Falter hier, Wien Jürgen Klatzer 16.5.25
Was aus der Letzten Generation wurde, warum gerichtlich gegen sie ermittelt wird und wie es weitergeht
Gegen die Letzte Generation wird seit Herbst 2023 ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft der – bereits aufgelösten – Klimaschutzbewegung (schwere) Sachbeschädigung und die „Bildung einer kriminellen Vereinigung” nach § 278 StGB vor, im Volksmund auch als „Mafiaparagraf” bekannt.
Nun liegt der Vorhabensbericht vor. Wird Anklage erhoben oder will die Staatsanwaltschaft die Causa einstellen? Wir haben nachgefragt.
Letzte „Mafia”?
Gegen die Letzte Generation wird wegen (schwerer) Sachbeschädigung und aufgrund des sogenannten „Mafiaparagrafen“ ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat einen Vorhabensbericht fertiggestellt.
Wie geht es weiter?
Mit einer Flex schnitt die Feuerwehr die Südautobahn auf. Grauer Staub wirbelte durch die Luft. Zum Schutz vor Splittern legten die Einsatzkräfte rote Planen aus. Dann konnten die einbetonierten Hände freigelegt werden.
Diese Szene spielte sich am 20. November 2023 ab. Klimaaktivisten der Letzten Generation klebten sich auf die Fahrbahn der Südautobahn A2 – nicht mit einem herkömmlichen Superkleber, wie sie es davor schon oft gemacht hatten, sondern mit einer Mischung aus Quarzsand und Kleber.
Wegen der „Betonhand“ (auch „Mumienhand“ genannt) musste die Feuerwehr mit der Flex anrücken. Diese „Betonhand“ löste aber auch strafrechtliche Ermittlungen gegen die Letzte Generation aus.
Die Staatsanwaltschaft Wien wirft der Bewegung (schwere) Sachbeschädigung (§ 126 Strafgesetzbuch) und die Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Strafgesetzbuch) vor. Letzteres wird im Volksmund auch als „Mafiaparagraf“ bezeichnet.
Seit Herbst 2023 wurde ermittelt. Nun liegt ein Vorhabensbericht vor. Wie der Falter erfahren hat, wurde der Bericht der Staatsanwaltschaft vor wenigen Tagen an die zuständige Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt. Über den Inhalt geben beide Behörden keine Auskunft. Im Justizministerium sei der Vorhabensbericht noch nicht eingelangt, sagt Ministeriumssprecherin Sina Bründler.
In dem Bericht legt die zuständige Staatsanwältin dar, wie sie in der Causa weiter vorgehen will – also ob sie Anklage erheben oder das Verfahren einstellen möchte. Aus der Oberstaatsanwaltschaft Wien heißt es derzeit: Der Bericht sei „in Prüfung“. Mehr könne man zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen.
Der gesamte Ermittlungsakt mit der Zahl 5 St 137/2023h umfasst inzwischen mehr als 4.100 Seiten. Gegen 76 Personen wurde ermittelt – gegen 72 wegen (schwerer) Sachbeschädigung und gegen 32 auch wegen der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“. Unter den Beschuldigten befindet sich auch die deutsche Staatsbürgerin Anja Windl. Gegen sie läuft aktuell auch ein Verfahren wegen eines Aufenthaltsverbots. Sie sei eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit”, sagen Österreichs Behörden. Sie wehrt sich dagegen (mehr dazu hier).
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Letzte Generation haben für Aufregung gesorgt. Die Klimaaktivisten selbst sprachen von einem Einschüchterungsversuch. Gerade der Vorwurf, man habe eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet, sei an den Haaren herbeigezogen.
Während sich die Grünen irritiert und überrascht zeigten, begrüßte die ÖVP das Strafverfahren gegen „Chaoten und Chaotinnen“, für die FPÖ waren die strafrechtlichen Ermittlungen „längst überfällig“. Bis dato waren die Aktivisten meist mit Verwaltungsstrafen konfrontiert.
Denn darauf hatte es die Gruppe auch angelegt: stören. Man wollte auf das Nichtstun der Regierung in Sachen Klimaschutz aufmerksam machen. Ab 2022 protestierte die Letzte Generation deshalb in ganz Österreich. Die Aktivisten klebten sich während des Frühverkehrs auf Straßen, schütteten schmierige Flüssigkeiten über (hinter Glas geschützte) Kunstwerke und färbten den Pallas-Athene-Brunnen vor dem Parlament grün ein.
Die Methoden waren umstritten – selbst innerhalb der Klimabewegung war man sich uneins, wie weit man mit den Protesten noch gehen kann. Auch die Klimaschutzaktivistin und spätere Grünen-Politikerin Lena Schilling distanzierte sich von den Methoden. Sie wisse nicht, wie effektiv es sei, „den Menschen, die in die Arbeit fahren, im Frühverkehr am Arsch zu gehen“.
ÖVP und FPÖ wetterten ohnehin immer öfter über „Klimaterroristen“. Im Mai warf man der Letzten Generation sogar vor, einen lebensrettenden Rettungseinsatz behindert zu haben. Belege dafür gab es keine (mehr dazu hier).
Im Sommer 2024 beendete die Letzte Generation ihre Proteste – offiziell, weil man „keine Perspektive für Erfolg mehr“ sehe. Hinter vorgehaltener Hand wird auch erzählt, dass einige Mitglieder wegen der strafrechtlichen Ermittlungen eingeschüchtert seien.
Seitdem ist es ruhig geworden um die Letzte Generation. Keine Blockade, keine Schüttaktion – und vor allem: Keine Betonhände.
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