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„Die Zeit der Goldgräberökonomie ist vorbei“
erklärte mir Prof. Hans Joachim Schellnhuber in einem der inspirierendsten Interviews der letzten Zeit.
Der weltweit bedeutende Klimaforscher (Gründer PIK - Potsdam Institute for Climate Impact Research) leitet jetzt das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA).
Ein Gespräch über Fakten, Verantwortung und die Frage, ob wir als Gesellschaft bereit sind, aus den Erkenntnissen der Klimaforschung auch die richtigen Konsequenzen zu ziehen. #climateaction
Jetzt das ganze Interview lesen: https://lnkd.in/dhtDBbzC 23.05.2025
Klimaforscher: Holz ist die Ressource des 21. Jahrhunderts
Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat einen Plan für die Zukunft.
Börsianer Grün erklärt er, wie Holz zur Klimalösung und die Baubranche zum Klimaretter werden können und der DACH-Raum dabei eine entscheidende Rolle spielt.
Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Initiative Bauhaus der Erde, setzt sich weltweit für eine klimagerechte Zukunft ein.
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Herr Schellnhuber, in 200 Jahren Industriezeitalter haben wir den Wohlstand unglaublich vermehrt, konsumieren mehr denn je und stehen gleichzeitig vor einem klimatischen Kollaps – wie sind wir so weit gekommen?
Hans Joachim Schellnhuber: Seit zwei Jahrhunderten leben wir in einer Art Goldgräberökonomie. Die industrielle Revolution hat fossile Energieschätze nutzbar gemacht, die zuvor über hunderte Millionen Jahren von der Natur gespeichert wurden. Daraus entstand eine Extraktionswirtschaft mit scheinbar grenzenlosem Konsum – doch dieser Rausch hat massive Nebenwirkungen. Wir nutzen Ressourcen, als wären sie unerschöpflich, und ignorieren zudem die Belastungsgrenzen des Planeten.
Unsere Art zu Wirtschaften bringt uns demnach selbst in Gefahr. Wie genau?
Vor der industriellen Revolution war unsere Wirtschaftsweise nachhaltig. Wind, Wasser, Wälder – das waren erneuerbare Ressourcen. Heute nutzen wir fossile Energien, und das hat zu einem System geführt, das auf Dauer nicht tragfähig ist. Die Natur regeneriert sich nicht in dem Tempo, in dem wir sie ausbeuten. Zudem gefährden wir durch die Treibhausgasemissionen das Gleichgewicht des Klimasystems mit all seinen Kippelementen – vom schmelzenden Eis in Grönland bis zum Amazonas-Regenwald.
Seit zwei Jahrhunderten leben wir in einer Art Goldgräberökonomie.
Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher
Es gibt Kritiker wie den deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn, die sagen, der Klimaschutz gefährde unseren Wohlstand. Was entgegnen Sie?
Ich denke, dass er und andere noch nicht restlos verstanden haben, dass moderne Technologien wie E-Mobilität oder Wärmepumpen sich finanziell und klimatechnisch sehr schnell amortisieren. Lebenszyklusstudien zeigen: Elektroautos sind bereits nach zwei Jahren Einsatz klimafreundlicher als Verbrenner. Auch Wärmepumpen sind vielfach effizienter als Ölheizungen. Wer heute in fossile Systeme investiert, zahlt langfristig drauf. Es geht um klugen Wandel, nicht um Einschränkung.
Sie sagen, dass wir die Pariser Klimaziele nicht erreichen werden. Wir werden auch die zwei Grad Erderwärmung bald überschreiten.
Ja, wir werden darüber hinausschießen. Wir müssen deshalb künftig der Atmosphäre wieder Treibhausgase entziehen.
Wie müsste hierfür ein alternatives System aussehen?
