hier Mirko Lange auf LinkedIn
Das Demokratie-Paradoxon
Ein System, das sich selbst abschafft, ist kein starkes System. Eine Demokratie, die tatenlos zusieht, wie ihre Feinde sie mit ihren eigenen Mitteln aushöhlen, ist keine Demokratie mehr, sondern ein naives Experiment. Und genau das versteht der Verfassungsschutz – besser als viele Kommentatoren dieser Tage.
Die AfD nennt es einen „schwarzen Tag für die Demokratie“, weil sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Das ist eine starke Aussage. Aber sie trifft nicht ins Herz der Wahrheit – sondern lenkt von ihr ab.
Denn hier liegt das eigentliche Paradox: Eine liberale Demokratie schützt die Freiheit des Einzelnen – auch dann, wenn dieser Einzelne die Demokratie ablehnt. Sie schützt Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit – auch für jene, die diese Freiheiten gezielt missbrauchen, um die Grundordnung zu schwächen.
Doch dieser Schutz ist nicht bedingungslos. Die FDGO – die freiheitlich-demokratische Grundordnung – ist nicht bloß eine Meinung unter vielen. Sie ist der Boden, auf dem unsere gesamte Gesellschaft steht. Wer versucht, diesen Boden zu untergraben, muss mit Widerstand rechnen. Rechtlich. Institutionell. Demokratisch.
🔹️Wenn also Funktionäre einer Partei über Jahre hinweg Äußerungen tätigen, die nachweislich rassistisch, antisemitisch, demokratiefeindlich oder menschenverachtend sind, dann ist es keine Willkür, wenn der Verfassungsschutz reagiert.
🔹️Wenn diese Partei eine Strategie verfolgt, die auf systematischer Desinformation, Angst und Spaltung beruht, dann ist das keine bloße Meinung – sondern ein Angriff auf die demokratische Kultur.
🔹️Und wenn diese Partei Stimmen sammelt, indem sie die Freiheit nutzt, um die Freiheit abzuschaffen, dann ist das keine legitime Wahlbewegung, sondern ein Missbrauch des Vertrauens, das die Demokratie allen gewährt.
Das Paradoxe ist: Demokratie muss so frei wie möglich – aber so wehrhaft wie nötig sein. Der Rechtsstaat darf nicht zur Zuschauertribüne werden, wenn seine eigenen Regeln mit Füßen getreten werden. Er muss unterscheiden zwischen Kritik – die legitim ist – und Delegitimierung – die gefährlich ist.
Nicht alles, was gewählt ist, ist demokratisch. Nicht alles, was gesagt werden darf, ist harmlos. Nicht jede Stimme im Wahlzettel ist ein Freibrief zur Zerstörung.
Vielleicht liegt es am Begriff "rechtsextrem". Er lenkt ab. Denn es ist egal ob rechts oder links. Es kommt auf das "extrem" an und das bedeutet: Außerhalb unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und genau die will die AfD verändern. Sie sagt das ja selbst ganz offen. Und viel wählen die AfD genau deswegen.
Aber die FDGO ist nicht verhandelbar:
- Die Menschenwürde,
- der Rechtsstaat,
- die Freiheit aller,
- die Gleichheit aller vor dem Gesetz.
Demokratie ist kein Selbstbedienungsladen. Sie ist ein Versprechen – an uns alle. Und dieses Versprechen heißt: Nie wieder.
Tim Kickbusch hier auf LinkedIn
Executive Producer at RTL News GmbH
Gesichert rechtsextrem. Die ganze AfD. Sagt der Verfassungsschutz.
Unsere Recherchen der letzten Monate zeigen noch einen anderen Aspekt:
Viele Rechtsextremisten sehen die AfD als Zugpferd. Katalysator. Als die Lok, die ihren Zug ins Ziel ziehen soll.
Meine Kollegin Angelique Geray war acht Monate undercover. Und hat sowas immer wieder gehört:
Eigentlich ist die AfD nicht 100%ig das was die Neonazis sich vorstellen, aber man müsse sie erstmal wählen. Als Übergang zu noch härteren Rechtsextremisten.
