efahrer hier 16. Januar 2023 | Carina Dietze
Wie klimafreundlich sind E-Autos? Dieser Frage geht Harald Lesch in einer Folge von Terra X auf den Grund - mit teilweise verblüffenden Feststellungen. Er korrigiert sich damit selbst, hatte er vor mehreren Jahren doch noch ein leidenschaftliches Plädoyer für Wasserstoff gehalten.
Mit steigenden Zahlen von E-Autos gibt es immer wieder Diskussionen darum, ob die Stromer tatsächlich besser für das Klima sind, als herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren. Dabei werden von Kritikern verschiedenste Bedenken genannt: Die Emissionsbilanz bei der Produktion, die benötigten Rohstoffe für die Batterien, sowie der CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion durch Kohle und Gas werden häufig als Vorwand gegen vollelektrische Fahrzeuge genannt. Doch ist das berechtigt? Im Rahmen der "Terra X"-Serie versucht der Wissenschaftler und Journalist Harald Lesch die drängendsten Fragen zum Thema E-Auto zu beantworten. Dabei wirft er auch Thesen über den Haufen, die er im Juni 2019 in einer früheren Folge von Terra X selbst aufgestellt hatte.
Sind elektrische Motoren besser als Verbrenner?
Obwohl diese Frage etwas subjektiv anmutet, findet Lesch eine klare Antwort: ja, aufgrund von zwei Eigenschaften. Auf der einen Seite seien elektrische Motoren im Verhältnis zu klassischen Verbrennungsmotoren wesentlich einfacher aufgebaut, erklärt Lesch. Auf der anderen Seite seien E-Motoren wesentlich effizienter, was die Ausnutzung der zugeführten Energie betreffe.
Zur Erläuterung nutzt der Wissenschaftler eine Vergleichsgrafik, die die Energieeffizienz eines vollelektrischen Motors mit einem wasserstoffbetriebenen Motor und einem Verbrenner vergleicht, der synthetischen Kraftstoff als Antrieb nutzt. Von 100 Prozent eingesetzter Energie würden beim Stromer ganze 73 Prozent in die tatsächliche Bewegung des Fahrzeugs gehen.
Damit nutzt der rein elektrisch versorgte Antrieb die Energie sehr viel effizienter als die im Vergleich angeführten Alternativen: Beim Wasserstoff-Antrieb per Brennstoffzelle kämen lediglich 22 Prozent der eingesetzten Energie in der tatsächlichen Bewegung an - Grund hierfür sei vor allem der aufwendige Prozess, mit dem der Wasserstoff überhaupt erst als Kraftstoff verwendet werden könne.
Bei Verbrennungsmotoren sieht die Bilanz sogar noch schlechter aus: Gerade einmal 13 Prozent der gesamten eingesetzten Energie würden effektiv in der Bewegung des Fahrzeugs landen, so Lesch. Der größte Teil der eingesetzten Energie werde statt in Vortrieb in Wärme umgesetzt. In der Fahrpraxis würde das bedeuten, dass ein Stromer mit der gleichen Energie, die ein Verbrenner für einen Kilometer Fahrt benötigt, fünfeinhalb Kilometer fahren könne, erklärt Lesch.
Da in Deutschland immer noch 50 Prozent des Stroms aus Kohle und Gas gewonnen werden, fallen auch bei vollelektrischen Fahrzeugen Emissionen an. Wie hoch sind diese im Vergleich zu einem klassischen Verbrenner? Den Vergleich macht Lesch am Beispiel eines 2-Liter-Passat mit 280 PS, sowie eines Tesla Model 3 mit einer 58 kWh-Batterie und 325 PS.
Lesch betont, dass für den Vergleich ausschließlich die Herstellerangaben genutzt werden. Demnach würde der Tesla auf 100 Kilometer 14,3 kWh Strom verbrauchen. Der ADAC habe allerdings festgestellt, dass es in Wahrheit etwa 20 kWh pro 100 Kilometer seien. Damit fallen für das Model 3 auf 100 Kilometer knapp 5 Kilogramm CO2-Emissionen, wenn man davon ausgeht, dass aktuell 50 Prozent des Stroms aus nicht erneuerbaren Energien gewonnen werde.
