Samstag, 10. Mai 2025

Bidirektionales Laden: Deutschland erst auf Platz 15

Tim Meyer hier auf LinkedIn

Energie auf den Punkt

Tag 2 auf der The smarter E - heute habe ich mir die Themen rund um Ladeinfrastruktur und Elektromobilität angesehen (Power2Drive Europe). Eigentlich wollte ich auch über Ladesäulen mit >1 MW Leistung und smart charging Lösungen für den Geschosswohnbau berichten. Doch nach einem spannenden Gespräch mit Marcus Fendt von The Mobility House habe ich nochmal von vorne angefangen.

In keinem Feld werden die Möglichkeiten der Industrie vermutlich so stark von der Wirklichkeit gebremst wie bei Vehicle-to-grid (V2G). Einerseits stehen sich bei V2G viele Länder noch selbst auf den Füßen – Deutschland leider wieder besonders doll. In einer Studie von Berylls aus dem letzten Jahr liegt Deutschland im Vergleich der "V2G Readiness" auf den hintersten Rängen. Wobei diese Studie die Verfügbarkeit von Smart Metern etwas sehr in den Vordergrund zu stellen scheint. Denn auch der regulatorische Rahmen muss passen sowie die reale Organisation der Netzintegration und ihrer energiewirtschaftlichen Prozesse. 

Hinzu kommt, dass es eben nicht nur Rahmensetzungen der Politik braucht und die Fähigkeit von Netzbetreibern, V2G einzubinden. Auch die Industrie selbst hat noch Hausaufgaben. 

Zunächst muss die Automobilindustrie mittlerweile bestehende V2G-Standards in die Fahrzeuge einbauen. Das erfolgt bei neuen Modellen schrittweise. Doch es müssen auch Geschäftsmodelle und attraktive Angebote für Kund:innen geschaffen werden. Und die müssen dann auch V2G-fähige Wallboxen kaufen können. 

Bei der bereits standardisierten DC-seitigen Kopplung von V2G scheint sich das Henne-Ei-Problem so langsam zu lösen (ohne V2G-fähige Autos und Tarifangebote keine V2G-Wallboxen, ohne V2G-Wallboxen keine Nachfrage…). Bei der AC-seitigen Kopplung fehlen noch Standards bzw. müssen Wallbox und Fahrzeug gemeinsam zertifiziert werden, was zu rein proprietären Lösungen führt. Nicht optimal.

Und zu guter Letzt müssen all die Kundenwünsche (wann möchte ich welchen Ladezustand?), die Anforderungen der Automobilhersteller (wie und unter welchen Bedingungen dürfen die Batterien für V2G zyklisiert werden?) und die Angebote der Energieversorger (welcher Tarif? Welche App?) mit energiewirtschaftlicher Kernerarbeit hinterlegt werden: der Aggregation tausender kleiner Einheiten zu handelbaren Mengen. Eine multidimensionale Aufgabe. 

V2G wird kommen, Firmen wie Mobility House stehen in den Startlöchern. Zu attraktiv sind Kundenangebot und Business Case. In Frankreich können Kunden mit einem Renault 5 bereits gut 10.000 km umsonst fahren. So viel Geld verdient die Batterie über den Stromhandel. 

Und am Ende profitieren Markt und Netz von Millionen rollenden Speichern auf unseren Straßen. Win, win, win. Was braucht es also, damit schneller mehr Schwung ins Thema kommt?

