Dienstag, 20. Mai 2025

Wer braucht Fortschritt, wenn man auch Kontrollraum-Ästhetik aus den 80ern haben kann?

Leider muss man zugeben: auch wir marschieren zurück, zum Gas halt in unserem Fall.

Nicht nur Belgien, auch Italien und Dänemark träumen von neuen Reaktoren für die Zukunft. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb man so ideologisch festhalten kann an der, vor allem von Rechtspopulistischen  bejubelten, teuersten und gefährlichsten Art der Energieerzeugung. Es ist und bleibt rätselhaft - dennoch denke ich, die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung tendiert gegen 0. Welches Land  kann sich diesen Luxus leisten?

Daniel Mautz  hier auf LinkedIn

Nuke Kids, haltet durch – ihr seid nicht allein!

Belgien, die strahlende Supermacht mit stolzen zwei alternden Reaktoren, zeigt Deutschland gerade, wie man konsequent nach hinten marschiert. 

Der Atomausstieg? 
Rückgängig gemacht. 

Die Energiezukunft? 
Wieder fest im Griff der Vergangenheit.

In Zeiten, in denen Solar- und Windstrom günstiger denn je ist, entscheidet sich Belgien mutig dafür, Energie künftig teurer, langsamer und unsicherer zu erzeugen. 

Weil nichts so gut klingt wie „Neue AKW – irgendwann ab 2045, falls jemand noch Uran findet“.

Und während andere Länder Netze flexibilisieren, Speicher skalieren und mit Sonne & Wind längst Märkte dominieren, hoffen unsere belgischen Nachbarn offenbar darauf, dass das Atomzeitalter sich nochmal romantisch zurückmeldet.

Aber hey, die Nuke-Kids freut’s: Endlich wieder eine Regierung, die zeigt, wie man mit Milliardensubventionen, Endlager-Fantasien und technischen Risiken Politik für gestern macht.

Wer braucht Fortschritt, wenn man auch Kontrollraum-Ästhetik aus den 80ern haben kann?



hier Reimar Paul 19.05.2025

Rückenwind für die Atomenergie in Belgien und Dänemark

Belgien und Dänemark sind dabei, ihren kernkraftkritischen Kurs aufzugeben

Kehrtwende in der Energiepolitik: Auf Initiative der seit Anfang Februar amtierenden Mitte-rechts-Regierung Belgiens unter Premierminister Bart de Wever hat das Parlament in Brüssel beschlossen, den vor zwei Jahrzehnten in Gang gesetzten Ausstieg aus der Atomkraft zu stoppen und die Laufzeit der noch betriebenen Reaktoren zu verlängern. 102 Abgeordnete stimmten am letzten Donnerstag für die Pläne, nur acht waren dagegen, 31 enthielten sich.

Energieminister Mathieu Bihet von der wirtschaftsliberalen Reformbewegung kündigte überdies an, die Stromproduktion aus Atomkraft mittelfristig zu verdoppeln. Neben den bestehenden vier Reaktoren will die Regierung bis zu vier Gigawatt zusätzliche Kapazität durch neue bzw. reaktivierte Anlagen schaffen. Ob die Pläne umgesetzt werden können, ist allerdings fraglich.

Im Jahr 2003 war in Belgien der Atomausstieg beschlossen und gesetzlich verankert worden. Auf dieser Grundlage wurden zwischen 2022 und Anfang 2025 drei Reaktorblöcke in Doel bei Antwerpen und Tihange nahe Lüttich abgeschaltet. Zurzeit sind noch vier Meiler an diesen Standorten am Netz. Infolge des Krieges in der Ukraine und befürchteter Energieengpässe wurde 2022 die Laufzeit von Doel-4 und Tihange-3 bis 2035 verlängert. Jetzt prüft die Regierung einen Betrieb über 2035 hinaus.

In Deutschland sorgten die belgischen Atommeiler aus den 70er und 80er Jahren anhaltend für Diskussionen und Kritik. Immer wieder wurden dort Schäden dokumentiert, etwa Risse im Reaktordruckbehälter oder bröckelnde Betonteile. Die Bundesregierung und nordrhein-westfälische Kommunen in Grenznähe wie Aachen – die Stadt liegt nur 60 Kilometer von Tihange entfernt – forderten mehrfach die Abschaltung unsicherer belgischer Reaktoren. Die dortige Atomaufsicht ließ die Anlagen nach Überprüfungen jedoch weiterlaufen, was in Deutschland erneut Proteste auslöste.

