hier Rico Grimm 15.4.25
⚡️ 🇪🇺 Euractiv interviewt Conall Heusaff vom Thinktank Bruegel, der sich in einem Report (hier) angeschaut hat, wie sich die Strompreise in Europa senken lassen.
Gas macht Strom teuer. Also muss Gas so schnell wie möglich aus dem System raus.
Ein wirklich vollständig integriertes europäisches Netz sei nötig. Das ist eine tolle Idee, aber dagegen spricht, dass dann die BILD jeden Tag über die STROMIMPORTE 1!!1! lästern würde und so viel Ignoranz können wir alle nicht lange aushalten.
Im Ernst: Das geht in eine gute Richtung. Noch mehr Ideen, um Gas loszuwerden, habe ich letzte Woche hier gesammelt.
20 GW neue Gaskraftwerke? Es geht anders
Schwarz-Rot plant, Gas zuzubauen. Das ist einfallslos.
Heute schaue ich mir nicht alles an, was sich Schwarz-Rot bei Klima und Energie im Koalitionsvertrag vorgenommen hat. Ich greife einen Aspekt heraus, der mich selbst interessiert: der geplante Zubau an Gaskraftwerken. Leitfrage: Muss das denn sein?
Was Schwarz-Rot beschlossen hat: Zubau von bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030 im Rahmen einer zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie.Die neuen Gaskraftwerke sollen vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen und regional nach Bedarf gesteuert werden. Ein Kapazitätsmechanismus soll einen systemdienlichen Technologiemix aus Kraftwerken, Erzeugungsanlagen, Speichern und Flexibilitäten fördern.
Reservekraftwerke sollen künftig nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises eingesetzt werden
Wie Schwarz-Rot es begründet: Versorgungssicherheit
Niedrigere Strompreise – ein größeres Energieangebot soll zur Stabilisierung und Reduzierung der Stromkosten beitragen.
Kohlekraftwerke stilllegen – die Koalition will Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke direkt ersetzen.
Welche Alternativen es zu 20 GW neuen Gaskraftwerken gibt
Nun, ohne besondere Gewichtung:
Netzausbau grundlegend anders finanzieren
Grenzüberschreitenden Netzausbau verstärken
Absicherungspflicht einführen
Pumpspeicherkraftwerke erweitern und modernisieren
Batteriespeicher an Netzengpässen installieren
Kraft-Wärme-Kopplung ausbauen
Einführung intelligenter Zähler beschleunigen
Lastmanagement/Nachfragesteuerung bei Industrieprozessen fördern
Elektrolyseure als regelbare/steuerbare Last nutzen
Virtuelle Kraftwerke vernetzen
Tiefengeothermie ausbauen
Steigerung der Anpassungsfähigkeit bestehender Biogasanlagen vorantreiben
Rückspeisung aus Elektrofahrzeugen ins Stromnetz (Vehicle-to-Grid/V2G) ermöglichen
Regionale Märkte für anpassbare Leistung/Regelenergiemärkte schaffen
Strompreiszonen etablieren
Strom-zu-Wärme-Technologien in Fernwärmenetzen integrieren
Schwimmende Windkraft europaweit ausbauen
Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen (Agri-PV) flächendeckend einsetzen
Hemmnisse für Heimspeicher abbauen
Sektorgekoppelte Quartierskonzepte einführen
Es gibt noch mehr Ideen, sicher. Ich will sie gar nicht im Detail diskutieren. Der Punkt ist ein anderer:
🍏 Was ich denke
Mit dieser langen Liste wollte ich eine Sache verdeutlichen: Wir müssen keine 20 GW an neuen Gaskraftwerken bauen. Weniger reicht auch – wenn wir die Prioritäten anders setzen.
Wer an das Energiesystem von morgen denkt und zuerst Gaskraftwerke sieht, heißt mutmaßlich RWE und denkt in Wahrheit nicht nur an das Energiesystem von morgen. Er erinnert sich viel mehr der „guten alten Zeit“, als die Margen so hoch wie die Emissionen waren und die Zahl der Strom- und Wärmeproduzenten beruhigend übersichtlich blieb.
Gaskraftwerke sollen sicher und bezahlbar sein. Das sind die zwei Hauptargumente, die E.ON und RWE in ihrem Positionspapier (PDF) und die neue Koalition anführen.
Dabei verdrängen schon heute große Batteriespeicher in gut funktionierenden Märkten die Gaskraftwerke – ohne hohe CO₂-Preise. Werden die Gaskraftwerke mit CO₂-Abscheidung versehen, sind sie in Deutschland nicht wettbewerbsfähig. Es gibt auch kein Transportnetz für das Gas (geschätzter Kostenpunkt laut Verband der Zementindustrie: 14 Milliarden Euro).
Für Wasserstoff gibt es zwar ein Transportnetz, aber reine Wasserstoffkraftwerke sind mit ihrer Ineffizienz eher in einem voll integrierten Erneuerbaren-System plausibel, wo sie Nischenfunktionen erfüllen können.
Gleichzeitig wurde das hochwichtige Ziel der Versorgungssicherheit durch tief fliegende Debatten über Dunkelflauten, Blackouts und Brownouts so zugenebelt, das völlig untergeht, dass die Dauer der Stromausfälle in Deutschland seit Jahren sinkt, während wir unser Energiesystem auf Erneuerbare umstellen.
Eine Sache ist zentral: Die Gaskraftwerke sollen im Rahmen eines Kapazitätsmarktes entstehen. Das bedeutet, dass die Allgemeinheit für sie aufkommt, auch dann, wenn sie nicht laufen.
Wer auf diese Weise den Bau von 20 GW Gaskraftwerken finanzieren will, braucht einen besonders guten Grund. Denn heute liegt die Beweislast bei den fossilen Erzeugern.
Gibt es so einen triftigen Grund? Jaein. Wir wissen nicht, wie sich ein System verhält, das mit beinahe 100 % Erneuerbaren fährt. Deutschland ist heute bei knapp 60 %. In dieser Situation kann es allein aus psychologischen Gründen sinnvoll sein, ein Sicherheitsnetz zu haben – ähnlich dem Erbe, der bei der Unternehmensgründung voll ins Risiko gehen kann, weil er weich fällt.
Aber: Wir sind eben auch erst bei 60 %. Das war der leichte Teil der Energiewende.
Der Schwierige beginnt jetzt, wo Speicher, intelligent gefahrene Netze, Stromhandel und Integration mit den Nachbarländern anstehen. Das alles braucht Unterstützung und Förderung. Das müsste zuerst in einem Kapazitätsmarkt angereizt werden. Dann erst die Gaskraftwerke.
Das letzte Mal, als der Staat aus Angst um die Versorgungssicherheit Gasinfrastruktur hochgezogen hat, ist ein warnendes Beispiel. Alle Gasterminals, die nach dem Ukraine-Krieg in Nord- und Ostsee installiert wurden, laufen laut einer Auswertung der Deutschen Umwelthilfe deutlich unter Kapazität.
Wer heute noch Gaskraftwerke bauen will, muss beweisen, dass es sie braucht. Eine nostalgische Quote zum Schutz aussterbender Arten ist nur in der Tierwelt ein triftiger Grund, aber nicht in der Energiewirtschaft.
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