Meinem Kollegen Markus Frenzel hat das ein 18jähriger Neonazi ganz offen in die Kamera gesagt. Erstmal AfD - später dann Volksgemeinschaftsstaat ohne Demokratie.
Unsere ganzen Recherchen: jetzt im stern und am Montag bei RTL Deutschland.
hier Angelique Geray auf LinkedIn 29.4.25
Investigative Recherche | Rechtsextremismus & Gesellschaft | Doku & TV-Produktion
Ich war „Isa“. Und ich war undercover bei Neonazis.
Einem „Mädeltag“ der Jungen Nationalisten beizuwohnen – als angebliche Gesinnungsgenossin – war eine der beklemmendsten Erfahrungen meines Lebens.
Ich erinnere mich an die makellosen Zöpfe, die altmodischen Röcke. An das Lächeln des Mädchens, das ein Hakenkreuz auf eine Baumscheibe malt.
Und erst die Lieder – erst über Soldaten, später über Hitler.
Alles wirkte diszipliniert, wie choreografiert – als wollten sie die Hitlerjugend kopieren.
Ein Mädchen war erst 17 Jahre alt. Jugendliche, die von Ideologie geformt werden, bevor sie überhaupt begreifen, wie gefährlich diese Welt ist.
Monatelang habe ich mich als „Isa“ in der rechtsextremen Szene bewegt – unter falschem Namen, mit falscher Biografie. Ich habe mich als Neonazi-Anwärterin ausgegeben, Sprache und Auftreten gelernt, Zugang zu Kadern und Chatgruppen erhalten, war auf Konzerten, Demos und internen Veranstaltungen. Ich war mitten in einer Szene, in der sich Jugendliche radikalisieren – einige waren gerade einmal 15 Jahre alt.
Der „Mädeltag“ war für mich einer der verstörendsten Momente dieser Recherche. Aber er war nur ein Ausschnitt.
Ich werde in den kommenden Wochen einzelne Aspekte teilen, die mich besonders beschäftigen.
Denn diese Recherche war groß – und sie war gefährlich. Aber sie war auch notwendig.
🎥 Der erste Teil lief am Dienstag bei RTL Extra.
📰 Die Kolleg*innen vom stern haben zusätzlich ein ganzes Artikel-Paket veröffentlicht.
Dort beschreiben wir, wie wir recherchiert haben, was ich erlebt habe – und auch, wie wir dabei helfen konnten, einen geplanten Anschlag zu verhindern:
https://t1p.de/ae9pw
📺 Am kommenden Montag zeigen wir in einer Doku, was wir noch alles herausgefunden haben: stern Investigativ, 22:35 Uhr, RTL.
Ich bin unglaublich dankbar, dass ich bei dieser Arbeit nicht allein war. Dass ich Teil eines Teams bin, das mich unterstützt hat – journalistisch, menschlich, redaktionell.
Danke an:
Tim Kickbusch, David Walden, Markus Frenzel, David Holzapfel, Jonas Fedders, Frederik Mittendorff, Dominik Hermanns,
Sonja Ewald, Henning Groß, Tina Kaiser, Stefanie Konle, Michael Lehmann, Marc Neller und Lisa Plank.
Und natürlich an die großartigen Kolleg*innen von Recherche Nord, die mit mit ihrem Wissen zur Szene geholfen haben: https://t1p.de/9yu7y
Und ich bin auch dankbar für das Vertrauen von Sender und Verlag – dafür, dass sie diese gefährliche und aufwendige Recherche mitgetragen und möglich gemacht haben:
Stephan Schmitter, Inga Leschek, Martin Gradl, Dr. Gregor Peter Schmitz, Giuseppe Di Grazia, Christian Schleker und Manuel Heckmair.
An alle da draußen: Das war längst noch nicht alles. Da kommt noch viel mehr.

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