns", sagt Forschungsleiterin Grace Young, "denn wir können sehen, wie die von uns entwickelten Werkzeuge in anderen Meeresindustrien eingesetzt werden können und dort etwas bewirken." Seegras bildet dichte Wiesen, die sich über Tausende von Kilometern entlang flacher Küsten erstrecken können und bis zu 0,2 Prozent des weltweiten Meeresbodens bedecken. Sie liefern Nährstoffe und Lebensraum für Meeresbewohner, filtern Verschmutzungen und schützen die Küsten.

Die Pflanzen leben photosynthetisch und produzieren die benötigte Nahrung aus Sonnenlicht, Wasser und dem im Meerwasser gelösten Kohlendioxid. Sie speichern Kohlenstoff in ihrer Biomasse und geben ihn an die Sedimente des Meeresbodens ab. Sie tragen auch dazu bei, den Kohlenstoff in anderen organischen Stoffen, die vorbeischwimmen, "einzufangen". Weltweit können Seegraswiesen bis zu 8,5 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoffs in den Sedimenten des Meeresbodens und zu einem Teil in ihrer Biomasse speichern. Im oberen Bereich nehmen diese Wiesen jedes Jahr etwa 110 Millionen Tonnen zusätzlich auf und speichern sie.

Die Schätzungen über die Kohlenstoffaufnahmeraten von Seegraswiesen gehen jedoch weit auseinander. Ein Hauptgrund dafür ist, dass es keine billige und einfache Möglichkeit gibt, die ausgedehnten Küstenlinien des Planeten zu kartieren. Nur etwa 60 Prozent der Seegraswiesen wurden in den US-Gewässern erfasst, "wobei der Grad der Genauigkeit aufgrund der Schwierigkeiten bei der Fernerkundung von Unterwasserlebensräumen unterschiedlich ist", heißt es in einer Studie der National Academies of Sciences.

Das Kohlendioxidhandelstegister Verra hat bereits eine Methode zur Berechnung der Kohlenstoffgutschriften entwickelt, die durch Arbeiten an Seegraswiesen erzielt werden. Mindestens ein Seegrasprojekt hat sich um den Vertrieb von Emissionsgutschriften beworben: ein langjähriges Projekt der Naturschutzorganisation Nature Conservancy in Virginia zur Anpflanzung von Seegras um die Virginia Barrier Islands.

Eintauchen ins Seegras

Einige Meeresforscher und Experten für den Emissionshandel sind jedoch der Meinung, dass es strengere Methoden geben muss, um sicherzustellen, dass diese Bemühungen tatsächlich so viel Kohlendioxid abbauen, wie sie behaupten. Andernfalls würden wir riskieren, dass Menschen oder Unternehmen Verschmutzungsrechte kaufen und verkaufen, ohne dem Klima wirklich zu helfen. Tidal begann daher schon Ende letzten Jahres damit, zu untersuchen, ob seine Instrumente auch für Seegras genutzt werden könnten. Damals unterstrich eine wachsende Anzahl von Studien, dass solche Projekte im Meer sehr sinnvoll wären......

"Wir müssen alles tun, um das Seegras zu erhalten", sagt Isaac Santos, Professor für marine Biogeochemie an der Universität Göteborg in Schweden. Denn diese Pflanzen spielten eine wichtige Rolle beim Schutz der Küsten, der Artenvielfalt im Meer und vielem anderen. "Aber auf die große Frage, ob sie uns vor dem Klimawandel bewahren werden, ist die Antwort klar und deutlich: Nein", sagt er. Sie hätten nicht genug Fläche, um genügend Kohlendioxid zu binden, um eine große Wirkung zu erzielen. Und die genaue Bestimmung des Nettoeffekts bei der Aufforstung sei problematisch.

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