Wir brauchen eine biobasierte Kreislaufwirtschaft. Das bedeutet, dass wir sowohl Energie als auch Materialströme aus der Natur schöpfen – aber nur in dem Maße, wie sie sich regenerieren können. Photovoltaik, Geothermie sowie nachwachsende Rohstoffe wie Holz spielen hier eine Schlüsselrolle. Es geht nicht um Verzicht, sondern um ein intelligentes, regeneratives System, das langfristig tragfähig ist – ökologisch, ökonomisch und sozial.
Ihr Ansatz ist die sogenannte Wald-Bau-Pumpe. Dabei sollen Forst- und Bauwirtschaft zusammen die Lösung schaffen. Wie?
Die gebaute Umwelt verursacht rund 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Mit einem radikalen Umbau hin zur regenerativen Architektur könnten wir aus einem Klimasünder einen Klimaretter machen. Holz oder Bambus entstehen durch pflanzliche Photosynthese und speichern das CO2, das sie zuvor der Atmosphäre entzogen haben. Außerdem vermeidet ihre Nutzung die Emissionen, die durch Beton oder Stahl entstehen würden. Wir hätten also eine doppelte Klimadividende. Hinzu kommt: Holz schafft auch ästhetisch und wohnpsychologisch Vorteile – es wirkt beruhigend, reguliert die Luftfeuchtigkeit, ist ein lebendiges Material.
Die Beton- und Zementindustrie investieren derzeit in Technologien zur CO2-Abscheidung – das sogenannte Carbon Capture. Könnte das auch eine Lösung sein?
Diese Technologien können ein Baustein sein – aber sie sind kein Freifahrtschein, um weiterzumachen wie bisher. Carbon Capture ist energieintensiv, teuer und technisch herausfordernd. Die Idee, CO2 in der Erde zu verpressen, kann bei Industrien wie Zement oder Stahl helfen, wo Prozessemissionen schwer vermeidbar sind. Aber wenn man sie großflächig einsetzt, nur um den fossilen Status quo zu erhalten, dann ist das Augenauswischerei. Außerdem stellt sich die Frage: Wer kontrolliert über Jahrzehnte hinweg, ob das CO2 auch wirklich gebunden bleibt? Insofern: Ja, gezielt eingesetzt kann Carbon Capture Teil der Lösung sein – aber kein Ersatz für die eigentliche Transformation.
Aber ist der Holzbau technologisch schon so weit?
Absolut. Moderne Trocknung, Brandschutzdesign, maschinelles Vorfertigen – das ist alles da.
Firmen in Österreich wie Binderholz, Wiesner AG, KLH oder Rhomberg gehören zur Weltspitze.
Auch Deutschland und die Schweiz haben große Potenziale, aber Österreich lebt das längst und ist ein Vorbild. Richtig behandeltes und verbautes Holz hält hunderte Jahre und ist brandsicher – viele Vorurteile sind inzwischen schlicht widerlegt. Denken Sie an historische Bauten wie japanische Tempel oder Alpenhäuser – die stehen seit Ewigkeiten.
Holzbau ist derzeit allerdings teurer als andere Baumethoden.
Der Holzbau ist heute schon fast kostenparitätisch mit konventionellen Methoden. In zehn Jahren wird er sogar günstiger sein. Denken Sie an Photovoltaik – die war anfangs auch viel teurer als Kohlestrom, heute ist sie unschlagbar billig. Zudem ermöglicht Holz serielles Bauen – schnelle, saubere Baustellen mit digitaler Vorfertigung. Das senkt langfristig nicht nur Kosten, sondern auch Risiken.
Wie sieht es mit der Akzeptanz bei Bauherren und in der Bevölkerung aus?
Sie steigt steil an – gerade weil viele Menschen die Verbindung zur Natur suchen. Holz wird als gesundes, nachhaltiges Material wahrgenommen. Wichtig ist, dass wir verlässliche Standards schaffen, die Vertrauen geben – etwa beim Brandschutz oder bei Zertifizierungen aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Inwieweit beeinflusst die urbane Struktur diese Bauwende?
