hier 17. November 2023
Brüssel 16.11.2023 - Die EU hat sich darauf geeinigt, einen neuen Straftatbestand gesetzlich zu verankern, mit dem die schwersten Umweltverbrechen bestraft werden sollen.
Am Donnerstagnachmittag stimmte die Europäische Union in Brüssel für eine Verschärfung ihrer "Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt".
Die Richtlinie sieht nun vor, dass gegen spezifische schwere Fälle der Zerstörung von Ökosystemen, einschließlich der Zerstörung von Lebensräumen und des illegalen Holzeinschlags, direkt vorgegangen wird.
Die EU hat zwar das Wort "Ökozid" nicht in den Text aufgenommen, aber sie hat den vom Europäischen Parlament Anfang des Jahres vorgeschlagenen Text zur Verhütung von Umweltverbrechen sowie die wachsende Zahl von Gesetzesentwürfen zum Thema Ökozid, die sowohl in Europa als auch in der ganzen Welt bereits vorgelegt oder verabschiedet wurden, klar zur Kenntnis genommen.
Der endgültige Text wurde am Donnerstag den 16.11.23 nach mehrmonatigen Verhandlungen ("Trilog") zwischen dem Europäischen Rat, der Kommission und dem Parlament vorgelegt, in denen unter anderem die Einführung eines "qualifizierten Straftatbestands" zur Verhinderung und Bestrafung schwerster Umweltschäden erörtert wurde - einschließlich, wie es in den begleitenden Erwägungsgründen heißt, "mit Ökozid vergleichbarer Fälle". Der Text wird in den kommenden Monaten formal verabschiedet, die entscheidende politische Einigung ist gestern erzielt worden.
Der vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Text folgte einem einstimmigen Beschluss des Rechtsausschusses im März 2023. Darin wird vorgeschlagen, dass "die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jedes Verhalten, das einen schweren und entweder weit verbreiteten oder langfristigen oder irreversiblen Schaden verursacht, als besonders schwere Straftat behandelt und als solche im Einklang mit den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten geahndet wird".
Dies lehnt sich eng an die vorgeschlagene Definition von Ökozid als internationales Verbrechen an, die von einem unabhängigen Expertengremium, das von der Stop Ecocide Foundation im Jahr 2021 einberufen wurde, ausgearbeitet wurde und die weltweit ein schnell wachsendes Interesse bei Regierungen, Juristen, Wissenschaftlern und Medien ausgelöst hat.
Der endgültige Text der EU steht im Einklang mit dem Sinn der internationalen Definition und ist das erste Mal, dass ein Gesetz auf europäischer Ebene schwere Naturzerstörung als eigenständige Straftat anerkennt.
Das öffentliche Interesse an der Anerkennung von Ökozid, bzw. Verbrechen auf Ökozid-Niveau ist unbestreitbar vorhanden und wächst. Eine Koalition aus Politiker:innen, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft setzt sich seit über einem Jahr für die Aufnahme des Themas in die Richtlinie ein. Eine von WeMove Europe und Avaaz dazu organisierte Online-Petition erhielt über 617.000 Unterschriften.
Jojo Mehta, Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Stop Ecocide International, sagte:
“Wir freuen uns sehr über dieses Ergebnis. Der beschlossene Text ist ein enorm wichtiger Schritt und ein großer Gewinn für die Natur, da er den strafrechtlichen Umweltschutz in der gesamten EU erheblich stärkt. Das Europäische Parlament hat im März echte Führungsstärke bewiesen, indem es sich für einen starken Text eingesetzt hat, und die Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat haben zu einer Richtlinie geführt, die den Mitgliedstaaten tatsächlich dabei helfen wird, Umweltschäden viel ernster zu nehmen. Dies ist sehr bedeutsam und unbedingt zu begrüßen, und wir können aus der schnell wachsenden Dynamik der Ökozid-Initiative ersehen, dass es nicht lange dauern wird, bis sich die europäischen Staaten in ihren eigenen Rechtssystemen eingehender damit befassen werden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es bei der raschen Entwicklung nur eine Frage der Zeit ist, bis Ökozid im Strafrecht auf allen Ebenen anerkannt wird.”