Der Passat habe laut Hersteller einen Benzinverbrauch von 7,2 Litern pro 100 Kilometer. Zum Passat nennt Lesch keinen realen Verbrauch – der ADAC hat die genannte Motorisierungsvariante nicht getestet, man kann aber davon ausgehen, dass auch der Verbrenner deutlich über der Herstellerangabe liegt. Schon mit der Herstellerangabe liege die CO2-Emissionen für den Verbrenner bei 20 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer, so Lesch. Somit würde selbst bei der aktuellen Stromproduktion, die noch nicht auf 100 Prozent erneuerbare Energiequellen zurückgreift, ein E-Auto immer noch viermal klimafreundlicher fahren, als ein Benziner.
Wer verursacht mehr Emissionen in Produktion und Lebenszyklus?
Auch die Emissionen, die bei der Produktion von E-Autos anfallen, sind ein viel diskutiertes Thema. Doch verursachen Stromer tatsächlich mehr CO2-Emissionen während der Produktion als herkömmliche Verbrenner? Und wenn ja, wie entwickeln sich die Emissionen im Laufe des Lebenszyklus der Fahrzeuge?
Um diese Fragen zu beantworten, holt sich Lesch Unterstützung von Annika Neitz-Regett von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München (FFE). Neitz-Regett erklärt, dass E-Autos während der Produktion einen größeren Emissionsfußabdruck hinterlassen würden als Verbrenner. Dies sei vor allem auf den hohen Energiebedarf für die Batterieproduktion zurückzuführen. Doch im Laufe des Lebenszyklus werde dieser "Rucksack aus Emissionsschulden" langsam gegenüber den Verbrennern abgebaut.
Hier setzt Lesch wieder auf den direkten Vergleich von Passat und Model 3: Angenommen, beide Fahrzeuge hätten einen Lebenszyklus von 16 Jahren, in dem sie jeweils 230.000 Kilometer zurücklegen würden, so wäre die Emissionsbilanz des Passats letztendlich bei 50 Tonnen CO2. Der Tesla käme - unter Berücksichtigung der aktuellen Energiebilanz mit 50 Prozent Strom aus Kohle und Gas - auf 18 Tonnen. Zukünftig sollte sich dieser Wert jedoch weiter verbessern, so Lesch.
Auch viele weitere spannende Fragen rund um das Thema E-Autos werden in dem Beitrag aufgegriffen .Das entsprechende Video ist auf dem YouTube-Account Terra X Lesch & Co zu finden.
Strom-Mehrverbrauch von 15 Millionen E-Autos "kein Problem"
Bei der Frage, wo der Strom für die E-Autos herkommen solle, legt Lesch eine harte Kehrtwende hin. In der Sendung aus dem Juni 2019 hatte er noch eine hypothetische Hochrechnung vorgestellt: Wenn "nur" eine Million Elektroautos gleichzeitig mit der maximalen Ladeleistung (350 kW, entsprechend der stärksten verfügbaren Ladesäulen) laden wollten, sprengte der Gesamtbedarf von 350 Gigawatt alle Dimensionen der deutschen Stromversorgung. EFAHRER.com berichtete. In der neuen Folge macht er eine ganz andere Rechnung auf: Ein Elektroauto verbrauche pro Jahr rund 3.000 kWh Strom, 15 Millionen Autos (soviele sind für das Jahr 2030 angepeilt) also insgesamt 45 Terawattstunden. Bei 500 TWh Gesamt-Produktion liege der zusätzliche Bedarf bei neun Prozent – "kein Problem" konstatiert der TV-Professor.
Bei der Frage, was die Autos tatsächlich für die Netzlast bedeuten, assistiert wieder Annika Neitz-Regett: Sie weist darauf hin, dass die Autos mit ihren Akkus eine wichtige Rolle als Speicher im Netz übernehmen können. Wenn die Hälfte einer deutschen E-Auto-Flotte im Jahr 2030 am Netz angeschlossen und zur Pufferung verfügbar sei, das heißt: den Strom wieder ins Netz zurückspeisen könne, liege deren Speicherkapazität beim Zehnfachen aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammengenommen.
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