Wir müssen nicht nur neu bauen, sondern auch die bestehenden Städte umbauen. Urban Mining heißt: Wir nutzen das, was schon da ist – Stahlträger, Ziegel, Beton –, und kombinieren das mit neuen, klimafreundlichen Baustoffen wie Holz oder Hanfziegeln. Auch das ist Teil der Bauwende. Sanierung, Aufstockung, Umnutzung – alles Chancen, um CO2-Emissionen zu vermeiden und gleichzeitig hochwertigen Wohnraum zu schaffen.
Und dennoch fließt das Kapital weiterhin in Beton und Stahl. Betongold scheint immer noch zu strahlen.
Weil mächtige Akteure ihre Geschäftsmodelle schützen wollen. Dabei könnten wir durch nachhaltige Forstwirtschaft und smarte Industrien massive Wertschöpfung erzielen – mit positiven Effekten fürs Klima. Regenerativer Städtebau ist nicht nur ein Umweltprojekt, sondern auch ein industriepolitisches.
Wie weit kann Europa mit Holz überhaupt bauen?
In Europa könnten wir alle Neubauten mit regionalem Holz umsetzen. Der Klimawandel sorgt ironischerweise sogar für bessere Wachstumsbedingungen, insbesondere durch den erhöhten CO2-Gehalt der Atmosphäre. Und es gibt weltweit eine Milliarde Hektar degradierter Flächen – etwa im Sahel –, die wir wiederaufforsten könnten. Holz ist die Ressource des 21. Jahrhunderts – wenn wir sie intelligent nutzen.
Als Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Papst Franziskus und der EU-Kommission sowie als Mitglied im Weltklimarat IPCC ist der 74-Jährige einer der einflussreichsten Klimaforscher weltweit. Er prägte die Konzepte der „Planetaren Grenzen“ und der „Kippelemente des Klimasystems“. Hans Joachim Schellnhuber gründete 1992 das weltbekannte Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), ist seit dem 1. Dezember 2023 Generaldirektor des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg bei Wien.
Gibt es globale Vorbilder für diese Transformation?
Ja, etwa ein Projekt im Kongo, wo ein grüner Korridor entstehen soll: nachhaltige Waldwirtschaft, erneuerbare Energie, regionale Wertschöpfung. Der Kongo ist ein Rohstoffparadies. Richtig genutzt, wäre er reicher als Saudi-Arabien – nicht durch Öl, sondern durch Bioökonomie.
Sie beraten Staatschefs und hochrangige Politiker. Was wird umgesetzt?
Es gibt Bewegung. In Deutschland ist die Förderung biobasierter Baustoffe bereits im neuen Koalitionsvertrag verankert. Und Österreich hat als Holzbaunation eine globale Führungsrolle inne. Jetzt gilt es, diese Chance zu nutzen – auch im Zusammenspiel mit der Europäischen Union.
Wie kann man diese Transformation beschleunigen?
Die Bauwirtschaft muss umdenken: von Beton zu Holz, von linear zu zirkulär. Investoren müssen nachhaltige Projekte priorisieren. Die Politik muss faire Wettbewerbsbedingungen schaffen – und vor allem den Mut haben, bestehende Wirtschaftsmachtstrukturen nicht zu schützen, sondern Transformation zu ermöglichen. Dafür braucht es eine Allianz von Politik, Finanz- und Bauwirtschaft – und ein Bewusstsein, dass Nachhaltigkeit kein Luxus, sondern Lebensgrundlage ist.
Was treibt Sie persönlich an, diese Wende voranzubringen?
Ich bin Physiker. Ich kenne die Naturgesetze – und was ich sehe ist, dass wir sie zu unserem großen Schaden ignorieren. Ich will, dass meine Kinder und Enkel eine lebenswerte Welt vorfinden. Dafür lohnt es sich, zu kämpfen.
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