Umweltschützer in Belgien und Deutschland verurteilen denn auch die neuen Atompläne scharf. Diese änderten nichts an den Tatsachen, erklärt Joeri Thijs, Sprecher von Greenpeace Belgien: »Erneuerbare Energien sind die günstigste Energie, die Verlängerung der Lebensdauer der alten Atomkraftwerke in unserem Land ist riskant und astronomisch teuer. Und neue Atomkraftwerke sind ein wirtschaftliches und technisches Märchen.«

»Es ist besser, Atomkraft in Europa zu haben, als von russischem Gas abhängig zu sein.«
Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin Dänemarks

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) mit Sitz in Bonn betont, dass »der Weiterbetrieb der alten Atomkraftwerke in Belgien zahlreiche Gefahren für die Bevölkerung und die Umwelt birgt«. Der Bau und Betrieb neuer AKW würden zudem das auch im Nachbarland Belgien ungelöste Atommüllproblem weiter verschärfen. »Statt eine Dinosauriertechnologie zu forcieren, sollte Belgien auf eine nachhaltige und umweltverträgliche Energieversorgung ohne Atommüll setzen«, so BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz.

Bedenken hat übrigens auch der Kraftwerkbetreiber Engie. Unternehmenschef Vincent Verbeke erklärte gegenüber belgischen Medien, man werde nicht mehr in Kernenergie investieren. Die Atomkraft sei kein Teil der Zukunftsstrategie. Engie verfolge weiterhin den Plan, alle Reaktoren bis 2025 oder spätestens 2035 vom Netz zu nehmen und abzubauen.

Deshalb bleibt unklar, ob sich die politischen Atompläne überhaupt umsetzen lassen. Bleibt Engie bei seinem Nein, müsste ein neuer Betreiber für die alten AKW gefunden werden oder der belgische Staat selbst einspringen. Beim Bau neuer Atomkraftwerke kämen weitere Risiken hinzu, denn er wäre mit hohen Investionskosten, langen Genehmigungsverfahren und öffentlichen Diskussionen verbunden.

Nichtsdestotrotz evaluiert derzeit das atomstromfreie Dänemark die Möglichkeit eines Einstiegs in die Kernenergie. Damit könnte ein Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 1985 fallen, der jegliche Atomkraftnutzung untersagt. Zurzeit bezieht das Land mehr als 80 Prozent seines Stroms aus regenerativen Energien und gilt hierbei weltweit als Vorreiter.

Den Antrag der Rechts-Opposition auf eine sofortige Aufhebung des Atomkraftverbots lehnte das Parlament in Kopenhagen kürzlich zwar ab. Beschlossen wurde allerdings eine »Prüfung von Potenzialen, Möglichkeiten und Risiken«. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen begründet das so: »Wir sollten das mit offenen Augen angehen. Es ist besser, Atomkraft in Europa zu haben, als von russischem Gas abhängig zu sein.«

Der frühere Regierungschef Anders Fogh Rasmussen ist noch deutlicher für einen Kurswechsel: »Wind und Sonne sind gut, solange man Wind und Sonne hat«, sagte Rasmussen der »Financial Times«. »Aber man braucht eine nicht-fossile Grundlast, und es ist lächerlich, die Kernkraft von vornherein auszuschließen.«

Rasmussen und Co. setzen auf sogenannte Small Modular Reactors (SMR). Das sind sind kleine AKW mit einer elektrischen Leistung von etwa 15 bis höchstens 300 Megawatt – die gängigen Leichtwasserreaktoren leisten hingegen 1300 oder sogar 1600 Megawatt. Ihre Befürworter werben damit, dass SMR gewissermaßen als Reaktoren von der Stange in einer Fabrik vorgefertigt und am Montageort zusammengesetzt werden könnten. Allerdings gibt es einsatzfähige Reaktoren bislang gar nicht, sie existieren nur als Modelle in Pilotversuchen.

Wie in Belgien beurteilt auch in Dänemark die Stromwirtschaft die Atompläne skeptisch. Der größte Versorger Andel, der mehr als drei Millionen Haushalte beliefert, bezeichnet Kernkraft in Verbindung mit den noch unerprobten Mini-Reaktoren als reine Zukunftsmusik. Andel warnt davor, dass diese Technologie in jedem Fall mindestens doppelt so teuer werde wie ein konsequenter und klimagerechter Ausbau von Wind- und Solarenergie.



hier  21. Mai 2025 Pilar Sánchez Molina


Kernenergie hat das höchste Investitionsrisiko; Solarenergie zeigt das geringste, sagen US-Forscher

Kernkraftwerke überschreiten die Baukosten im Durchschnitt um 102,5 %, was zusätzlich 1,56 Milliarden Dollar über die geplanten Kosten hinaus ausmacht, so eine Studie des Instituts für globale Nachhaltigkeit der Boston University. 

Eine neue Studie des Instituts für globale Nachhaltigkeit der Boston University hat ergeben, dass Infrastrukturprojekte im Energiesektor in mehr als 60 % der Fälle die geplanten Baukosten überschreiten. Die Forscher analysierten Daten von 662 Projekten in 83 Ländern, die von 1936 bis 2024 erstrecken und insgesamt 1,358 Billionen Dollar in Investitionen ausmachen.

Die Studie umfasste eine breite Palette von Projekttypen. Dazu gehörten thermische Kraftwerke, die mit Kohle, Öl oder Erdgas betrieben werden, sowie Kernreaktoren, Wasserkraftanlagen und Windparks. Sie untersuchte auch großangelegte PV- und konzentrierte Solaranlagen, Hochspannungs-übertragungsleitungen, Bioenergie- und Geothermieanlagen, Wasserstoffproduktionsstätten sowie Systeme zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. 

Forscher modellierten Projekte mit Mindestschwellenwerten: Kraftwerke mit mehr als 1 MW installierter Leistung, Übertragungsleitungen über 10 km und Kohlenstoffabscheidungssysteme, die mehr als 1.000 Tonnen CO₂ pro Jahr verarbeiten. In der Studie "Jenseits von Skaleneffekten: Lernen aus Baukostenüberschreitungsrisiken und Zeitverzögerungen bei globalen Energieinfrastrukturprojekten", veröffentlicht in Energy Research & Social Science, fanden die Autoren heraus, dass der Bau von Energieinfrastruktur im Durchschnitt 40% länger dauert als geplant – durchschnittlich eine Verzögerung von etwa zwei Jahren. 

Kernkraftwerke wiesen die höchsten Kostenüberschreitungen und Verzögerungen auf, mit durchschnittlichen Baukosten, die die Schätzungen um 102,5%, oder 1,56 Milliarden US-Dollar, übertrafen. Wasserkraftprojekte lagen bei 36,7%, dann Geothermie (20,7%), Kohlenstoffabscheidung (14,9%) und Bioenergie (10,7%). 

Windprojekte verzeichneten einen durchschnittlichen Kostenanstieg von 5,2%, während Wasserstoffprojekte bei 6,4% lagen. Im Gegensatz dazu berichteten PV-Anlagen und Übertragungsinfrastrukturen von Kostensenkungen von 2,2% bzw. 3,6%.

Die Bauverzögerungen variierten ebenfalls je nach Technologie. Kern-, Wasser- und Geothermieprojekte erlebten durchschnittliche Verzögerungen von 35, 27 und 11 Monaten.
PV- und Übertragungsprojekte hatten die beste Leistung und wurden in der Regel vor dem Zeitplan oder nur mit minimalen Verzögerungen – durchschnittlich einen Monat, wenn sie überhaupt verzögert wurden – abgeschlossen.

Die Studie kam zu dem Schluss, dass Projekte mit einer Kapazität von über 1.561 MW erheblich höhere Risiken von Kostensteigerungen haben, während kleinere, modulare erneuerbare Bauprojekte die finanzielle Exposition verringern und die Prognose verbessern können. Sobald die Bauverzögerungen 87,5% überstiegen, stiegen die Kostensteigerungen sprunghaft an.

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