Die Europaabgeordnete Marie Toussaint, die eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen spielte, führte aus:
“Der verabschiedete Text kann ein neues Zeitalter der Umweltgerichtsbarkeit in Europa einleiten, denn wir haben einen grundlegenden Sieg errungen, der über unsere Grenzen hinaus reicht. Im europäischen politischen Kontext ist dieser Text eine wichtige Unterstützung für all jene, die die Umwelt vor Gericht verteidigen und die Straffreiheit krimineller Unternehmen bekämpfen, die sich allzu oft über die Gesetze hinwegsetzen und derzeit daran arbeiten, die Umweltdemokratie in Europa auszuhebeln. Umweltkriminalität ist weltweit auf dem Vormarsch, sie gilt inzwischen als ebenso lukrativ wie der Drogenhandel und trägt zur Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde bei. Mit dieser Vereinbarung beschließt die Europäische Union einige der ehrgeizigsten Rechtsvorschriften der Welt. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass nie wieder Lebewesen im Namen des Profits geschädigt werden können. Es ist nun wichtig, dass die EU-Mitgliedstaaten vorschlagen, Ökozid als eigenständigen Straftatbestand in das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aufzunehmen.”
Wolf Hingst, Teamleiter von Stop Ecocide Deutschland, betonte:
“Das ist ein Paradigmenwechsel von historischer Bedeutung: Die Abwägungen zwischen Natur- und Artenschutz – und damit auch dem Klimaschutz – einerseits und wirtschaftlichen Interessen andererseits werden auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Wenn Ökozid international vom Kavaliersdelikt zum Kapitalverbrechen wird, werden sich Multimilliarden-Investments neue und nachhaltigere Wege suchen, anstatt neue Orte für alte Praktiken.“
In diesem Jahr wurden in Belgien, den Niederlanden, Italien und Spanien Ökozid-Gesetzesentwürfe vorgeschlagen oder werden derzeit ausgearbeitet. Stop Ecocide International ist der Ansicht, dass jeder neu vorgeschlagene Gesetzesentwurf ein Signal an die politischen Entscheidungsträger:innen der EU sendet, dass es ein echtes politisches und gesellschaftliches Interesse an wirkungsvollen rechtlichen Maßnahmen gibt, die schwersten Schäden an der Natur zu verhindern und zu bestrafen.
Das sagt WeMove:
Es ist ein großer Erfolg für die Natur. Die EU wird Regeln einführen, wonach diejenigen, die unsere Umwelt massenhaft zerstören, zur Rechenschaft gezogen werden - mit Strafen wie Geld- und Gefängnisstrafen!
Letzte Woche hat sich die EU darauf geeinigt, Schäden am Planeten zu bestrafen, die "mit einem Ökozid vergleichbar sind" [1], wie etwa die illegale Abholzung rumänischer Wälder. [2] Oder die Zerstörung der Doñana, eines der wichtigsten Feuchtgebiete Europas, in dem Millionen von Zugvögeln leben. [3]
Vor mehr als einem Jahr hat sich diese Gemeinschaft mit “Stop Ecocide” und “Avaaz” zusammengetan, um Veränderungen ins Rollen zu bringen. Gemeinsam forderten wir, die massenhafte Zerstörung des Planeten zu dem zu machen, was es ist: ein Verbrechen. Heute können wir alle feiern!
Mehr als 600.000 Menschen haben den Appell unterzeichnet. Dank kleiner Spenden von Aktiven dieser Gemeinschaft wie Ihnen konnten wir zudem Hunderte von Plakaten in ganz Brüssel anbringen, auf denen die EU aufgefordert wurde, den Ökozid unter Strafe zu stellen. Dies war ein wichtiger Wendepunkt in unserer Kampagne.