- Smart Meter, Smart Meter, Smart … 

- Einen einfachen regulatorischen Rahmen

- verbindliche technische und Abwicklungsstandards für VNB (auch europaweit)

- Mehr und standardisierte bidirektionale Ladetechnik

- Fähige Energiedienstleister




Bidirektionales Laden soll bis 2030 für die breite Masse verfügbar sein. Aktuell ist die Technologie jedoch noch nicht ganz marktreif, zumindest nicht in Deutschland und vor allem nicht beim Laden mit einer AC-Ladestation. Und auch auf europäischer Ebene bedarf es Harmonisierungen.

 hier

Rechtliche Rahmenbedingungen und Hemmnisse für bidirektionales Laden

Neben den technischen Standards müssen auch rechtliche Fragen für bidirektionales Laden geklärt werden. Der aktuelle Rechtsrahmen erlaubt zwar das bidirektionale Laden, aber es bestehen nach wie vor Hemmnisse. Die Stiftung Umweltenergierecht hat in einer aktuellen Studie die rechtlichen Rahmenbedingungen und Hemmnisse analysiert.

Bidirektionales Laden verbindet Elektromobilität und Energiewirtschaft, indem Fahrzeugbatterien als Zwischenspeicher für Strom genutzt werden können. Dieser Strom kann im Haushalt oder Gewerbe verwendet oder ins Netz zurückgespeist werden. Insbesondere für die Bereitstellung von Netzflexibilität bietet bidirektionales Laden großes Potenzial. Allerdings wird diese Technologie im derzeitigen Energierecht nicht ausreichend berücksichtigt, was die Nutzung erschwert.

Unterschiedliche Behandlung stationärer und mobiler Speicher

Aktuelle rechtliche Regelungen, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), sind vor allem auf stationäre Speicher oder reine erneuerbare Energien-Speicher ausgelegt. Mobile Speicher wie Elektrofahrzeuge fallen oft durch das Raster, da sie an verschiedenen Orten geladen werden und häufig nicht ausschließlich mit erneuerbarem Strom betrieben werden. Diese Mobilität erschwert die Zuordnung der „Erneuerbare-Energien“-Eigenschaft sowie die Vergütung und Netzeinspeisung. Auch bei Strompreisbestandteilen werden mobile Speicher teils von Privilegierungen, wie sie für stationäre Speicher gelten, ausgenommen.

Um das volle Potenzial des bidirektionalen Ladens zu nutzen, bedarf es rechtlicher Anpassungen. Besonders wichtig ist dies, wenn Fahrzeuge systemdienlich eingesetzt und Strom ins Netz rückgespeist werden sollen. Für Änderungen im Bereich der Netzentgelte ist die Bundesnetzagentur zuständig. Ein klarer und angepasster Rechtsrahmen ist entscheidend, um die Vorteile bidirektionalen Ladens optimal zu nutzen.

Kernergebnisse

Wenn Strom aus einer Erneuerbare-Energien-Anlage (EE-Anlage) im Elektrofahrzeug zwischengespeichert wird, verliert der Betreiber der Anlage den Anspruch auf Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Auch das Solarpaket I ändert nichts an dieser Regelung für Anlagen, die eine Einspeisevergütung erhalten. Lediglich der direkt ins Netz eingespeiste Strom bleibt vergütungsfähig, sofern dieser messtechnisch eindeutig abgegrenzt wird, selbst wenn eine bidirektionale Wallbox genutzt wird.

Die Rückspeisung von Strom aus dem Elektrofahrzeug ins Netz ist bisher nicht vollständig in den technischen Netzanschlussregeln berücksichtigt. Dafür ist ein separater Netznutzungsvertrag mit dem Netzbetreiber erforderlich. Zusätzlich muss der rückgespeiste Strom eigenständig vermarktet werden, was komplexe energiewirtschaftliche Pflichten mit sich bringt. Hierfür wird in der Regel die Unterstützung eines Dienstleisters notwendig.

Wenn Strom aus dem Netz zwischengespeichert und anschließend wieder ins Netz eingespeist wird, gelten für Elektrofahrzeuge im Vergleich zu stationären Speichern nicht alle Privilegien. Insbesondere müssen Netzentgelte und Stromsteuer meist in voller Höhe gezahlt werden, was die Attraktivität dieser Anwendung einschränkt.


Download

Hier kann die Studie als PDF heruntergeladen werden: Bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen – Rechtliche Rahmenbedingungen und Hemmnisse (PDF)  hier

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