Die EU-Gesetzgeber konnten nicht in ihre Büros gehen, ohne unsere Botschaft zu sehen. Und unsere Botschaft sorgte am ersten Tag der EU-Verhandlungen für Schlagzeilen.
Schon als sich die Verhandlungen im September zuspitzten, schickten wir Tausende von E-Mails und Tweets an die Gesetzgeber, um die so schwerwiegenden Verbrechen gegen die Umwelt zu bestrafen.
Unser Druck hat gewirkt: Diese Vereinbarung ist ein großer Schritt der EU, den Umweltschutz ernst zu nehmen. Es handelt sich um eine der ehrgeizigsten Gesetzgebungen der Welt. Die Unternehmen werden mit massiven Geldstrafen belegt und verlieren sogar die Möglichkeit, in Europa tätig zu werden. Und was noch wichtiger ist: Dies könnte Umweltkatastrophen in der Zukunft verhindern. [4]
All dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterschriften, Spenden, Beiträge in den sozialen Medien und E-Mails von Tausenden von Menschen aus dieser Gemeinschaft. Das zeigt wirklich, dass Macht von unten funktioniert!
Wenn wir weiterhin dafür kämpfen wollen, dass Unternehmen unseren Planeten nie wieder im Namen des Profits schädigen können, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Gemeinschaft aus Tausenden von Menschen besteht, die bereit sind zu handeln!
Im Jahr 2024 stehen uns wichtige Kämpfe bevor: Sei es, um Europa vor gierigen Bergbauunternehmen zu schützen, die nicht vor der Verschmutzung und Vertreibung ganzer Gemeinden zurückschrecken - oder um sicherzustellen, dass große Umweltverschmutzer besteuert werden. Damit sie für die Klimakrise bezahlen, für die sie maßgeblich mit verantwortlich sind.
Referenzen:
[1] Als "Ökozid" wird jede menschliche Aktivität bezeichnet, die unsere Umwelt massiv schädigt und zerstört, wie z.B. eine Ölpest, Abholzung oder Bodenverschmutzung.
"Obwohl der vereinbarte Text selbst das Wort "Ökozid" nicht enthält, heißt es in der Präambel, dass er ‘mit dem Ökozid vergleichbare Fälle’ unter Strafe stellen will. Dabei handelt es sich um Handlungen, die weit verbreitete, erhebliche und irreversible oder lang anhaltende Schäden an großen oder wichtigen Ökosystemen, Lebensräumen oder der Qualität von Luft, Boden oder Wasser verursachen."
Dies lehnt sich eng an eine von “Stop Ecocide International” im Jahr 2021 entwickelte Definition des Begriffs an.
Siehe auch https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_5817
https://www.stopecocide.earth/legal-definition
[3] https://action.wemove.eu/sign/2023-05-save-donana-petition-DE?akid=1455%2E123075%2EZc5XCS
[4] Es wird der Straffreiheit für Umweltsünder*innen ein Ende setzen: Verstöße können mit bis zu 8 Jahren Gefängnis bestraft werden, wenn sie einem Ökozid gleichkommen. Dies könnte auch eine neue Ära der Umweltgerichtsbarkeit einläuten, denn das Gesetz ermutigt dazu, Umweltverbrechen anzuzeigen.
https://www.commondreams.org/news/eu-criminalize-ecocide
WeMove Europe ist eine Gemeinschaft von Menschen aus allen Lebensbereichen, die Europa ihre Heimat nennen, unabhängig davon, wo wir geboren wurden, wo wir leben oder wen wir lieben. Im Namen einer besseren Zukunft für die Menschen und den Planeten kommen wir zusammen, um Petitionen zu unterschreiben, Briefe zu verschicken und auf der Straße zu protestieren, um unseren Stimmen Gehör zu verschaffen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen